Blutroter Traum Teil 1

10 1 3
                                    


Da war er wieder, dieser ungeheure Schatten im Unterholz. Jedes Mal wenn ich einen Schritt nahm, tat er zwei. Rannte ich los, so begann er zu sprinten und sich an meine Fersen zu heften. Jede Nacht der selbe Wald, die gleiche dunkle Lichtung und hinter mir nur dieses fürchterliche Schmatzen und Angstschreie, die so langsam ausklangen, dass sie sich in meinen Kopf fraßen. Und war ich so dumm mich umzusehen, verlor ich ihn aus den Augen. Doch wandte ich meinen Blick wieder dem Weg zu, so stand er vor mir. Groß wie ein Baum, mit dürren knochigen Klauen, seinem leeren Blick mit den glasig weißen Augen und zuletzt seinen Schlund mit den funkelnden Fangzähnen, aus dem eine Zunge hervorschoss, die sich genüsslich über die Lippen leckte.

Blitzschnell hatte es meinen Kopf gepackt und riss ihn erbarmungslos von meinen Schultern. Ich wollte vor Schmerzen aufschreien, brachte aber kein einziges Wort heraus. Stattdessen ergoss sich ein rubinroter Schwall aus Blut über die Kutte des fremden Schattens, welches ihn zu einem höhnischen Gelächter antrieb. Er warf meinen Kopf noch einige Male in die Luft und fing ihn wieder, was ich als immer dumpferen Aufschlag wahrnahm, bis ich schließlich verschied. Als das Wesen bemerkte das sein Opfer nicht mehr auf dieser Welt weilte, schleuderte er die kürbisgroße Fleischmasse, die er erbeutet hatte, in das nächste Gebüsch.

Erschrocken richtete ich mich auf, als eine Ladung kalter Essenz mein Gesicht berührte.

Mohad, mein grimmig dreinblickender Zugführer, stand mit einem alten Eiseneimer im Feld Zelt aus dem immer noch einige Wasserreste tropften. Teilweise fassungslos und mit einem anderen Teil Wut betrachtete er mich und hielt sich den Kopf.

„Antreten war bereits vor zwanzig Minuten und ich finde dich faulen Haufen immer noch saumselig schnarchend im Bett vor, kein guter Start in die Woche, was? Wenn ich dich noch einmal beim Pennen erwische, sage ich es dem Kommandanten. Und ich muss dir ja nicht erzählen, was der alte Mann von Pflichtversäumnis hält ... Und jetzt mach dich frisch, du stinkst nach einem Haufen Kuhscheiße!"

Sogleich verließ er wieder das Zelt und ließ mich mit einem erniedrigenden Kommentar zurück, der so laut gewesen war, dass es wahrscheinlich das ganze Lager gehört hatte.

Nur aus einer Neigung heraus schnupperte ich, in meinem Stolz verletzt, an meiner Achselhöhle.

Eine schlechte Idee. Der Geruch war so intensiv, dass sich meine Fußnägel einrollen wollten. Na gut, ich roch etwas, aber das mit dem Kuhdung war nun wirklich etwas weit hergeholt.

Ich schulterte das Schwerthalfter mit der einfachen Klinge aus weichem Stahl und stolperte aus dem Quartier in die kalte Morgenluft heraus.

Kaum eine Menschenseele war zu sehen, doch das kümmerte mich nicht weiter, stattdessen schlurfte ich die in Stein gehauenen Treppen zum Fluss hinunter. Tiefer in den Gewässern badeten und strampelten gerade fröhlich ein paar der anderen Wolkenrebellen.

Ich kniete mich am Ufer nieder und tauchte mein Haupt in das kühle Nass. Das Wasser war so kalt, dass es schmerzte, aber ich liebte die kalte Erfrischung die sie mir lieferte. Unter Wasser war die Welt so ruhig und gedämpft, wie ich sie mir wünschen würde. Keine Gewalt, kein Todeskampf gegen die blutrünstigen Oberherren, einfach nur Ruhe und dahin treiben.

Ich so einen kräftigen Schluck des Flusswassers ein. Der Geschmack der Bergquelle war so einzigartig frisch und die sanfte Salz Note beflügelte meine Lippen ... Moment, Salz?

Ich riss meinen Kopf aus dem Fluss und starrte zitternd auf meine Hände.

Sie waren rot.

Blutrot.

Meine Kameraden trieben leblos und mit aufgerissenen Augen auf dem, nun mit Menschenblut getränkten, Fluss herum.

Am anderen Ufer war wieder dieser Schatten und mit aufgerissenem Schlund sprang er elfengleich über das Wasser auf mich zu.

„NEIN" brüllte ich verzweifelt und setzte mich blitzschnell auf.

Etwas hartes traf mich im Gesicht und ich wuchtete auf das Strohbett zurück.

„Halt dein Maul, du Idiot!" fluchte Mohad, der mich mit einem Stiefel beworfen hatte.

Die restlichen Rebellen lachten unverschämt, bevor sie sich wieder zur Ruhe legten.

Warum quälte mich Nacht für Nacht dieser grässliche Traum oder war es überhaupt ein Traum?

Eine Frage, die ich eiligst zu klären hatte, wenn ich mir wieder eine geruhsame Nacht erhoffen wollte.


You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Jan 24, 2018 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

FangzähnchenWhere stories live. Discover now