Eins▪Jungkook

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Es war dunkel. So dunkel, dass man nicht einmal die Hände vor Augen sah. Doch das störte mich nicht. Für das, was ich tat, brauchte ich kein Licht. Schon lange nicht mehr. Hierfür brauchte ich nur meine Hände und die Stimmen in meinem Kopf, die mich leise flüsternd auf den Abgrund zutrieben.

Die Kälte der Fliesen drang durch meinen dünnen Pullover auf meine Haut und in meine Knochen, vermischte sich mit der Kälte meiner Gedanken und griff nach meinem Herzen, das scheinbar aufgehört hatte zu schlagen.

Scheinbar.

Wie oft ich mir schon gewünscht hatte, es hätte tatsächlich damit aufgehört, sinnlos Tag für Tag Blut durch meine Arterien zu jagen und mich damit am Leben zu erhalten.

Doch welches Leben? Was hieß Leben? Wie fühlte sich das an?

Ich wusste nur, wie sich Taubheit anfühlte, durchbrochen von Schmerzen, um dann wieder in einem trüben Sumpf zu versinken.

Meine Hände zitterten, die Finger, die die kleine Klinge umklammert hielten, waren ohne jedes Gefühl und meine Atemzüge klangen unnatürlich laut durch den dunklen gefliesten Raum.

Unwichtig.

Überflüssig.

Schuld.

Lügner.

Versager.

Egoist.

Jedes dieser Worte ein weiterer Schnitt, später eine weitere Narbe und eine tiefere Erinnerung an all meine Fehler. Wer war ich schon, niemand. Niemand wichtiges, jemand, der alle um sich herum immer wieder mit dem was er tat, enttäuschte.

Ich lächelte, vor den anderen ging es mir gut, auch wenn sie fragten 'ging es mir gut'. Dabei war das die größte Lüge von allen, warum sahen sie es nicht? Lügner! Kennen deine Freunde dich überhaupt? Oder nur das, was du vorgibst zu sein?

Doch warum sollten sie es auch sehen, ihre Leben waren gut, sie waren lebenswert und das sollte ich mit meinen kleinen Wehwehchen nicht zerstören, auch wenn ich mir die Aufmerksamkeit von ihnen manchmal wünschte. Ich wünschte mir, dass sie es sahen, das Blut, die Wunden, dass sie nachfragten und sich Sorgen machten. Egoist! Woher sollen sie es wissen, wenn du sie belügst! Es ist alles deine schuld! Würdest du nicht lügen, wäre alles besser!

Die Klinge tanzte über meine Haut, hinterließ warme, brennende Streifen, die sich später wieder zu einem Muster zusammensetzten würden.

Zitternd ließ ich von meinem Arm ab, nun vermischte sich Schluchzen mit meinen keuchenden Atemzügen.

Hör auf zu heulen! Es ist doch deine schuld! Würdest du nicht lügen, würdest du hier nicht sitzen! Also hör auf und leb damit. Oder auch nicht.

„Seid endlich still", schluchzte ich und presste meine Hand auf den brennenden Unterarm.

Du weißt, was du dafür tun musst.

Am ganzen Körper zitternd, drückte ich mich vom Boden hoch und taumelte in Richtung der Tür, neben der sich der Lichtschalter befand.

Nachdem ich ihn betätigt hatte, flammte an der Decke eine Lampe auf und tauchte das Badezimmer in ein weiches gelbes Licht, das für meine Augen nach der langen Dunkelheit jedoch eine Qual war. Schnell kniff ich meine Augen zusammen und wartete ein paar Sekunden, ehe ich sie wieder öffnete.

Langsam ging ich auf das Waschbecken zu und mied es dabei mich im Spiegel anzusehen. Wenn ich es getan hätte, wären die Stimmen sofort zurückgekehrt und hätten mich noch weiter auf den Abgrund zugetrieben.

pain | vkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt