„Ja, genau so. Nur hier musst du ein C spielen, kein D. Vielleicht noch etwas an Geschwindigkeit zulegen, aber sonst wirklich gut."
Lächelnd sehe ich auf die Klaviertasten.
„Ria", sagt mein Klavierlehrer plötzlich ernst.
Ich weiß, was er sagen möchte, weswegen ich sofort den Kopf schüttle. Doch er redet trotzdem weiter. „Ich finde immer noch, dass du beim Wettbewerb mitmachen solltest. Man bekommt selten die Chance, ein Musikstipendium zu gewinnen und ich glaube, du hast das Potenzial dazu. Du weißt, in drei Monaten ist Anmeldeschluss."
„Ich habe aber kein Interesse", entgegne ich leise. Ich möchte nicht vor anderen Menschen spielen, schon gar nicht für einen Wettbewerb. Ich würde mich vor Aufregung dauernd verspielen und mich blamieren. Das ist mir nichtmal ein Stipendium wert.
Verzweifelt schlägt er sich gegen die Stirn.
„Ich kann dich zu nichts zwingen. Aber denk bitte weiter darüber nach."
Ich nicke schwach.
Er schließt mein Notenbuch und gibt es mir.
Wir verabschieden uns höflich, dann kann ich endlich den Raum verlassen.
Eigentlich mag ich den Klavierunterricht. Aber seit 6 Wochen spricht mein Lehrer jedes Mal diesen Wettbewerb an und versteht nicht, dass das einfach nichts für mich ist.
Bling.
Ich fische mein Handy aus der Tasche.
Eine Nachricht von Evanna, meiner besten Freundin.
Lust, Liam und mich im Park zu treffen? Wir chillen grad und schreiben an diesem ekligen Aufsatz für Englisch. -Evanna
Oh, der Aufsatz. Da fehlt mir noch ein Abschnitt.
Klar, bin in zehn Minuten da. -Ria
Bevor ich zum Park gehe, mache ich einen Abstecher nach Hause, um die Klaviernoten abzulegen und mein Schulzeug zu holen.
„Ich treffe mich mit Evanna und Liam. Bin vor dem Essen zurück", rufe ich meiner Mutter zu.
„In Ordnung, viel Spaß!"
Der Park ist nur einen Block entfernt und ich bin schnell da.
Es dauert nicht lang, bis ich die beiden finde. Sie liegen auf einer Picknickdecke, Essen und Arbeitsblätter überall um sie herum verteilt.
„Hey", begrüße ich sie lächelnd.
„Selber hey", antwortet Liam und räumt schnell ein paar Blätter zur Seite, damit ich auf die Decke passe.
Zufrieden lasse ich mich fallen und genieße die Sonne auf meinem Gesicht, ehe ich meinen Aufsatz hervorhole.
„Habt ihr nochmal über den Wettbewerb gesprochen?", fragt Evanna betont beiläufig. Nebenbei streicht sie einen Satz auf ihrem Block durch und wirft mir dann einen kurzen Blick zu.
„Kurz", antworte ich.
Sie gibt sich nicht zufrieden mit dieser Antwort.
Den Stift lässt sie auf ihr Blatt fallen, dann setzt sie sich im Schneidersitz auf.
„Das ist doch total bescheuert. Das ist eine ziemlich einmalige Chance, die du dir da entgehen lässt, Ria. Nur, weil du schüchtern bist, verzichtest du darauf?"
Betreten blicke ich zur Seite.
„Ich kann das nicht", sage ich schlicht.
„Ich hab's dir schonmal angeboten: Ich könnte mit dir auf die Bühne gehen und zu deinem Stück singen. Das hilft vielleicht."
Nein, absolut nicht. Es reicht schon, wenn ich mich blamiere, da muss ich nicht auch noch Evanna mit reinziehen.
„Lass sie halt", wirft Liam grinsend ein und piekst Evanna mit seinem Füller in die Seite. Empört schlägt sie nach ihm.
„Ich soll zulassen, dass sie ihre Zukunft versaut? Typisch Jungs, die nehmen alles viel zu locker", schimpft sie und verschränkt die Arme.
„Du übertreibst", entgegnet er gelassen, „Erstens weißt du doch gar nicht, ob sie gewinnen würde – da treten ne Menge Leute auf. Zweitens, wenn du unbedingt dein Singtalent unter Beweis stellen möchtest, trete halt ohne Ria auf."
Beim zweiten Punkt zieht Evanna die Augenbrauen hoch. „Ich will da nicht singen, um ein Stipendium zu kriegen. Ich will Ria nur helfen."
„Streitet euch bitte nicht wegen mir", flehe ich die beiden an.
„Das nennst du streiten?", lacht Liam, hebt aber bei meinem bittenden Blick abwehrend die Hände in die Höhe. „Schon gut. Themawechsel: Ich hab unsere Fotos entwickeln lassen. Hier." Er greift in seinen Rucksack, zieht einen kleinen Umschlag heraus und gibt ihn mir.
Darin befinden sich drei Bilder, die wir letzte Woche am See von uns gemacht haben.
Auf dem ersten Foto stehen wir alle drei auf einem Steg, hinter uns das klare Wasser des Sees.
Mein Blick fällt zuerst auf Evanna, die in der Mitte steht: Ihre hellblonden Haare strahlen förmlich im Sonnenlicht. Im Kontrast dazu sehen ihre dunkelbraunen Augen fast schwarz aus. Sie ist fast genauso groß wie Liam, der links von ihr steht. Seine dunklen Haare stehen dank des starken Windes an dem Tag in alle Richtungen ab. Er lacht fröhlich, was eine Reihe weißer Zähne offenbart, die mit ihrer Strahlkraft mit seinen unglaublich hellblauen Augen konkurrieren.
Rechts von Evanna stehe ich.
Die größten Unterschiede liegen zum ersten darin, dass ich zehn Zentimeter kleiner bin als die beiden und zum zweiten darin, dass ich zur Hälfte Thailänderin bin.
Meine Haare sind typisch asiatisch – dunkelbraun.
Meine Augen allerdings habe ich von meiner amerikanischen Mutter geerbt: Sie sind ziemlich hell, eine Mischung aus grün und braun.
Anders als die beiden lache ich nicht, sondern lächle nur, da ich kein Fan von Fotos bin.
„Ganz nett", sage ich und reiche die Bilder an Evanna weiter, die sich ganz nah an das Foto beugt, um ihr Gesicht zu studieren.
„Gott sei Dank sieht man den Ausschlag nicht!", ruft sie triumphierend aus.
Liam und ich grinsen nur.
„Jetzt lasst uns weiterschreiben. Dafür sind wir doch hier", schlägt Evanna vor.
Liam seufzt, aber tatsächlich verbringen wir die nächste Stunde damit, vorbildlich unsere Hausaufgaben zu machen.
Wir verabschieden uns mit Umarmungen, dann gehe ich nach Hause, wo meine Eltern schon mit dem Abendessen warten.

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Flirt Club
RomanceRia hat gar kein Selbstbewusstsein - um das zu ändern, tritt sie dem geheimen FlirtClub an ihrer Schule bei. Allerdings sind die vier Jungs dort keine Hilfe. Sie alle, von BadBoy bis Gentleman, scheinen plötzlich auf sie zu stehen. Ria ist völlig ü...