Ingos Wut

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Früher war er nicht so gewesen. Als Johanna noch lebte, war er ein liebevoller Vater gewesen. Zu Johanna, aber auch zu mir hatte er eine gute Vaterrolle eingenommen.

Klar verhielt er sich seiner leiblichen Tochter manchmal etwas parteiisch, doch als Kind verstand ich das nicht. Ich war damals wütend, wenn Johanna etwas durfte, ich aber nicht.

Doch nach dem Unfall von Johanna veränderte sich alles. Ingo wurde schnell ungeduldig und zornig. Wenn etwas nicht so lief wie er es wollte, rutschte ihm schon mal die Hand aus. Gegenüber seiner Frau war es nur einmal passiert.

Es hatte ihn geschockt das er seine geliebte Frau so behandelt hatte. Anschließend gab es ein langes, intensives Gespräch. Danach schienen sich die beiden wieder näher gekommen zu sein.

Doch was Ingo mit mir machte, schien Tatjana nicht mitzubekommen. Und ich traute mich nicht es ihr zu sagen, denn ich hatte sie so lieb gewonnen. Ich war ihr so dankbar, für all das was sie bis jetzt für mich getan hatte.

Die Übergriffe von Ingo waren am Anfang recht harmlos. Es fing mit Ohrfeigen an, doch es blieb es nicht dabei. Er packte immer fester zu und wurde immer grober. Doch alles nur solange Tatjana nichts bemerkte.

Ingos Methoden wurden zum teil immer brutaler. Doch trotzdem traute ich mich nicht irgendjemanden davon zu erzählen, hielt es teilweise auch für Normal.

Selbst Lea hatte ich nichts anvertraut. Sie mochte Ingo, nach außen schien er auch eine vertrauenswürdige Person zu sein. Er besaß Charisma und wusste mit Worten umzugehen um sein Gegenüber von seiner Meinung zu überzeugen.

Ingo setzte sich auf mein Bett und Griff in seine Hemdtasche. Er holte ein Feuerzeug und Zigaretten heraus. „Komm her.", befahl er und ich ging zögerlich auf ihn zu. „Mach die für mich an.", er hielt mir Feuerzeug und Zigarette entgegen. Ich hasste Zigaretten. Sie stanken und waren ungesund. Ich sah ihn missmutig an. „Los jetzt." Schrie er fast. Ich zuckte zusammen. Es könnte schlimmer kommen, dachte ich und machte die Zigaretten an. Ich gab sie ihm zurück. Das Feuerzeug ließ er zurück in seine Hemdtasche gleiten. Genüsslich rauchte er seine Zigarette. Die Asche ließ er auf meinen schönen Holzboden fallen. Ich seufzte.

Hatte Ingo also einen guten Tag und wollte mir nur zusätzliche Arbeit machen. Das war mir egal. „Mach dir eine an.", befahl Ingo und sah mich etwas zu zufrieden an. Das gefiel mir nicht. Irgendwas hatte er doch schon wieder geplant. „Ich rauche nicht.", erwiderte ich angeekelt. Er schaute mich düster an. „Ich habe dich nicht gefragt."Widerstrebend nahm ich die Zigarette die er mir hinhielt und machte sie an. Ich zog einmal daran. Der heiße Rauch den ich einatmete ging meine Luftröhre hinunter und gelang in meine Lunge. Ich musste husten. Meine Lunge war das nicht gewohnt.

Mein Mund fühlte sich pappig an. Ich schmatze. Ingo grinste zufrieden. Es schien ihm zu gefallen das ich unglücklich mit der Situation war.

Dafür hasste ich ihn. Sobald mir etwas nicht gefiel oder ich nicht zufrieden war, wurde Ingo hellhörig. Selbst zu meinem Geburtstag oder zu Weihnachten waren meine Geschenke schön danach sortiert, wie wenig ich sie mag. Tatjana war dies zwar aufgefallen, hielt dies aber für einen spaßigen Machtkampf zwischen uns. Das mir das wirklich was ausmachte, hatte Ingo ihr ausgeredet. Und so Naiv wie Tatjana war, glaubte sie es ihm. Sie liebte ihn viel zu sehr als das sie ihm solch gemeine Taten zutraute. 

„Zieh, bis zum Ende.", befahl Ingo im harten, unfreundlichen Ton. Ich tat wie mir befohlen. Zumindest versuchte ich es. In den Filmen schien das immer zu funktionieren. Vielleicht auch, weil ihre Lungen schon zu stark beschädigt waren. Ich hustete stark. 

„Du weißt das ich Rauchen hasse.", keuchte ich zwischen husten. 

„Sei still.", er riss mir die Zigarette aus der Hand. Er nahm beide Zigaretten in eine Hand und packte mich am Arm. Ich konnte mir vorstellen was er vorhatte und wand mich unter seinem Griff. Doch er war zu stark. Tränen schossen mir in die Augen und ich versuchte mit aller Kraft mich gegen seine Fessel zu wehren. Doch es schien aussichtslos. 

Er drückte die noch glühenden Zigaretten an meinem Arm aus. Der Schmerz ließ nur kurz auf sich warten. Die Glut verbrannte mein dünnes Shirt. Ich schrie auf, Tränen flossen meinen Wangen hinunter, meine Knie gaben nach. Erst jetzt ließ Ingo mich los. Die Zigarettenstummel lagen neben mir auf dem Boden. Ich wimmerte. Mein Arm brannte, vorsichtig versuchte ich die Stofffetzen aus der Wunde zu entfernen und zuckte zusammen.

„Ich habe dir schon oft gesagt, das ich dich bestrafen werde wenn du meiner Frau Schaden zufügst.", prahlte Ingo zufrieden. Er stupste mich mit seiner Fußspitze angewidert an. So als ob man kontrollieren wollte ob ein angefahrenes Tier wirklich tot war. Ich schlug mit dem unverletzten Arm gegen sein Schienbein, schlechte Idee. Mein Unterarm schmerzte, ich Idiot.

Doch auch Ingo musste es weh getan haben, denn er zuckte kurz zusammen und ein Schmerz-Ausdruck blitze eine Sekunde über sein Gesicht.

„Du kleine Ratte.", erzürnt kam er mit seinem Gesicht direkt vor meines. Mit seiner linken Hand packte er mich, etwas zu fest, am Kinn und zwang mich so, ihn anzusehen.

„Du wohnst immer noch bei mir Joana.", sprach er mit bedrohlicher Stimme. „Ich kann dich aber auch jederzeit vor die Tür setzten. Also, tu was ich von dir verlange und sei ansonsten unsichtbar für mich. Du machst es nur schlimmer"

Ich versuchte zu nicken, doch noch immer umklammerte er mein Kinn. „Ja.", brachte ich raus. Er ließ mich los und verließ mein Zimmer. Ich hörte es klicken, vermutlich hatte er meine Tür von außen abgeschlossen. Doch das war mir gerade egal. Mein Arm brannte, eine bläuliche Beule bildete sich da, wo ich Ingo getroffen hatte. Auch mein Kiefer schmerze von seinem Griff. Ich bewegte meinen Unterkiefer um ihn zu lockern.

Anschließen ging ich in mein kleines Bad um vorsichtig meine Brandwunde auszuspülen. Nur lauwarmes Wasser, hatte ich in einem Erste-Hilfe-Kurs gelernt. Über meine Beule jedoch ließ ich kaltes Wasser laufen.  

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