7➳ Treue vs. Fremdgehen

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2015
Üsküdar|Istanbul
{3 Jahre zuvor}

Arzu

𝕾ich in einen Rauschzustand zu versetzen war keine Option. Es war eine Entscheidung, die jeder Mensch freiwillig in Erwägung zog. Ich hatte nie verstanden, warum Menschen sich dieser Wahl -in dem Wissen, was es mit ihnen anstellen würde, bewusst stellten, warum sie darauf aus waren ihren Körper zu vergiften, sich selbst in dem verhängnisvollen müpfigen Sumpf runterziehen ließen. Doch gerade, als ich mit leicht verschwommenen Blick auf das Glas in meiner Hand starrte, dessen Inhalt so faszinierend glitzerte, dass es glatt schon einem wolkenlosen Sternenhimmel glich, da hatte ich das Gefühl diese Art von Menschen erstmals zu verstehen.

Sie vergaßen. Oder zumindest hofften sie zu vergessen.

Ich versuchte es auch. Ich gab mir Mühe, legte keine Pause ein, nahm ein Glas nach dem anderen entgegen, ziellos und ohne Limit. Verschwand dieses dumpfe Gefühl in mir ? Die Verzweiflung, die mich zerfraß, weil ich nichts in der Hand hatte, damit das Schicksal eine 180 Grad Wendung vollführte ? Nicht im geringsten.

Schicksal.

Wie sehr ich an dieses magische Wort glaubte, immer geglaubt hatte. Ich wusste, dass es abergläubisch war, dass es für viele so etwas wie eine göttliche Fügung nicht gab, doch für mich war er immer mein Schicksal gewesen. Er würde mein Schicksal bleiben, er musste es.

Niedergeschlagen und völlig ausgepowert bückte ich mich unseriös über den Tresen. Meine Arme baumelten stumpf an den Holzbalken runter. Mein fast leeres Glas stand genau vor mir. Ich hatte nicht einmal die sonderliche Lust aufzubringen meine wilde Haarmähne von der Stirn zu streichen, oder sie zu einem anständigen Zopf zusammenzubinden. Es war mir gleichgültig. Alles war mir gleichgültig.

In dem Augenblick, wo die Gleichgültigkeit mehr denn je Besitz über meine Sinne nahm, erkannte ich die Reflexion meines übermüdeten erschöpften Gesichts auf dem Glas und von diesem getroffen, wandte ich schnell meine betrübten Augen davon ab und richtete sie auf die vielen Wodkaflaschen, die an den Regalen hinter der Bar aufgestellt waren und von einem azurblauen Neonblau umgeben waren.

Verdammt...
Ich war so ein Wrack, gestand ich mir ein und biss mir auf die Unterlippe, da das altbekannte Zucken meiner Lippen, wenn ich kurz davor war in Tränen auszubrechen, sich zu bekennen gab.

Mit diesem Gedanken huschte mein Blick wenige Sitze weiter weg über die bordeauxroten runden Sitzflächen mit den hohen Hockerbeine, anschließend sie an der Person verharrte, die das genaue Gegenteil vom meinem eigenen Ebenbild darstellte.

Derweilen ich vor mich hin vegetierte, wie immer schlicht gekleidet, relativ unpassend für diese schicke extravagante Bar und geschlagener nicht wirken konnte, war die Person mir Gegenüber gefasst und absolut wachsam, wie als würde er die ganze Welt dominieren. Der ausgesprochen gut harmonisierende Anzug, der seinen eindrucksvollen Körper schmeichelhaft betonte, war enger um seine breiten athletischen Arme umschlossen, derweilen er nach vorne gebeugt, den muskulösen Rücken dabei komplett ausgestreckt ebenfalls an der kaum besetzen Bar Platz genommen hatte und sein Glas mit der Handinnenfläche umzingelte.

Ich beobachtete ihn, wie immer seit dem Abend, als er mir wegen diesem betrunkenen Kerl, der mich belästigt hatte zur Hilfe geeilt war... oder so ähnlich.

Denn schlau wurde ich aus der ganzen Angelegenheit selber nicht wirklich. Ich wollte mich bedanken, aus Höflichkeit dafür, dass er die Courage besessen und nicht tatenlos zugesehen hatte. Wie vom Donner gerührt, als er bemerkte, was ich da vor hatte, hatte er mir barsch das Wort abgeschnitten und gemeint, er wolle kein weiteren Mücks aus meinem Munde hören. Ich verstummte augenblicklich und seit jeher observierte lediglich.

ℬinbir Gece🌙Where stories live. Discover now