"Was ist denn hier so passiert? Irgendwas besonderes?", fragte Liam nun.
"Zwischen Justus und Ruby ist es aus, also mit dem Thema momentan lieber ganz vorsichtig."
"So schlimm?"
"Ja. Der erste Liebeskummer ist schon was schlimmes. Der ist ziemlich fertig."
"Was heißt jetzt ziemlich fertig?"
"Der kam gestern Abend so gegen zehn nach Hause und hat bei mir erstmal eine Runde geweint und danach dann bei mir geschlafen. Ich denke das beschreibt ganz gut, wie fertig er ist."
"Oh Gott! Wann haben wir den Jungen das letzte Mal weinen sehen?"
"Ich hab keine Ahnung. Es ist auf jeden Fall lange her. Ihm macht das wirklich zu schaffen."
"Der Arme."
"Ja. Der tat mir schon echt leid."
"Und sonst?"
"Eigentlich nichts besonderes. Achso und du musst gucken, dass du in der letzten Woche im November frei kriegst."
"Wieso? Was ist da?"
"Ich darf nochmal nach Australien auf die Rennbahn. Denen haben meine Fotos so gut gefallen, dass ich nochmal hin soll."
"Das war doch dieser Typ, der so schwer zufrieden zu stellen ist, oder?"
"Genau der. Der war total begeistert von den Fotos."
"Das ist ja super! Glückwunsch!"
"Und diesmal kommst du mit."
"Und was ist mit den Kindern?"
"Du solltest mittlerweile wissen, dass die hier alleine klar kommen."
"Okay. Ich sprech mit meinem Chef, aber ich denke das sollte klappen."
"Wenn nicht sprechen ich halt nochmal mit ihm."
"Ich mach das schon."
"Gut."
"Und die Pferde waren alle brav?"
"Ja. Alles gut. Am Donnerstag hat Allison mit denen trainiert und ansonsten hab ich die locker ein bisschen geritten."
"Super. Danke!"
"Kein Problem. Ich reit sie ja gerne. Ich hab nur immer Angst, dass ich sie dir verreite."
"Tust du nicht. Keine Sorge. Du reitest wirklich gut. Dressur ist halt nicht so dein Ding."
"Das kann man wohl sagen."
"Du bist eben mehr die Springreiterin. Das kann ich dafür nicht."
"Du reitest die schwierigsten Lektionen und kannst nicht springen? Das müsste für dich doch ein Kinderspiel sein."
"So mal ein Cavaletti oder so ist auch kein Problem, aber wenn ich da die Höhen sehe, wo ihr so drüber springt, hab ich da dann doch Respekt vor. Ich würde nie über einen Sprung springen, wo ich vom Boden aus gerade so noch drüber gucken kann."
"Hat der Dressurreiter etwa Angst vorm Springen?"
"Vor dem Springen an sich nicht. Ich hab nur Respekt vor der Höhe über die ihr springt."
"Das ist nur 1,50."
"Nur ist gut. Die sind so hoch, wie du und du springst da mal eben drüber als wär es das Normalste der Welt."
"Die sind noch klein. Das ist nur S Höhe. Das Höchste ist dann 1,80 und du kannst selbst da noch drüber gucken."
"So groß sind meine Pferde nicht mal! Wie sollen die dann da drüber springen?"
"Das muss Beezie dir erklären. Cortes hat einen Stockmaß von 1,53 und springt 1,80."
"Das ist doch völlig geisteskrank!"
"Du bist schon verrückt. Du reitest die kompliziertesten Lektionen und kriegst es hin, dass dein Pferd auf der Stelle trabt, aber hast Angst über eine 1,50 Hindernis zu springen."
"Das ist ja auch was völlig anderes."
"Wenn du die komplette Kontrolle über dein Pferd hast, springt das auch."
"Das heißt nicht, dass ich oben bleibe."
"Willst du mich eigentlich verarschen? Du sitzt im Sattel wie festgeklebt und willst mir erklären, dass du über dem Sprung dann runter fällst oder wie?"
"Es kann immer was passieren und dann würde ich aus zwei Meter Höhe fallen anstatt aus 1,50 Metern."
"Das sind 50 Zentimeter! Die werden dich nicht umbringen! Das ist doch vollkommen paradox und eine total unbegründete Angst!"
"Ich bin halt der Dressurreiter und überlass das Springen lieber dir."
"Unglaublich. Du tanzt mit den Pferden perfekt durch das Viereck und meinst du hättest dann im Springen nicht genug Kontrolle."
"Ja."
"Das ist total bescheuert."
"Es ist eben so. Kann ich auch nichts für."
"Bist du schon mal richtig gesprungen?"
"Das Höchste war mal ein E Parcours. Und das auch nur, weil ich musste."
"Wieso musstest du?"
"Wenn du ein Abzeichen machst, musst du auch springen."
"Achso. Okay."
"Ja. Ich war das einzige Kind, das vor den Sprüngen schon Angst hatte."
"Da kannst du doch schon drüber steigen. Das ist doch wirklich kein Problem."
"Springen ist einfach nicht meins."
"Das kann man wohl sagen."
"Dann komm. Lass uns jetzt weiter machen. Das kann ich wenigstens."
Es dauerte nun nicht lange, bis Diana dann auf dem Pferd saß und die Stute locker warm ritt, während Liam noch schnell die letzte Box mistete.
Als er dann wieder kam, war Diana auch schon fertig mit dem warm reiten und er stellte sich nun in die Mitte des Vierecks, um ihr Anweisungen zu geben.
"Dann einmal kurz kehrt bei C.", rief er schließlich uns Diana versuchte sich daran. Bei ihr glich es allerdings schon eher einer Kehrtvolte.
"Das äußere Bein verwarend.", rief er ihr zu.
"Hab ich.", kam es von ihr zurück.
"Dann noch mehr.", meinte Liam und so versuchte Diana es noch einmal, doch auch diesmal klappte es nicht wirklich.
"Noch mehr verwarend.", rief Liam und noch einmal versuchte Diana es, aber auch diesmal funktionierte es nicht.
"Komm mal her.", rief Liam nun und kurz darauf stand Diana neben ihm.
"Guck mal. Hier muss dein Bein liegen. Eine Hand breit hinter dem Sattelgurt. Bei dir ist das immer nur ein Finger. Wenn überhaupt. Sie ist noch jung und braucht die Hilfen ein bisschen deutlicher.", erklärte Liam und zeigte ihr, wo ihr Bein liegen musste. In aller Ruhe und total gelassen unterrichtete er sie eine Stunde lang, bis Diana dann komplett fertig war. Locker trabte sie noch ein paar Runden, bevor sie dann durch parierte und abstieg.
"Du bist ja fertiger, als das Pferd.", bemerkte Liam mit einem Lächeln.
"Ja. Das Pferd ist es gewohnt, dass du es fertig machst. Ich nicht.", meinte sie.
"Warum sagst du nichts? Wir hätten doch eine Pause machen können oder eher aufhören."
"Alles gut. Ich dachte nur nicht, dass das so anstrengend ist. Bei dir sieht das immer so spielerisch leicht aus und in Wirklichkeit ist es so kompliziert."
"Ich übe das seit ich zwei bin. Ich bin solche Lektionen schon geritten, als du noch nicht mal auf der Welt warst. Ich kann das alles im Schlaf. Da ist es kein Wunder, dass das bei mir leicht aussieht. Für mich ist das leicht. Ich hab jahrelang nichts anderes gemacht. Du bist halt mehr die Springreiterin. Diese exakten Lektionen sind nicht deins. Das ist eben so."
"Ja. Das überlass ich dann doch lieber dir."
Gemeinsam führten sie die Stute nun noch trocken und versorgten sie in Ruhe. An der Weide blieben sie schließlich stehen und schauten zu, wie die Stute sich erstmal genüsslich wälzte.
"Und was machen wir jetzt?", fragte Liam.
"Wir könnten nach Hause gehen, oder wir bleiben hier und genießen eine Pause von den Dreien.", sagte Diana.
"Dann lass uns noch eine Weile hier bleiben."
"Okay."
"Wo ist eigentlich Allison?"
"Die ist unterwegs. Keine Ahnung wo genau."
"Achso. Und was ist mit den Pferden?"
"Nach denen hatte ich jetzt geguckt."
"Soll ich die irgendwie noch reiten oder so?"
"Keine Ahnung. Zu mir hatte sie gesagt ich soll sie einfach auf die Weide bringen und dann passt das schon. Die kommt ja morgen wieder."
"Achso. Dann ist gut."
"Die wollte nur für ein paar Tage weg."
"Und was ist mit dir? Du siehst müde aus."
"Alles gut. Ich hab jetzt nur jeden Tag drei bis vier Pferde geritten und sieben Boxen gemistet. Zwischen drin dann noch das Chaos mit Justus und abends hab ich dann noch meine Fotos bearbeitet. Ich bin ein bisschen fertig."
"Ich kann's verstehen. Arbeiten musstest du aber nicht, oder?"
"Nein. Halt nur den Büro Kram und die Fotos bearbeiten. Die hab ich aber so weit fertig. Ich muss dann mit Felix die Fotos durch gucken und bearbeiten. Da muss ich ihm immer noch ein bisschen helfen. Für so etwas fehlt ihm dann doch noch der geschulte Blick für die winzigen Details."
"Das könnte ich auch nicht. Also was du da immer siehst. Du korrigierst ja selbst die Sandkörner."
"Für ein perfektes Bild muss so etwas eben sein. Da muss jedes noch so winzige Detail stimmen."
"So Details, wie du da findest, sehe ich gar nicht."
"Du vielleicht nicht, aber es gibt Leute, die da Wert drauf legen. Außerdem gebe ich nur perfekte Bilder ab. Das weißt du doch."
"Und da sagst du ich bin perfektionistisch?"
"Ja. Ich mach das nur in meinem Beruf. Du bei allem und jedem. Du hast halt so deine Macken."
"Na danke auch."
"Aber dafür lieb ich dich ja. Hättest du keine Macken, wäre das ja langweilig."
"Na dann ist ja gut."
"Deine Mutter hat übrigens jetzt zweimal angerufen. Die schimpft schon wieder, dass du nur am Arbeiten bist."
"Das ist nichts neues. Das tut sie doch andauernd."
"Ja. Du solltest sie dann mal wieder anrufen."
"Bis morgen kann sie noch warten. Das muss jetzt gehen."
"Man bist du nett zu deiner Mutter!"
"Es gibt wichtigeres, als mit ihr zu telefonieren. Sie ist eben nicht mehr die einzige Frau in meinem Leben. Es gibt da so jemanden, der mir wichtiger ist."
"Dein Pferd?"
"Natürlich. Weil ich auch immer die Pferde über meine Familie stelle."
"Manchmal hab ich wirklich das Gefühl es wäre so."
"Du bist mir wichtiger, als jedes Pferd der Welt. Das weißt du genau."
"Ach ja?"
"Ja! Jetzt werd mir bloß nicht eifersüchtig auf die Pferde! Das musst du garantiert nicht! Ich bin 30 Jahre ohne die Pferde ausgekommen und würde es für dich auch jeder Zeit wieder tun. Ohne dich schaff ich es gerade mal eine Woche. Die Pferde sind mir auch wichtig. Gerade Nightsea und Moonlight bedeuten mir auch wirklich was, aber nichts und niemand auf der Welt bedeutet mir so viel, wie du und die Kinder es tun. Ihr seid alles für mich und ich würde niemals auch nur einen Gedanken daran verschwenden ein Pferd über euch zu stellen. Das kannst du mir glauben."
Sie schaute ihn nur wortlos an. Er ging nun etwas in die Knie, sodass sie auf einer Augenhöhe waren.
"Diana Carter. Ich liebe dich! Du bist mein ein und alles! Ich liebe nichts mehr, als dich! Wirklich nichts! Ohne dich will und kann ich nicht mehr leben! Ich würde niemals irgendwas über dich stellen! Für dich würde ich sogar sterben! Also bitte sei vernünftig. Du musst auf nichts und niemanden eifersüchtig sein, weil mir nichts und niemand mehr bedeutet, als du. Ich liebe dich! Und zwar nur dich!", sagte er so unglaublich süß und einfühlsam, dass Diana ihre Tränen einfach nicht mehr zurückhalten konnte und ihm weinend um den Hals fiel.
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Missing you
Teen FictionAchtung! In diesem Buch werden die Themen Krieg, Drogen, selbstverletzendes Verhalten sowie einige psychische Krankheiten behandelt. Diana ist Pferde Fotografin und wohnt mit ihrem Freund Liam in Ocala. An sich hat sie ein wirklich tolles Leben mit...