Der kleine Apfeldieb
Schweiß rannte Alecs Rücken herunter und durchnässte seine schwarze Ausrüstung, die sich als äußerst unpraktisch unter der heißen Mittagssonne erwies. Er war es definitiv nicht gewohnt bei solchen hohen Temperaturen auf der Jagd zu sein. Obwohl es in dem Leben des jungen Shadowhunters nur wenige Dinge gab, die ihn glücklicher machten als Dämonenjagen, wünschte er sich in diesem Moment nichts sehnlicher als eine Pause machen zu können, um ein Schluck Wasser zu trinken. In seinem Rucksack hörte er förmlich den letzten Inhalt seiner Falsche plätschern, viel war jedoch vermutlich nicht mehr übrig.
Nach Sebastians Attentate auf sämtliche Institute waren nur noch wenige Shadowhunter bereit auf Dämonenjagd zu gehen; vielen hatte es das Leben gekostet, die meisten waren immer noch schwer verletzt, sodass andere Institute aus aller Welt herhalten mussten. So wurden auch Alec und sein Parabatai Jace aus New York nach Buenos Aires geschickt um auszuhelfen. Jace war im Moment nirgendwo zu sehen, ein paar Straßen zuvor hatten sich ihre Wege getrennt. Ein paar Meter war er noch zusammen mit David gelaufen, einem viel zu jungen einheimischen Shadowhunter, der wahrscheinlich noch nicht einmal mit auf die Jagd durfte. Er sollte Alec den Weg zeigen, ihm dabei helfen sich nicht zu verlaufen, aber mit Erschrecken musste er verstellen, dass er ihn verloren hatte.
Jede Gasse in Buenos Aires sah gleich aus und obwohl die Passanten auf den Straßen nicht in der Lage waren ihn zu sehen, änderte es nichts daran, dass er selbst nichts sehen konnte. Menschenmengen war er aus New York mehr als gewohnt, jedoch drängten sich auf dem Marktplatz so viele Menschen, dass er noch nicht mal einen Dämon hätte erkennen können.
Alec war selten außer Atmen, doch fühlte er sich nach dem Stehenbleiben, als ob er gerade zwanzig Stunden am Stück gelaufen war. Das Herz schlug ihm wie wild gegen die Brust und er konnte seinen Puls unangenehm und viel zu schnell an seinem Hals spüren. Zu Hause in Brooklyn waren es unter Null Grad gewesen, als er in das Portal gestiegen war, was ihn in binnen von wenigen Sekunden nach Argentinien befördert hatte. Es hatte sich angefühlt, als würde man schnurstracks gegen eine Wand laufen, so plötzlich hatte einen die Hitze umfasst. Mit schwitzenden Händen hielt er den Griff seines Bogens fest umklammert und kniff die Augen zusammen, als er sich orientierungslos in alle Richtungen umsah, um Ausschau nach David zu halten, den er wahrscheinlich jedoch nie erkannt hätte.
An jedem anderen Tag hätte Alec wahrscheinlich alles dafür gegeben den Dämon oder zumindest David oder Jace zu finden, doch in diesem Moment konnte er die nötige Kraft nicht aufbringen. Vielleicht lag es an der Hitze oder daran, dass er schon seit längerem nichts gegessen hatte. Plötzliche Müdigkeit überkam ihn und er beschloss sich auf eine niedrige Mauer am Rande des Platzes zu setzten. Der Grund dafür konnte natürlich auch einfach und allein sein kleiner dreijähriger Sohn Max sein, der ihn und seinen Verlobten Magnus selbst in der Nacht ganz schön auf Trab hielt. Obwohl Magnus derjenige gewesen war, der letzte Nacht jedes einzelne Mal aufgestanden war, schob Alec seine Müdigkeit auf den kleinen Warlock, den er schon jetzt schrecklich vermisste. Heute morgen hatte er ihm nur einen schnellen Abschiedskuss gegeben, als er noch geschlafen hatte. Alec hasste es von seinen Liebsten getrennt zu sein und das auch noch einen Tag vor Heiligabend. Er hatte Max und auch Magnus versprochen pünktlich an Weihnachten wieder zurück zu sein, dazu musste er jedoch erst einmal wieder den Weg zurück ins Institut finden.
Seufzend legte er seinen Bogen neben sich und hob seinen Rucksack von seinem Rücken. Erfreulicher Weise fand er sogar noch einen Apfel in einer kleinen Plastiktüte, die er genau wie den Bogen neben sich auf die Mauer legte, um nach der Flasche Wasser zu suchen. Gerade als er nach ihr gegriffen hatte, bemerkte er etwas in seinem Augenwinkel, das ihn aufschrecken ließ. Direkt neben ihm auf der Mauer kniete ein kleiner Junge, vielleicht ein paar Jahre älter als sein eigener Sohn, und griff nach seinem eingepackten Apfel. Aufgrund von Alecs ruckartiger Bewegung, schreckte auch er auf und schaute dem Shadowhunter direkt in die Augen. Angsterfüllte braune Augen musterten ihn, bevor er plötzlich aufsprang und sich mitsamt dem Apfel aus dem Staub machte.
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Chroniken des Rafael Lightwood-Bane
FanfictionGeschichten eines kleinen argentinischen Jungen, der nicht nur Alecs Apfel stahl, sondern auch sein Herz.