Ich wache durch meinen Wecker auf und schalte ihn gähnend aus. Als ich mich aufrichte, strecke ich mich kräftig und reibe mir dann die Augen. Jetzt haben wir tatsächlich schon das erste Ausbildungsjahr hinter uns und sind offiziell im zweiten Jahr. Ein neues erstes gibt es diesmal leider nicht. Aber Herr Feix ist darüber nicht sonderlich traurig. So kann er sich in aller Ruhe um uns kümmern und uns für die Zwischenprüfung vorbereiten, hat er gesagt. Inzwischen verstehe ich mich auch mit Pascal etwas besser. Nicht unbedingt viel, aber er macht kaum noch mit wenn Dominik mich fertig machen will. Er gibt zwar noch ein paar sarkastische Bemerkungen von sich, lässt aber sonst alles sein. Ist er etwa... erwachsen geworden? Bei dem Gedanken muss ich kichern.
Heute werde ich mich alleine durch den Tag schlagen müssen. Rene und Aaron haben beide Termine, die sie nicht verschieben können. Ich verabschiede mich wieder am Eingang von Franz und will gerade los, als ich sehe dass auch Klaus heute ohne seine Begleitung zur Arbeit kommt. Ich warte noch kurz auf ihn und Grüße ihn dann. "Guten Morgen, Klaus." "Guten Morgen, Stephan. Wo sind denn Rene und Aaron? In der S-Bahn habe ich sie heute gar nicht gesehen." Sagt er lächelnd. "Stimmt. Die beiden haben heute wichtige Termine. Aber du hast deinen Bodyguard heute auch nicht dabei, wie es aussieht." Grinse ich neckend. Klaus bleibt kurz stehen und schaut verdutzt. Dann kichert er aber leicht. "Bodyguard? Das ist er nun wirklich nicht." "Wenn es darum geht, zu versuchen, mich von dir fern zu halten, macht er das aber schon ziemlich oft." Sage ich immer noch lächelnd. "Ja... Er mag dich nicht besonders." Entgegnet er etwas bedrückt. "Das habe ich schon gemerkt. Ist das nur bei mir so, oder allgemein?" "Allgemein. Er mag niemanden, der versucht mir näher zu kommen. Er klammert extrem viel." Erzählt Klaus weiter, während wir zusammen zu unserem Gebäude laufen. "Lässt er wirklich niemand an dich ran? Wieso? Hat er Angst, dass irgendjemand ihm seinen besten Freund wegnimmt?" Frage ich neugierig. Diese Fragen brennen mir schon lange auf der Zunge. Bisher gab es ja noch keine Gelegenheit, in Ruhe mit Klaus zu sprechen. Vielleicht ist es jetzt auch nicht richtig, so hinter dem Rücken von Rene... Aber ich muss es einfach wissen! Was wollte Klaus mir damals sagen, bevor Sebastian uns unterbrochen hat? Hat es vielleicht etwas mit Renes Albtraum zu tun, in dem Klaus und Sebastian vorkommen? Oder mit etwas aus Renes Vergangenheit, an dass er sich selbst nicht mehr erinnern kann bzw will? "Stephan, pass-" ruft Klaus plötzlich und ich laufe direkt gegen die Tür. "Autsch..." gebe ich trocken von mir und reibe mir die Stirn. Da höre ich hinter mir ein leises Kichern. Als ich mich umdrehe, hält Klaus sich die Hand vor den Mund und versucht sich ein lachen zu verkneifen. Klappen tut es aber nicht wirklich. "Entschuldige. Ich weiß, dass es gemein ist, jemanden auszulachen, der sich gerade gestoßen hat. Aber deine Reaktion... es geht nicht..." ringt er sich noch zu einer Entschuldigung, bevor er dann doch lacht. Ich muss grinsen. Klaus lachen klingt richtig herzhaft und ehrlich. So habe ich ihn bei Sebastian noch nie lachen sehen. "Das solltest du öfter machen." Sage ich und Klaus schaut mich fragend an. "Es klingt schön, wenn du lachst." Lächle ich und Klaus wird rot. "A-ach... hör bloß auf. So toll ist das nun auch wieder nicht..." gibt er kleinlaut von sich und dreht den Kopf verlegen zur Seite. Das lässt nun mich kichern. Dann schaue ich zur Tür. Eigentlich ist die Eingangstür eine sich durch Elektrizität selbst öffnende Tür. Aber anscheinend funktioniert der Bewegungsmelder der Tür nicht. "Die Tür scheint wohl kaputt zu sein..." bemerkt auch Klaus, der sich neben mich stellt. "Der Kandidat erhält 100 Punkte. Aber die Rettung naht bereits." Ertönt eine Stimme hinter uns und wir drehen uns um. "Oh, guten Morgen Franz." Begrüßt Klaus meinen Schatz. "Guten Morgen, Klaus. Wo hast du denn deinen Bodyguard gelassen?" Fragt auch Franz und ich muss schmunzeln. "Er ist nicht mein Bodyguard... nur ein Freund, der ein bisschen zu viel klammert... und er ist krank, um deine Frage zu beantworten. Hat er mir jedenfalls heute morgen geschrieben." Meint Klaus schmollend. Auch Franz kichert nun. "Dann macht mal Platz für mich, damit ich die Tür reparieren kann." Wir gehen zur Seite und Franz beginnt mit der Arbeit. "Wie lange ist die Tür denn schon defekt? Weist du das?" "Seid gestern Abend wohl schon. Aber da ich ja schon weg war, blieb es halt bis jetzt unberührt." Antwortet Franz etwas genervt. "Tja, Schatz. So ist das halt, wenn du alleine für unser Gebäude zuständig bist. Dann kann es doch niemand anderes machen." Witzle ich, was Franz lediglich noch mehr mit den Zähnen knirschen lässt. "Gibt es wirklich sonst keinen Elektriker, der sich um unser Gebäude kümmert?" Fragt Klaus. "Nein. Franz ist für unser Gebäude alleine zuständig. Je nachdem, wie groß das Gebäude ist, ist entweder einer oder zwei Elektriker dafür zuständig. Manchmal, so wie bei Franz, hat einer auch mehrere Gebäude unter seiner Obhut. Das ist dann aber nur der Fall, wenn es sich um kleinere Gebäude handelt. Das Hauptgebäude zum Beispiel hat sogar drei Elektriker. Und die Einrichtungen außerhalb haben auch nochmal seperate Elektriker. Die sind dann aber auch nur für ihr Gebäude zuständig." Erkläre ich ihm den Sachverhalt. "Ach so. Deshalb kommt also immer nur Franz, wenn wir Probleme mit der Elektrik haben. Ich habe noch nie jemand anderes gesehen..." grübelt er dann. "So. Fertig." Ruft Franz begeistert und sofort schwingt die Tür auf. "Hurra. Unser Held." Singe ich dann und hebe etwas die Arme hoch. "Ja, hurra." Macht Klaus mit. Franz kichert und klettert von der Leiter wieder runter. "Irgendwie ein seltsamer Anblick, euch beide zusammen zu sehen. Ihr habt sonst nicht wirklich viel mit einander zu tun." "Ja, dass stimmt. Sebastian lässt mich sonst nicht in die Nähe von Klaus und durch Rene lasse ich es auch meistens dabei. Da kommt uns diese Gelegenheit heute wohl zu gute. Außerdem ist Klaus doch eine angenehmere Begleitung als gewisse andere Personen." Lächle ich Franz und Klaus abwechselnd an. "Damit sind wohl wir gemeint?" Fragt plötzlich Pascal hinter mir. In seiner Begleitung wieder Dominik. "Wenn du dich angesprochen fühlst, vielleicht." Lächle ich weiter. Pascal schnalzt lediglich mit der Zunge, während man Dominik ansieht, dass er am liebsten was sagen will. "Warum steht ihr eigentlich hier rum? Ist das jetzt der neue Pausentreff, oder Was?" Fragt Pascal sarkastisch. "Die Tür war defekt, deshalb mussten wir kurz warten bis Franz es wieder repariert hat." Erklärt Klaus kurz. "Seit wann hängst du eigentlich mit dem da rum, Klaus?" Fragt nun Dominik ungehalten und zeigt dabei auf mich. "Seit heute morgen, Dominik. Wir haben uns am Eingang getroffen und sind zusammen bis hier hin gelaufen." Antwortet Klaus unbeeindruckt. "Pha. Nicht, dass du jetzt auch noch einen auf gute Kumpels mit unserer Schwuchtel hier machst." "Danke, dass du dir Gedanken machst, Dominik, aber ich kann immer noch selbst entscheiden, mit wem ich rumhänge..." gibt Klaus ihm weiter unbeeindruckt konter. "Ob Sebastian das auch so sieht?" "Dominik, komm. Ich habe keine Lust auf diese Spielchen im Moment. Wenn wir hier noch weiter rumstehen wird das tatsächlich noch der neue Pausentreff werden." Mischt sich nun Pascal ein und geht an uns vorbei. Dominik folgt ihm zwar, kann aber sein Gemecker nicht sein lassen. "Man, du bist in letzter Zeit echt langweilig geworden, Pascal. Hast deine Tage, oder Was?" "Ich finde es zur Zeit einfach nur langweilig, mit Stephan und seinem Anhängsel zu streiten. Er gibt ja kaum noch richtig konter oder lässt uninteressante Sprüche ab. Da macht es keinen Spaß." "Hm... Ja, schon irgendwie..." hört man ihr Gespräch noch eine Weile, bis dann die Tür zu geht. "Die beiden scheinen sich nicht mehr ganz so gut zu verstehen, wie am Anfang. Oder kommt mir das nur so vor?" Fragt Klaus dann nach einer Weile. "Stimmt. Pascal ist in letzter Zeit tatsächlich nicht mehr so streitlustig wie sonst. Ob das immer noch mit diesem Vorfall zu tun Hat?" Richtet Franz das Wort an mich. "Kann gut möglich sein. Er scheint aber Dominik gegenüber nichts erwähnt zu haben..." überlege ich laut. "Welcher Vorfall denn?" Wird Klaus neugierig. Franz und ich schauen uns kurz an. "Ist nicht so wichtig. Komm, lass uns auch rein gehen, Klaus. Bis später dann, Franz." "Ja, bis später." Sagt Franz lächelnd und gibt mir noch einen Kuss. Klaus und ich gehen dann in unseren Ausbildungsbereich und ziehen unsere Arbeitskleidung an. "Ähm... du, Stephan?" Beginnt Klaus etwas schüchtern. "Ja, was gibt's?" "Könnte ich vielleicht... heute neben dir sitzen beim Arbeiten?" Fragt er und schaut verlegen zur Seite. "Na klar. Heute ist der Platz sowieso leer." Lächle ich und wir gehen zusammen in den Arbeitsraum. Wir legen unsere Handys wie immer bei Herr Feix auf den Schreibtisch und setzen uns auf unsere Plätze. Nach einer Weile kommt Herr Feix aus seinem Büro. "Guten Morgen nochmal an euch alle. Ich freue mich, euch nun im zweiten Ausbildungsjahr begrüßen zu können. Wie ihr ja schon wisst, wird es in diesem Jahr eine Zwischenprüfung geben, auf die ihr euch vorbereiten müsst. Die Anforderungen sind wie jedes mal sehr hoch und werden nur einen kleinen Teil des Stresses wiedergeben der euch bei der Abschlussprüfung erwartet. Ich erwarte natürlich von euch, dass ihr auch die Zwischenprüfung mit einer guten Note hinter euch bringt. Soviel erstmal dazu. Des weiteren stehen in diesem Jahr auch eure ersten Praktika an. Ihr könnt euch die Betriebe selbst aussuchen und dort festigen, was ihr bisher gelernt habt. Auch werdet ihr dann natürlich schon mal gut auf den Arbeitsstress vorbereitet. Gibt es bis hierher fragen?" Fragt er in die Runde aber alles schweigt. "Gut. Dann zum nächsten Punkt. In diesem Jahr erwarten euch schwierigerere Aufgaben als im letzten Jahr. Das heißt, die Aufgaben werden komplexer sein, ihr müsst mehr detailliert arbeiten und die Zeit wird sich etwas verkürzen. Für nicht innerhalb der Zeit geschaffte Aufgaben, würde euch draußen entweder der Kunde auf's Dach steigen, euch weniger bezahlen als vereinbart oder aber ihr bekommt Ärger mit eurem Vorgesetzten. Um dies zu vermeiden, trainieren wir in diesem Jahr auch wirklich, dass alle von euch in ihrem Zeitraum bleiben. Ferner lege ich jetzt auch mehr Wert auf eure Eigeninitiative. Das zusammen suchen eurer Materialien werde ich nun gänzlich euch selbst überlassen. Ich habe euch ja schon gezeigt, wo alles liegt und ab jetzt werde ich euch nichts mehr raus legen. Aber passt dann bitte auf, dass nicht gedrängelt wird. Auch werdet ihr ab jetzt öfter in Gruppen arbeiten. Mal zweier und mal vierer Gruppen wird variieren. Je nachdem, wie ich gerade Lust habe. Vielleicht werde ich euch die zusammen Stellung der Gruppen selbst überlassen, vielleicht werde ich sie aussuchen. Das weiß ich noch nicht genau. Das wär es dann erstmal im großen und ganzen. Fragen?" Wieder schweigen. "Gut. Dann macht euch mal ganz entspannt an die Arbeit. Diese Woche könnt ihr noch ein eigenes einfaches Projekt in Angriff nehmen. Es geht dann erst mal normal los. Aber ab nächster Woche wird knallhart durch gezogen." Grinst Herr Feix und geht erstmal in sein Büro zurück. Alles atmet einmal erleichtert auf. Das waren eine Menge Informationen für den ersten Arbeitstag. Ich lehne mich auf meine Arbeitsfläche und denke kurz nach. Was mache ich diese Woche für ein Projekt? Neben mir höre ich es seufzen. "Sag mal, Stephan... wie kommst du eigentlich immer auf deine tollen Ideen für die Projekte? Mir will manchmal gar nichts einfallen..." seufzt Klaus. "Hm... keine Ahnung. Ich denke mir einfach was aus und dann lege ich los. Ich mach mir erst später einen Plan..." gestehe ich und Klaus seufzt erneut. "Ganz schön cool... Ich komme nicht so schnell auf irgendwelche Ideen." Ich schaue Klaus von der Seite an. So nah kann ich ihm sonst nicht sein. Er hat ein schönes Profil und man erkennt seine langen dunklen Wimpern. Sein Pony hängt ihm teilweise ins Gesicht und er hat sich auch ein paar Strähnen hinter das Ohr geklemmt. Als er die Augen wieder öffnet schaut er ebenfalls zu mir und in meine Augen. Ich hatte eigentlich gedacht, dass er dunkle schwarze Augen hat, aber jetzt erkenne ich, dass sie eher dunkelbraun sind. Nach einer Weile lächle ich verlegen. "Sorry wenn ich dich anstarre... Ich habe gerade über deine Augen nach gedacht. Sie sind echt schön." Jetzt wird Klaus wieder rot. "Lass das bloß nicht, Sebastian hören. Er würde dich sonst einen Kopf kürzer machen. Aber danke..." "Wieso machst du nicht einfach irgendwas für ihn? Er würde sich bestimmt freuen, wenn du ihm was selbst gemachtes schenken würdest." Fällt mir gerade so ein. "Lieber nicht." Winkt Klaus sofort ab. "Dann würde er sich noch mehr an mich klammern. Außerdem versteht er es sicher falsch. Und das würde alles nur noch komplizierter machen." Ich nicke stumm. Ob ich fragen sollte, was genau kompliziert ist? "Aber naja... Ich stöbere einfach wieder in einem Magazin rum und hole mir so irgendwie eine Inspiration. Vielleicht mache ich irgendwas für meine Schwestern..." überlegt er dann laut. "Ach stimmt. Du hattest ja Geschwister. Wie sind deine Schwestern denn so?" Frage ich nach. "Sie sind total süß. Wenn sie schlafen. Wenn sie wach sind sind sie richtige kleine Zicken. Sie stänkern, wenn sie was nicht bekommen fangen sie an zu schreien, sie Boxen sich mit den Jungs wenn die nicht spuren, und ich sag dir... wehe... wehe du fängst an mit ihnen diskutieren zu wollen. Die Diskussion hast du schon verloren, bevor sie angefangen hat. Aber wenn irgendeiner ihre Freunde schief an guckt, dann geht's erst so richtig los. Die machen denjenigen so rund, dass glaubst du gar nicht. Und mit älteren Typen legen sie sich auch an, wenn es sein muss. Da kennen sie nichts." Grinst er über beide Ohren und strahlt vor Begeisterung und stolz. Ich muss kichern. "Du hast sie sehr gerne, nicht wahr?" "Na klar. Sind schließlich meine kleinen Schwestern. Auch wenn sie manchmal nerven oder unausstehlich sind, liebe ich sie trotzdem. Und im großen und ganzen sind sie eigentlich ganz lieb." Lächelt Klaus jetzt breit.
Es ist Mittagspause und Klaus und ich sitzen wieder zusammen. Er hat sich auch nach meinen Geschwistern erkundigt und ich habe ihm gesagt, dass ich der jüngste von drei Kindern bin. Meine ältere Schwester, Peggy, ist verheiratet und hat einen Sohn. Sie lebt mit ihrer Familie in Rüdersdorf. Meine zweite Schwester, Melanie, ist zu ihrem Freund nach Berlin gezogen. Sie haben eine Tochter zusammen. Auch wenn es mich traurig macht, dass ich sie alle so lange nicht mehr gesehen habe, erinnere ich mich natürlich sehr gerne an sie zurück. Mittlerweile habe ich auch eine wirklich bessere Meinung von Klaus. Die anfänglichen Schwierigkeiten mit Rene sind schon fast vergessen, aber interessieren tut es mich natürlich trotzdem. "Du, Klaus? Sag mal, hast du eigentlich was gegen Rene?" Klaus hält kurz in der Bewegung inne und schaut etwas perplex zu mir. "Eigentlich nicht... Ich... ehrlich gesagt... Ich mag ihn sogar... sehr sogar..." Das lässt mich jetzt perplex dreinschauen. "Du... magst ihn? Dann verstehe ich aber nicht, wieso du dich ihm gegenüber immer so... Naja... fies verhältst." Klaus schaut etwas geknickt. "Dafür müsstest du wissen, was früher war. Früher... also... da war Rene ganz anders." Ich lege meine Hand auf seine Schulter. "Erzähl mir davon. Bitte. Ich möchte es verstehen können." Klaus schaut mich kurz an. Dann lässt er den Blick durch den Raum wandern. "Nicht hier. Lass uns dafür wo anders hin gehen." Sagt er fest und ich nicke. Wir bringen noch unsere Tabletts weg und gehen zusammen raus. Da die meisten Azubis noch beim Mittagessen sind gibt es viele Sitzecken, die gerade frei sind. Wir setzen uns in eine geschützte Ecke und Klaus atmet tief durch. "Rene, Sebastian und ich sind auf dieselbe Schule gegangen. Damals war Rene, wie gesagt, noch sehr anders. Er war der Schulraufbold." "Was?!" Entfährt es mir ungläubig. "Rene? Ein Raufbold? Das kann ich kaum glauben." Jetzt lächelt Klaus leicht. "Ja, kaum zu glauben. Wir waren nicht unbedingt Freunde. Er konnte mich auch damals schon nicht leiden. Aber ich... Ich mochte Rene. Er hat damals immer sehr gerne die jüngeren Schüler geärgert und war auch bei den gleichaltrigen oder Klassenkameraden nicht zimperlich. Auch ich war ein sehr beliebtes Ziel von ihm und seinen Schikanen. Aber trotzdem... trotzdem hat es mir nicht wirklich etwas ausgemacht. So galt wenigstens für einen kurzen Moment seine komplette Aufmerksamkeit nur mir. Er hat ziemlich vielen das Leben schwer gemacht. Bis... Bis er auf einmal nicht mehr da war..." Erzählt Klaus und ich höre ihm gebannt zu. "Was ist passiert? Wo war er?" Frage ich. "Er hatte einen Unfall. Er war lange im Krankenhaus und danach wohl auch noch in einem Heim, weil niemand ihn kannte. Die Ruhe hat den meisten gut getan aber ich... Ich habe ihn und seine Schikanen tatsächlich vermisst." Jetzt lächelt Klaus traurig. "Als er dann zurück kam... war er so anders. Er hatte sein komplettes Selbstvertrauen vergessen und war plötzlich ein kleines Mauerblümchen. Hatte immer den Kopf unten um bloß niemanden an zu sehen. Natürlich rächten sich die anderen jetzt. Sie warfen ihm Gemeinheiten an den Kopf die sich gewaschen hatten, steckten seine Sachen in den Müll, übergossen seine Tasche mit stinkendem Wasser oder abgelaufener Milch... Er ertrug es. Er wehrte sich nicht. Er sagte nichts. Er leidete still und leise vor sich hin ohne zu wissen, wieso ihn alle hassten." "Alle bis auf dich." Werfe ich ein und Klaus schaut überrascht auf. "Du magst ihn doch. Hast du jedenfalls gerade gesagt." Klaus lacht auf. "Ja. Ich mag ihn. Aber ich schätze das wird ihn nicht aufmuntern. Weißt du... Eigentlich war ich nur so gemein zu ihm weil ich gehofft habe, dass er sich wieder erinnert. An das war früher war. An sich selbst... aber bis jetzt hat es nichts gebracht. Und jetzt hat er ja dich. Ich schätze mal... Das es nie wieder so wird wie früher. Jetzt... jetzt ist er halt so..." Jetzt schweigen wir eine Weile. Niemand sagt ein Wort. Ich muss das gehörte erstmal verarbeiten. Rene war früher also ein Raufbold der anderen gerne das Leben schwer gemacht hat... Ich kann es nicht glauben, aber wieso sollte Klaus lügen. Die Art und Weise wie er es auch erzählt hat, sprechen Bände. Es ist die Wahrheit. Wir sitzen die ganze Pause noch schweigend neben einander. Auch der restliche Arbeitstag vergeht schweigend. Meine Gedanken sind irgendwie komplett leer. Diese ganzen Informationen waren wohl zu viel. Ich kann sie nicht wirklich verarbeiten. Aber eines weiß ich; ich muss morgen Rene davon erzählen. Wenn es das ist, was sein Verstand die ganze Zeit zu verdrängen versucht, muss die Tatsache dass die anderen ihn danach quasi den Tod gewünscht haben extrem bitter für ihn sein. In seinem jetzigen Ich kann er das alles nicht verkraften. Das hat mir sein Alptraum damals gezeigt. Vielleicht werde ich ihm nicht gleich alles sagen, aber ein paar kleine Details werden sicher auch in seinem Interesse sein.
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Street Boy; Der Preis für meine Dienste beträgt.... (BoyxBoy)
Romance"Stephan ist der wichtigste Mensch für mich! Wir sind mehr als gute Freunde! Wir sind wie Brüder!" Mit diesen Worten leitete Christian, ohne es zu ahnen, das Ende unserer gemeinsamen Zeit ein. Meine Gefühle für ihn wurden immer unerträglicher und am...