Kapitel 48

538 42 13
                                    

Ich machte mir wahnsinnige Sorgen um Shelly. Sie war unglaublich dünn und war nur noch erschöpft. Die letzten Wochen der Dreharbeiten zogen noch einmal alles an Kräften aus ihr heraus. Immer wieder rastete sie aus und schimpfte und wetterte um sich herum. Sie war nicht mehr die Shelly, die ich geheiratet hatte. Sie mutierte immer mehr zu einem zombieartigen Wesen. Das machte mich unsagbar traurig. Madlin war die objektive Konstante, die sie aufrichtet und antrieb weiter zu machen. Genau genommen peitschte sie sie immer wieder an. Wie ein verletztes Reh lag sie da und wurde unermüdlich angetrieben weiter zu machen.

Bei allem Verstand war das auch nachvollziehbar und richtig. Jetzt aufzuhören, wäre ein Schaden von unzahlbarer Höhe gewesen. Und trotzdem wollte ich immer nur das eine und das war, sie da raus zu holen. Sie weinte viel. Sie schimpfte viel. Es gab nichts dazwischen. Kaum mehr Freude oder Lust in den Tag zu gehen. Sie bemühte sich sehr, mir gegenüber gefasst und freundlich zu bleiben. Aber oft genug gelang ihr das nicht. Es war das immer gleiche Spiel. Ich wurde zum Prügelsack, zog mich zurück und weinte mich bei Ina aus. Wenn ich zu Hause war, weinte wiederum Shelly und dann weinten wir beide, bis wir uns wieder vertrugen. Ein furchtbarer Kreislauf.

Immer wider skypte ich auch mit Sandrine, die inzwischen so was von schwanger war. Ich sehnte mich so sehr danach zu ihr zu fliegen, den Bauch zu fühlen, mich anzulehnen und das Gefühl von Freude zu spüren. Auch ich war nicht mehr der freundlichste Mensch. Das alles belastete mich doch sehr und ich wusste oft genug nicht wohin mit meinen eigenen Gefühlen. Bei Shelly waren sie derzeit nicht zu platzieren. Ich wagte es nicht mehr, meine Gefühle zu äußern. Das hatte ich einige Male versucht und dafür gesorgt, dass sie entweder in Tränen ausgebrochen war, weil sie sich schuldig fühlte und nicht mehr aufhörte, sich zu entschuldigen. Oder sie schimpfte auf mich ein, wie sehr ich sie unter Druck setzte und warum ich ihr das antäte. Als wenn der ganze Drehstress nicht schon genug sei usw. Ein ständiges hin und her und kaum mehr Normalität. Jeder freie Tag wurde auf schlafend verbracht. Von Beziehung keine Rede mehr. Ich sehnte den letzten Drehtag herbei wie keinen anderen Tag in meinem Leben. Ich war mir sicher, auch Shelly erging es so. Wir hangelten uns nur noch durch die letzte Drehwoche und schmiedeten keinerlei Pläne für diesen einen Tag. Es war schon schlimm genug, dass ich immer wieder von einem wir sprach. Ich hing in den Dreharbeiten schon genau so drin, wie sie auch. Jedes Gefühl fühlte ich mit. Jede Stimmung lebte ich mit und jede Erschöpfung trug ich mit. Das war völlig normal, wir lebten in einer Bindung und waren verheiratet. Ich liebte diese Frau, selbstverständlich konnte ich und wollte mich auch nicht emotional entziehen. Ich spürte dennoch, wie wir uns voneinander entfernten. Etwas in mir nahm auch Abstand zu Shelly. Ein Gefühl in mir versuchte sich zu schützen und hatte eine Mauer aufgebaut. Ich konnte sie wahrnehmen, ich wollte sie jedoch nicht. Ich wünschte mir, sie wieder einreißen zu können, aber zu diesem Zeitpunkt brauchte ich diesen Schutz. Und auf der anderen Seite hatte ich auch Verständnis für mich. Ich hatte etliche Verletzungen ausgehalten, aus Liebe zu meiner Frau hatte ich vieles weg- und eingesteckt. Vor allem aber viel verziehen. Die Spuren, die diese Verletzungen hinterlassen hatten, waren für meine Seele die Basis des Schutzwalls, auf der sie sich gebildet hatte. Meine Sorge um sie wog schwerer als alles andere. Ich wünschte mir von Herzen, meine Frau wieder zu erleben und lieben, wie sie bis zu diesem Dreh war.

„Hast du einen Wunsch für deinen letzten Drehtag?" fragte ich Shelly einmal. „Einfach nur nichts." hatte sie geantwortet und war sogleich wieder in Tränen ausgebrochen. Dieser eine freie Tag hatte die Dämme in ihr sehr dünn werden lassen. Sie war ihrer eigenen Erschöpfung begegnet. Eine Aufeinandertreffen, das sie nicht wieder verschleiern konnte. Ich hätte ihr auch gewünscht, es wäre ihr nicht begegnet. Es waren nur noch ein paar Tage bis zum letzten Tag und genau das machte es noch schwerer, das Ende zu erwarten. Die Tage zogen sich noch länger als sowieso und ich führte innerlich Strichliste.

Meet and love 3 (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt