-27- "Immer noch"

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Hermine's P.o.V.
Es war seltsam, mit meinen Freunden auszugehen. Ich hasste mich dafür, so zu empfinden, aber das Gefühl saß tief in mir drin. Es fühlte sich falsch an, nicht richtig, nicht so, wie es sich sonst angefühlt hatte.
Als würde ich meine Freunde hintergehen, dennoch wollte ich im Moment tausend mal lieber bei Draco sein, als hier.

Ich saß zwischen Ginny und Luna, die mich von beiden Seiten gleichzeitig voll plapperten und dabei meine komplette Aufmerksamkeit erwarteten. Was ich ihnen schlecht beiden widmen konnte, aber dass sei mal dahin gestellt. In regelmäßigen Abständen wechselte ich einen bedeutungsvollen Blick mit Harry, der darauf immer zu Ron sah, dann wieder zu mir. Ganz so, als wolle er mir deutlich machen, ich sollte gefälligst mit ihm reden.
Und ich gab ihm ja auch Recht. Natürlich war es nicht gut, jede günstige Situation verstreichen zu lassen und auf "einen besseren Moment" zu warten. Aber jedes Mal, wenn sich mir die Möglichkeit bot, auf Ron zuzugehen, verließ mich der Mut.

Ich wusste einfach nicht, was ich von Ron erwartete. Sollte er ganz ruhig bleiben, bedacht, Reife zeigen? Aber das wäre nicht er.
Also müsste er vermutlich fuchsteufelswild werden und rumbrüllen - und davor hatte ich Angst. Ich hatte Angst vor seinen Vorwürfen, vor seiner Wut, am meisten vor dem verletzen, enttäuschten Blick, den er mir schenken würde.

Während Harry ein paar Geschichten von ihrem Weg durch die Städte und sämtlichen Reisen durch England berichtete - es war wirklich erstaunlich, wie viel die beiden in nur ein paar Monaten erlebt hatten - und andauernd vom Gelächter der Anderen unterbrochen wurde, saß Ron zwischen Seamus und Neville und gab ab und an einen Kommentar zu Harrys Erzählungen. Die Stimmung war zwar locker und entspannt, aber ich fühlte mich trotzdem wie auf einer Beerdigung. Meine Kehle war trocken und meine Nerven angespannt. Ich beobachtete meine Freunde, auch Ron, ununterbrochen. Konnte mich nicht einfach auf die Stimme meines besten Freundes konzentrieren und in eine Welt aus Bildern und Stimmen voller Eindrücke tauchen.
Ginny bemerkte das natürlich auch und warf mir immer wieder sorgenvolle Blicke zu. Es war der reinste Horror. Und ich hatte keine Ahnung, wie viele Stunden wir hier noch sitzen würden.

Als es schließlich doch zu einem Ende gekommen und mittlerweile auch stockduster geworden war, alle Bierkrüge leer auf dem Tisch standen, machten wir uns auf den Heimweg. Die Anderen lachten ausgelassen und schwankten leicht angetrunken aus dem Gasthaus, hakten sich einander ein und schoben sich zusammen über den gefrorenen Weg. Ich suchte nach Ginnys rotem Haarschopf, aber sie musste weiter vorne bei Harry sein, jedenfalls sah ich sie nicht.
Ein bisschen verloren schaute ich mich nach anderen Wegbegleitern um, wieder wünschte ich mir den blonden Slytherin her. Stattdessen trat Ron in mein Blickfeld.

Ich versteifte mich augenblicklich. Sämtliches Blut wich aus meinem Gesicht und meine Finger begannen zu kribbeln. Es half alles nichts, ich musste jetzt mit ihm reden. Sonst würde ich es wohl niemals schaffen, aber Ron ohne eine Erklärung einfach so stehen zu lassen, kam mir auch unfair vor.
Ich schluckte und holte dann tief Luft.

Der Rotschopf, der mich mittlerweile auch ins Auge gefasst hatte, stand jetzt ein paar Schritte vor mir. Sein Blick war finster, sein Gesichtsausdruck eine Mischung aus alldem, wovor ich solche Angst gehabt hatte. Er sah alles andere als erfreut aus. Oh heiliger Strohsack. Na dann, Augen zu und durch.
,,...Ron." Meine Stimme zitterte. Um ehrlich zu sein, ich hatte keine Ahnung, was ich überhaupt sagen sollte. Wollte.

,,Was?", spukte er mir entgegen und seine Stimme triefte nur vor Verachtung. Ich wollte das nicht. Mein Herz zog sich schmerzlichst zusammen und alle Luft wurde aus meinen Lungen gedrückt. Er hasste mich. Er hatte jedes Recht dazu, aber es tat weh, verdammt.
,,Ich... ich, also... ich muss mit dir ... reden.", stotterte ich. ,,Wegen heute... wegen dem, was du gesehen hast..."
Sein Blick verdunkelte sich nur weiter.

          

,,Ron, ich ... du musst das verstehen, bitte! Ron, das mit uns beiden hätte nicht gehalten, dafür bist d-... dafür sind wir zu unterschiedlich. Ich meine, überleg doch mal!
Wir haben uns einfach ... auseinander gelebt und... und.. ich, also..."
Meine Stimme bebte, mir war heiß. Ich redete mich in Rage, meine Wangen glühten jetzt. Ich wartete auf eine Reaktion, ein unverschämtes Dazwischen-Reden, aber jetzt hätte ich mich unendlich gefreut. Stattdessen starrte er mir mit unverändertem Ausdruck entgegen, nur sein Missmut schien stetig zu wachsen.

,,Ron... es tut mir leid, wenn ich dir weh getan habe.", flüsterte ich ehrlich.
,,Es tut dir leid? Es tut dir verdammt nochmal leid?", brüllte er auf einmal los und ich zuckte erschrocken zusammen.
,,Du hast dir einfach einen Neuen gefangen und nicht mal mit mir Schluss gemacht? Sag mir einfach ins Gesicht, dass du mich nicht liebst. Wahrscheinlich hast du das auch nie! Wahrscheinlich fandest du das einfach lustig!", schrie er. Rons Gesicht war rot angelaufen und eine Ader an seinem Hals pochte heftig. Er war unendlich wütend.

Seine Aussage trieb mir Tränen in die Augen. Sie schnitt sich in mein Fleisch und brannte. ,,Nein! Nein Ron, das ist nicht wahr! Ich habe dich geliebt, sehr sogar!" Kleine Tränen kullerten mir über die Wangen, aber ich beachtete sie kaum.
,,Ich dich auch, Hermine. Ich liebe dich immer noch. Auch wenn du mein Herz gebrochen hast.", sagte er, jetzt ganz leise und bedächtig, hatte den Kopf schief gelegt.

Ich wollte etwas sagen, etwas erwidern. Mich verteidigen, erneut. Aber ich konnte es nicht, weil ich weinte. Bitterlich, Tränen liefen mir über's Gesicht und das Schluchzen ließ meinen Körper erzittern. Ron sah nur auf den Boden, schob sich sachte an mir vorbei und erklomm den Hügel hinter mir, der Weg, der zurück zum Schloss führte. Die Anderen waren schon lange vor uns losgelaufen, jetzt war hier niemand weit und breit.
Er ließ mich alleine in meinem Schmerz, der mich von innen aufzufressen drohte.
Vor einem Tag noch war er in meinem Kopf vollkommen allein für das alles Schuld gewesen. Ich hatte ihn zum Sündenbock gemacht, aber nie darüber nachgedacht.
Ich hätte nie erahnt, dass mich dieses Gespräch so aus der Bahn werfen würde.

Vielleicht war ich doch schuld. An diesem ganzen Drama. Ich hätte ja mit Ron reden können, bevor alles so schlimm geworden war; ich hätte das alles jetzt vermeiden können. Dann wäre ich vielleicht immer noch verliebt - in den rothaarigen Chaoten, nicht den kühlen Malfoy-Sohn.
Vielleicht.

Ich gab ja zu, ich hatte die Zeit genossen, in der Ron nicht bei mir gewesen war. Ich hatte mir ausgemahlt, wie es sein würde, alles zu beenden - und ich war sogar erleichtert gewesen. Aber Rons Enttäuschung, seine Verletztheit, das ertrug ich nicht. Ich kannte den Weasley jetzt fast acht Jahre. Ich hatte so viel mit ihm erlebt, so viel Zeit mit ihm verbracht. Er war einer meiner besten Freunde, und irgendwann, ab einem unbekannten Zeitpunkt auch mehr gewesen. Und nie, niemals hatte ich Ron so zerstört mitbekommen. Niemals war ich Grund für seine Enttäuschung gewesen - umso mehr schmerzte es jetzt.

Ich kniff die Augen zusammen und wischte mir die Tränen vom Gesicht. Das schwache Licht des Gasthauses schimmerte durch die Fenster und ließ grausige Schatten auf dem frischen Schnee tanzen.
Ich wollte jetzt nicht nach Hause. Ich wollte niemanden sehen, mit niemandem sprechen. Mein Inneres war kaputt und ich wollte schlicht nicht, dass sich irgendjemand darum kümmerte. Wenn ich eben so dumm war, mich in eine solch bescheuerte Situation zu bringen, musste ich das auch selbst wieder hinbiegen, egal, wie sehr es weh tat.
Stumm weinend drehte ich mich in die entgegengesetzte Richtung und begann zu laufen. Gleichmäßig, mit großen und schnellen Schritten. Der eisige Wind schnitt mir ins Gesicht, aber ich achtete kaum darauf.
Die Tränen brannten auf meiner Haut, ich scherte mich nicht darum. Mein Herz raubte mir die Kraft, irgendetwas zu denken, deswegen merkte ich es auch kaum, als die Umgebung immer düsterer wurde. Als langsam alle Lichter erloschen. Als ich im Schneegestöber den Wald betrat. Den falschen Wald. Den verbotenen.
Ich sah auch nicht, dass ich nach weniger als 10 Metern vom unerkenntlichen Weg abwich und mich einfach so durch die Dunkelheit kämpfte. Nicht einmal der Gedanke, dass mich hier niemals jemand finden würde, drang wirklich zu mir hindurch.
Ich lief einfach immer weiter, wischte mir die seichten Tränen aus meinem verfrorenen Gesicht und schniefte in regelmäßigen Abständen.

Ron war doch nur ein Idiot. Ein albernes Kind, eifersüchtig und unreif. Ja, das war es. Er wollte es nicht wahrhaben, dass er Mist gebaut hatte - was eigentlich nicht stimmte. Ron hatte doch gar nichts getan. Ich war es gewesen, die sich verändert und erkannt hatte, wie falsch diese Beziehung gewesen war. Aber ohne eine Veränderung wären wir niemals glücklich geworden, das wusste ich einfach. Und jetzt war es halt so. Gesagt, geschehen, nicht mehr rückgängig.

Mit zitterndem Atem kam ich zum Stehen. Mein Kopf dröhnte und meine Kehle war ausgetrocknet und geschwollen. Mein Kopf war leer, ausgeweint. Es kamen keine Tränen mehr.
Seufzend stellte ich fest, wie sehr meine Füße schmerzten. Ich hasste es, auf unebenem Untergrund zu hetzen. Es war mittlerweile stockfinster, ich sah nicht einmal mehr die Hand vor Augen. Es musste auch verdammt spät sein. Wie ich den Weg zwischen den ganzen Bäumen gefunden hatte, erschien mir als ein Wunder. Immerhin drang der Schnee nicht durch die dichten Baumkronen.
Mit einer fließenden Bewegung zückte ich meinen Zauberstab und murmelte "Lumos".
Das kleine Lichtchen an der Spitze meines Zauberstabes glühte auf und warf einen schmalen Schein in die Ferne. Ich folgte dem Licht mit angestrengten Augen.

Auf einmal fuhr mir eine Gänsehaut über die Arme. Meine Finger, die sowieso schon steif und kalt waren, froren an meinem Zauberstab fest. Das Holz fühlte sich tot an, vibrierte nicht mehr, wie es sonst tat und womit es mir seine Anwesenheit versicherte. Ich spürte feines, aber schnell aufwallendes Kribbeln in meinen Beinen, meinen Armen, meinem Bauch.
Angst. Es war nackte Angst, die mich in diesem Moment ergriff, ich kannte das Gefühl zu gut.
Ich wusste nicht, wovor oder warum, aber in diesem Moment beherrschte sie mich. In einer Sekunde der Unachtsamkeit erlosch das feine Licht und ich kreischte erschrocken auf.

Das Echo meines heiseren Schreies hallte durch den verlassenen Wald, prallte an Bäumen und Felsen ab. Wurde wieder zu mir zurück getragen und erreichte mit einem Mal wieder mein Ohr. Mein eigenes Geräusch ließ mich zusammenzucken. Was auch immer das für grauenvolle Wesen waren, die Stimmen trugen - ich erschauderte. ,,Sie tun mir nichts. Das sind doch nur meine eigenen Stimmen. Alles ist g-", flüsterte ich mir beruhigend zu, stoppte aber abrupt, sobald mich mein eigenes Echo wieder erreichte. Es war ein widerliches Gefühl.

Die Gedanken, die mich vorhin noch vollständig eingenommen hatten, waren wie ausgelöscht. Ich drehte mich langsam um, ließ den Kerzenschein wieder aufflammen und besah mich der Umgebung. Alles sah gleich aus, haargenau gleich, ausgestorben. Tot.
Ich begann zu zittern. Ich war am falschen Ort, ganz falsch. Und ich musste hier wegkommen, das war sicher. Sonst würde ich hier verzweifeln.

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Cliffhanger Leute, wuhuuu :)
Naja, wir müssen ja mal ein bisschen Spannung reinkriegen, wenn sie gerade alles so rosig entwickelt... Ich will euch nicht so lange hängen lassen; ich bemüh' mich, aber ihr wisst ja, wie ich und Zeitmanagement klarkommen ^^
Freut mich übrigens mega, dass die Geschichte schon 16Tsd mal gelesen wurde, für mich ist das unglaublich cool :D
~JessySophia

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