Miranda
Vor ihr stand ein fremder junger Mann, dessen Hand trotz ihrem Aufschrei noch auf ihrer Schulter ruhte. Er musste etwa einen halben Kopf kleiner als Lord Hawkins sein und besaß einen etwas drahtigeren Körperbau als dieser. Wuschelige, strohblonde Haare, mit einem leichtem Stich ins rotbraune, fielen ihm in wirren Locken in das auf sie gerichtete Gesicht. Seine gebräunte Haut bildete einen hübschen Kontrast zu seinen blassgrünen Augen, welche zwischen den Haarsträhnen hervorblitzten. Noch immer spürte sie die Wärme seiner Hand und obwohl sie mit diesem Jungen noch kein einziges Wort gewechselt hatte, beruhigte sie diese stille Geste des angedeuteten Beistand. Er hielt ihr seine andere Hand hin, sagte noch immer nichts und wie von selbst ergriff sie diese zögernd. Sanft zog er sie hoch, ließ ihre Hand aber nicht los, wofür sie dankbar war, denn ihr Gleichgewicht war mehr als unsicher. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn sie etwas von dem frischen Obst oder dem Brot auf dem unangerührten Teller gegessen hätte. Jedoch hatte sie keinen Hunger gespürt, und so stand der Teller noch immer auf dem Sekretär. Wie zum Beweis für ihren leeren Bauch, grummelte ihr Magen, was ihr die Röte und dem jungen Mann ein Schmunzeln ins Gesicht zauberte. Hinter ihm erblickte sie die offen stehende Tür und schaute ihn daraufhin fragend an. Als er nicht reagierte, sah sie ihm irritiert in die Augen, welche leicht glasig wirkend auf einen Punkt hinter ihr gerichtet waren. Erst war sie verdutzt, bevor ihr ein Licht aufging. Testweise hob sie ihre freie Hand und wedelte damit vor seiner Nase herum. Seine verspätete Reaktion in Form eines kaum bemerkbaren Zuckens seines Kopfes bestätigte ihre Annahme. Der Mann war blind. Bestätigung fand sie, als er zu sprechen anfing. ,,Es kommt selten vor, dass Leute so zurückhaltend mit meiner Blindheit umgehen, wie du." Seine Stimme war auf zärtliche Art tief und sie überlegte kurz, wie sie am besten auf diese Aussage reagierte. Da er ihr trotz der Umstände sympathisch erschien, wollte sie ebenso freundlich zu ihm sein, wie er zu ihr, obwohl sie drauf und dran war, einfach an ihm vorbei durch die Tür zu verschwinden. Doch irgendetwas an ihm signalisierte unterschwellige Stärke und auf sein Griff um ihre Hand war gerade fest genug, dass sie ihm diese kaum hätte entziehen können. Also ignorierte sie ihren Fluchtreflex und brachte stotternd eine Entschuldigung zustande, was ihn leise auflachen ließ. ,,Wofür entschuldigst du dich? Für deine Rücksicht, die ich als angenehm und höflich empfinde?" ,,Ähm..", stammelte sie, woraufhin er abermals kicherte. ,,Ich glaube eher ich sollte mich dafür entschuldigen, dass du hier weinend und allein herumsitzen musst." Ihr Magen zog sich zusammen, diesmal jedoch nicht vor Hunger, sondern aufgrund einer erneut aufkommenden Welle von Trauer. Er schien bemerkt zu haben, wie sie kurz zu zittern begann und machte ein etwas verzweifeltes Gesicht. ,,Verzeih mir meine Worte, ich hab nicht nachgedacht." Es war süß, wie nun er sich schämte, was sie kichern ließ. Ihm war die Erleichterung anzusehen und auch er lächelte wieder. Trotz der obskuren Situation erschien er ihr wie ein freundlicher Mensch und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie ihm einen kleinen Vetrauensvorschuss gewähren sollte, was sie sonst nie bei einem Fremden würde. Sie wurde als ihren Gedanken gerissen, als er anfing sie in Richtung Tür zu ziehen und mit ihr zusammen das Zimmer verließ. Im Flur ertönte ein lauter Pfiff und sie brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass er diesen von sich gegeben hatte. Begleitet von einem ähnlichen Geräusch vernahm sie innerhalb von Sekunden ein flatterndes Geräusch und gleich darauf sauste ein gefiedertes Wesen über ihren Kopf hinweg, was sie aufquieken ließ. Sie wollte einen Schritt zurück machen, doch die Hand des Mannes hielt sie fest, sodass sie sah, wie ein stattlicher Raubvogel auf dessen linker Schulter landete. Fasziniert starrte sie das majestätisch aussehende Tier an, welches sich als ein Falke entpuppte. Das braun-grau-weiß melierte Gefieder, welches teilweise schwarzgrau gesprenkelt war, zog ihre Hand magisch an, was der Mann gemerkt haben musste, denn er führte ihre Hände zusammen an das dichte Federkleid heran. Erst schienen die ebenholzbraunen Augen des Falken skeptisch, doch als ihr Handrücken seinen Bauch berührten, nahmen sie einen zufriedenen Ausdruck an. Der Mann ließ ihre Hand los und bedeutete ihr, dass sie den Vogel streicheln durfte. Die Federn fühlten sich sowohl weich als auch kratzig an ihren Fingern an, als sie diese vom Genick abwärts bis zur Flügelspitze gleiten ließ. Begeistert wiederholte sie die Bewegung, was ihr von dem Vogel ein seltsames Gurren und von dem Mann ein Grinsen einbrachte. Wie er überhaupt so genau mitzubekommen schien, was sie machte, war ihr unklar, wo er es doch nicht sehen konnte, aber wahrscheinlich waren seine anderen Sinne und vor allem sein Gespür dafür einfach umso ausgeprägter. ,,Sein Name ist Arrow.", meinte er jungenhaft stolz und seine noch andeutungsweise jugendlichen Gesichtszüge drückten ein Gefühl aus, welches sie nicht ganz benennen konnte, doch sie traute sich nicht, etwas dazu zu sagen. Stattdessen strich sie nochmals über das tolle Gefieder und zog ihre Hand zurück, welche sogleich wieder von dem blinden Mann ergriffen wurde. Erst dachte sie, er würde weitergehen, doch er führte ihre Hand zu seinem Mund und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken, woraufhin sie ein weiteres Mal errötete. ,,Ich hab mich noch gar nicht vorgestellt, oder?", fragte er und sie nickte, bis ihr einfiel, dass er dies ja nicht sehen konnte und antwortete mit einem ,,Nein, noch nicht. Aber anscheinend hast du vor, das jetzt nachzuholen." Er grinste noch immer, als er redete. ,,Nun, ich bin Jaspal." ,,Hallo Jaspal, ich bin Miranda. Freut mich, obgleich den ungewöhnlichen Umständen, sehr, dich kennenzulernen." Er quittierte ihre Aussage mit einem noch breiteren Lächeln, was ihn ihr umso sympathischer machte. ,,Das kann ich nur zurückgeben.", sprach er und begann dann, sie mit sich zu ziehen, zu ihrem Glück aber nicht so schnell, wie Emma es vorhin getan hatte. So hatte sie diesmal Zeit, die goldsilbernen Kerzenleuchter, die samtroten, bodenlangen Vorhänge vor den großen Fenstern und die unterschiedlich großen, bunten Bilder an den hellen Wänden des Flures zu bewundern. Ebenso, wie die teils exotisch wirkenden Pflanzen, welche hier und da dekorativ den cremefarbenen Marmorboden zierten. Alles wirkte hell und freundlich und zeugte trotz der Schlichtheit von dem Reichtum dieses Lords. Wo ich schon darüber nachdenke. ,, Jaspal, als was arbeitest du hier?" Es dauerte einen Augenblick, bis er antwortete. ,,Ich bin kein Angestellter im herkömmlichen Sinne. Ich kenne den Lord, Kainan, schon seit vielen Jahren und wohne hier. Aber ich helfe oft in den Stallungen mit." Zwei Dinge schossen ihr daraufhin durch den Kopf. Erstens, dass es zu ihm passte, dass er anscheinend sehr tierlieb war und zweitens, dass sie sofort neugierig wurde, als er meinte, dass er anscheinend mit dem Lord befreundet war. ,,Woher kennst du den Lord?" Als er sich versteifte, merkte sie sofort, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte und sie spürte einen Anflug schlechten Gewissens. ,,Wenn du nicht darüber reden willst, verstehe ich das natürlich." Dankbar nickte er und sie war froh, die entspannte Stimmung nicht zerstört zu haben, denn er war bis auf Emma das einzig Positive, was sie ihrer misslichen Lage bisher abgewinnen konnte. Schweigend bogen sie nach rechts in einen anderen Gang ab, wo er plötzlich stehen blieb. ,,Miranda, magst du Pferde?" Verwundert über den abrupten Themenwechsel, sagte sie verzögert ,,Ja". ,,Na dann zeige ich dir mal die Stallungen. So wie es aussieht wirst du ja ein Weilchen hier bleiben, bis die 'Missverständnisse', von denen mir erzählt wurde, geklärt sind." Bevor sie genauer über das Gesagte nachdenken konnte, zog er sie mit sanftem Druck bereits wieder mit sich und sie konnte ihr erheitertes Lachen über seine irgendwie jungenhafte Freude, obgleich ihres inneren Durcheinanders, nicht verhindern.
Eine Sache hab ich voll verpeilt. Leute wir haben die 600 Reads und 200 Votes geknackt!!! Ich komme net drauf klar, ich bin euch so dankbar. Danke, dass ihr diese Story lest, abstimmt und kommentiert. Das freut mich echt total!!
Alles Liebe und vielen Dank, eure Jody ♡.
DU LIEST GERADE
Witches Soul *vorübergehend pausiert* #iceSplinters19 #WaveAward2019
Fantasy•vσт¡หg gεω¡หหεя dεร คłpнค-คωคяdร 2017 ¡ห dεя кคтεgσя¡ε ƒคหтครყ 'uหεหтdεcкт'♡ •2.płคтz Ъε¡м σpнεł¡ค-คωคяd 2018 ¡ห dεя кคтεgσя¡ε ƒคหтครყ♡ •3.płคтz Ъε¡м รuหรεт-คωคяd 2018 ¡ห dεя кคтεgσя¡ε ƒคหтครყ♡ Seit vier Jahren lebt die junge Miranda schon allein...