Ich wachte von den Regentropfen auf, die gegen mein Fenster trommelten. Hatte gestern Abend noch die Sonne geschienen, so war der Himmel jetzt mit dunklen, schweren Wolken verhangen. Ich dachte an den sternenklaren Himmel von gestern und sah sofort seine Gestalt vor mir, wie er mit verschränkten Armen da stand und grinsend auf mich hinab sah. Ärgerlich schüttelte ich den Kopf, um das Bild zu vertreiben. Ich war froh, dass gestern nichts schlimmeres passiert war und wollte auch garnicht weiter daran denken. Ich ging in die Küche und setzte mich mit einer Schüssel Cornflakes an den Tisch. Verwunderlich war nur die Tatsache, dass ich mich nicht daran erinnern konnte Angst gehabt zu haben. Dafür war das ziehen in meinem Bauch über die Nacht nicht verschwunden. Es war nicht mehr so stark, aber weg war es auch nicht. Genervt ging ich ins Bad und zog mich an. Heute stand der wöchentliche Großeinkauf auf meinem Tagesplan. Und ein Abstecher beim Friseur wäre auch mal wieder angebracht, beschloss ich nach einem Blick in den Spiegel.
"Jimin, Baby, schön dich mal wieder zu sehen", begrüßte mich Luhan. Er war seit sieben Jahren mein bester Kumpel neben Taehyung und zuständig für meine Haare. Zu einem anderen Frisör ging ich nicht mehr. Luhan drückte mich zur Begrüßung und haute mir einmal auf den Hintern. "Setzt dich kurz, ich muss Frau Sommer noch ihre Haare föhnen und danach hab ich gleich Zeit für dich." Ich nickte ihm als Antwort zu und setzte mich in einen der Sessel, die in einer Ecke seines Ladens für die wartenden Kundschaft bereit standen. Zu meinem Glück hatte er heute nicht so viele Kunden, ansonsten hätte ich nur einen Termin machen können. Auch wenn ich sein bester Kumpel war, Luhan gab keinem eine Extrawurst, wenn es um Termine ging. Und gerade das machte ihn bei seiner Kundschaft so beliebt, abgesehen von der Tatsache, dass er wirklich ein fabelhafter Frisör war. Ich setzte mich also hin und blätterte in den Modezeitschriften, die bereit lagen, um mir die Zeit zu vertreiben. Nach fünfzehn Minuten schaltete Luhan den Föhn aus und verabschiedete sich von Frau Sommer, die seit langen Jahren Stammkundin bei ihm war. "So Baby, was darf ich denn heute für dich tun?" Ich sah Luhan an und überlegte einen Moment. Ursprünglich hatte ich vor gehabt, mir die silberner Haare, welche langsam verblassten, nachfärben zu lassen. Doch plötzlich hatte ich den Drang mich stärker zu verändern. Ich dachte an gestern Abend und an die Aussage des Unbekannten, das er mich gesucht hatte. Nun lief mir doch ein kalter Schauer über den Rücken und ich antwortete Luhan: "Ich würde mich gerne mal wieder so richtig verändern. Was es genau werden soll, weiß ich allerdings nicht. Ich hab mir gedacht, ich überlasse die Entscheidung einfach dir." Ich lächelte ihn an. "Ich bin ja eigentlich Frisör und kein Styleberater, aber wenn du das so möchtest", er zwinkerte mir nur zu und forderte, mich mit einem 'Nur beschwert wird sich später dann nicht' auf ihm zu folgen. Ich begab mich in seine Hände und freute mich schon auf das Ergebnis. Auch wenn Luhan es nicht zugab, so wusste er doch sehr genau wem was stand. "So, dass wär's", verkündete Luhan nach zweieinhalb Stunden. Er hatte den Spiegel vor mir verhangenen zog nun das Tuch von diesem. Ich schaute in den Spiegel und war im ersten Moment überzeugt davon, dass ich einfach durch eine Scheibe hindurch einen anderen Mann ansah. Langsam hob ich die Hand und fuhr mir nun durch meine knall roten Haare, die von einzelnen bronzefarbenen Strähnen durchzogen wurden. Sie waren fluffig und ganz weich. Fasziniert schaute ich mein Spiegelbild an und dreht den Kopf hin und her. "Das... ist fantastisch geworden, Luhan!", rief ich begeistert aus.
Mit einem zischen stieß Luhan die angehaltene Luft aus, "Ein Glück. Ich habe erst gedacht, es gefällt dir nicht. Du warst so still." "Ich war nur überrascht, dass man sich durch seine Haare tatsächlich so stark verändern kann. Aber es gefällt mir ausgesprochen gut." "Na dann habe ich ja alles richtig gemacht." Strahlend umarmte er mich, sichtlich erfreut darüber, dass mir seine Arbeit so gut gefiel. Wir plauderten noch ein paar Minuten, bis der nächste Kunde den Laden betrat. Zum Abschied versprach ich Luhan bald mal wieder vorbei zu schauen und verließ mit dem Gewissen, dass mich so schnell keiner Wiedererkennen würde, sein Geschäft. Zwei Tage später saß ich meiner Mutter in einem kleinen, beschaulichen Italienischen Restaurant gegenüber. Wir aßen gerade unseren Nachtisch, als sie endlich die Frage stellte, die ich schon seit Beginn unseres Treffens in ihren Augen sehen konnte. "Sag mal Schatz, warum hast du deine schönen Haare gefärbt? Nicht, dass es nicht gut aussehen würde, das habe ich dir ja am Anfang schon gesagt, aber du hast dich sonst immer dagegen gewehrt, sie anders Färben zu lassen. "Ich weiß nicht. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es Zeit für eine Veränderung ist", log ich. Von meinem nämlichen zusammentreffen im Park wollte ich ihr nichts erzählen. Sie würde sich nur unnötig sorgen machen, zumal ich den mysteriösen Unbekannten seitdem nicht mehr gesehen hatte. Und da meine Mutter vorhin fast an mir vorbei gelaufen wäre, machte ich mir keine Sorgen, dass ein Wildfremder mich erkennen würde. Wir bezahlten die Rechnung und verließen das Restaurant. "Es war schön dich mal wieder so fröhlich zusehen seit...", meine Mutter stockte und sah betroffen zu Boden. "Mach dir keine Vorwürfe, Mum. Hoseok ist ein Idiot und langsam beginne ich dich zu verstehen." Zärtlich strich mir meine Mutter über den Kopf und gab mir einen Kuss auf die Stirn. "Ich bin so stolz auf dich Sohn. Ich weiß wie schwer es ist verrat zu vergessen." Mitfühlend nahm ich sie in die Arme und drückte sie. Sie hatte das verschwinden meines Vaters noch weniger verkraftet als ich und kämpfte nach der ganzen Zeit immer noch damit. Jemand, der meine Mutter nicht gut kannte, würde ihr das nie anmerken. Ich schluckte den Kloß herunter, der mit plötzlich im Hals saß. Nur Taehyung hatte ich es zu verdanken, dass ich immer seltener an Hoseok dachte und dem Schicksal meiner Mutter entkommen war. "Ich hab dich lieb, mein kleiner.", verabschiedete mich meine Mutter.
Ich beschloss auf dem Heimweg bei Taehyung vorbeizugehen, als es plötzlich anfing zu regnen. Na toll, dieser Spätsommer ist mir eindeutig zu verregnet. Da ich nach ein paar Minuten schon völlig durchnässt war, entschied ich mich dafür den Besuch bei Taehyung auf den nächsten tag zu verschieben. Die letzten Meter zu meiner Wohnung rannte ich. Als ich mich dem Hauseingang näherte, trat ein Mann aus dem Schatten. Ich blieb wie angewurzelt stehen und traute meinen Augen kaum. "Hast du echt gedacht, du kannst mir entkommen?" wie er da so arrogant lächelnd im Türrahmen stand, hätte ich ihn am liebsten geschlagen. Und doch war das ziehen in meinem Bauch sofort wieder da. Diese Tatsache machte mich erst richtig wütend. "Was willst du?", fragte ich ihn kalt. "Nur das du mitkommst." "Was?" "Dass du mit kommst." "Ich hab schon verstanden", entgegnete ich ungläubig. "Aber du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich einfach so mit einem wildfremden mitgehe?" "Ich bin Jungkook." Er kam auf mich zu und drückte mir blitzschnell einen Kuss auf die Wange. "Jetzt kennst du mich. Können wir los?" Ich konnte nicht anders, ich starrte ihn einfach mit offenem Mund an. Jungkook wartete geduldig, bis ich meine Sprache wieder gefunden hatte. "Bei dir piept es wohl", brachte ich mit erstickter Stimme hervor. Am liebsten hätte ich ihm einfach den Rücken zugekehrt und wäre mit einem 'verpiss dich' ins Haus gegangen. Doch so war ich nun mal nicht veranlagt. Also schüttelte ich einfach nur fassungslos den Kopf. "Nein. ich werde mir dir nirgendwo hingehen, egal, ob ich weiß wie du heißt oder nicht. Einen Namen zu kennen, heißt noch lange nicht die Person dahinter zu kennen." Mit einem Stirnrunzeln legte Jungkook den Kopf schief. Schließlich zuckte er mit den Achseln und kam auf mich zu. "Gut, dann gehen wir eben erstmal hoch." Er ging an mir vorbei und blieb vor der Haustür stehen. "Na los, kommst du, oder wollen wir uns weiterhin hier draußen voll regnen lassen?"
Ich konnte es nicht verhindern, dass ich ihn erneut mit offenem Mund anstarrte und langsam fing es an mich zu stören. Ich konnte es nicht leiden, wenn man mich so leicht aus der Fassung brachte. "Wie kommst du jetzt schon wieder auf die Idee, dass ich dich in meine Wohnung lassen würde?" "Weil ich dich ab jetzt nicht mehr alleine lassen werde." "Das wäre aber nicht ratsam." "Warum das denn? Ich fühl mich alleine ganz wohl", antwortete ich nun genervt. Jungkook zog ungläubig eine Augenbraue hoch und musterte mich aus seinen braunen Augen. Mir ist vorher garnicht aufgefallen was für schöne Augen er hatte. "Weil ich nicht der einzige bin, der auf der Suche nach dir ist." Seine Worte rissen mich aus meinen Gedanken. Verständnislos schaute ich zu ihm auf. "Warum sollte mich denn irgendwer suchen?" "Lass uns hoch gehen dann erkläre ich dir alles." Ich rollte mit den Augen. "Ich hab doch schon gesagt, dass ich dich nicht..." "Die anderen sind nicht so freundlich, wie ich", unterbrach mich Jungkook. "Sie werden keine Rücksicht auf dich nehmen und warten, bist du freiwillig mitkommst." Er fixierte meinen Blick mit seinem und ich konnte in seinen Augen lesen wie ernst er es meinte. Die Erwiderung, die mir schon auf der Zunge lag, schluckte ich herunter. "Das kann doch nicht dein Ernst sein." Unbehagen machte sich in mir breit und ich begann zu zittern, was jedoch auch daran liegen könnte, dass ich zu lange mit meinem dünnen Jäckchen im Regen stand. Ich blickte in den Himmel und ließ die Regentropfen über mein Gesicht laufen. Wenn ich keine Erkältung bekommen wollte, musste ich so schnell wie möglich ins trockene. Allerdings wollte ich mehr Informationen über die Leute haben, die angeblich hinter mir her waren. Dazu würde ich weiter mit Jungkook reden müssen, was mich in eine Zwickmühle brachte. Seufzend stieß ich die Luft aus und ging an Jungkook vorbei auf die Eingangstür zu. "Folge mir."
Ich schloss die Tür auf und Jungkook folgte mir in meine Wohnung. Ich ließ ihn im Wohnzimmer stehen und ging ins Bad. Seufzend ließ ich mich auf den Badewannen Rand sinken uns stützte meinen Kopf mit meinen Händen ab. Blöde Neugierde! Ich hätte ihn im Regen stehen lassen sollen. Aber dafür war es nun zu spät. Also schnappte ich mir zwei Handtücher und ging zurück ins Wohnzimmer. Ich öffnete die Tür und blieb abrupt stehen.
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Shadow Shapes || BTS FF
FanfictionZusammenfassung: Von seinem Freund betrogen und fallengelassen, schwört Jimin anderen Männern ab. Doch als der mysteriöse Jungkook in sein Leben tritt und Jimin eine völlig andere Seite der Welt zeigt, die voll von wundersamen Gestalten und magische...