Kapitel 1

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„Aufstehen!", brüllte Mr.Adams, der durch den Flur schritt und, wie jeden Morgen, gegen die Zimmertüren der Weisenkinder schlug. Schlaftrunken rieb sich Liam die Augen und setzte sich langsam auf. Er kletterte vorsichtig die Leiter seines Hochbettes hinunter bis er mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand. Wie oft war es ihm schon passiert, dass er im Dämmerlicht abrutschte und auf den harten Holzboden viel. Oft hatte er Pech und die Kinder, die den Gang entlangliefen und ins Zimmer schauten, lachten ihn aus und rissen, wann immer er tagsüber in der Nähe stand, Witze darüber. Doch nicht Alfie McConner.

„Morgen Kumpel", flüsterte Liam seinem Zimmergenossen zu. Er bekam nur ein, „Mphhhh", zurück. „Jetzt beeil dich schon", drängte Liam während er sich seine schwarze Hose und seinen dunkelblauen Pullover vom Stuhl nahm und überzog, „sonst...".Weiter kam er nicht. „McConner noch in den Federn !? Das bedeutet Abspülen, sie auch Cooper!", brüllte Mr.Adams, der durch die Tür schaute und anschließend wieder schnell verschwand.

„Na toll. Das ist das 3.Mal in dieser Woche, dass wir wegen dir den Abwasch machen müssen", seufzte Liam verärgert. „Ja, Ja", gab Alfie zurück der die Beine aus dem Bett schwang und seine Hose vom Boden fischte. Liam machte sein Bett und band seine Schuhe. Er rümpfte die Nase, „Igitt heute gibt es Rosenkohl mit diesem unausstehlichem Hackbraten". „Das du das riechen kannst, die Kantine ist doch in nem anderen Gebäude Teil.", entgegnete sein Freund der sich mittlerweile nur noch die Schuhe binden musste. Liams Blick schweifte durch ihr Zimmer. Eigentlich war es kein Zimmer, sondern nur eine kleine Kammer in die man ein Hochbett, einen kleinen Schrank und zwei Stühle gestellt hatte. Es gab nur ein winziges dreckiges Fenster durch das man auf die Betonwand des nächsten Gebeudetrakts schauen konnte. An den Wänden bröckelte der verblasste gelbe Putz ab. Von oben hinunter hing an einem Kabel eine einzige dreckige Glühbirne. Es war stickig und modrig. Liam hasste es. Er fühlte sich wie gefangen. Doch es gab nun mal keine Alternative. „Kommst du?", fragte Alfie der schon an der Tür wartete. Irgendwann und das wusste Liam würde er hier rauskommen, daran glaubte er fest, doch niemals hätte er gedacht, dass dieser Tag so nahe wäre.

Auf dem Weg zur Kantine, hindurch die hallenden Gänge aus kaltem, grauem Stein, dachte Liam über seine ersten Jahre hier nach. Als er mit 10 Jahren in das Eastravener Waisenhaus zog gefiel es ihm eigentlich. Seine Eltern starben als er erst sechs Jahre alt war, bei einem Autounfall. Vier Jahre lang wohnte er dann in London bei seiner Großmutter, als diese ins Altersheim gebracht wurde lief er davon. Er wollte keine neue Familie, keine neuen Freunde oder in einer anderen Stadt leben. Nach zwei Tagen fand ihn ein Beamter auf einer Parkbank schlafend und schleppte ihn zum Jugendamt. Von dort aus holte Mr.Adams ihn mit nach Eastraven, ein kleines Städtchen im Norden Englands. In den ersten Jahren wurde er wirklich gut aufgenommen. Er kam in ein Zimmer mit vier anderen Jungen in seinem Alter. Sie verstanden sich gut und nach einiger Zeit waren sie unzertrennlich. Ein paar Wochen nach seinem 12.Geburtstag veränderte sich alles. Plötzlich fingen erst die anderen Kinder im Waisenhaus an ihn zu ärgern. Sie beleidigten ihn und lachten ihn aus, wenn er etwas Falsches getan oder gesagt hatte. Die Jungen in seinem Zimmer, die ihn anfangs noch verteidigten, wurden immer unfreundlicher. Sie fingen an ihn zu beleidigen und umherzuschubsen. Irgendwann steckte Mr.Adams ihn in ein viel kleineres Zimmer zusammen mit Alfie. Mittlerweile mochten auch die Erwachsenen ihn nicht mehr. Sie warfen ihm missbilligende Blicke zu. Die Lehrer gaben ihm schlechte Noten und Strafarbeiten wo sie nur konnten, die Küchenchefin sorgte dafür, dass er weniger Essen bekam als die anderen Kinder und die Putzfrau "vergaß" jedes Mal sein Zimmer zu reinigen. Zuerst dachte er Alfie wär wie alle anderen, doch er fand Liam vom ersten Tag an sympathisch. Sie wurden schnell beste Freunde. Auch Alfie hatte anscheinend eine schwere Kindheit doch er redete nie mit Liam darüber, wenn es zur Sprache kam wechselte er schnell das Thema und sein Freund wollte ihn nicht dazu drängen es ihm zu erzählen.

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⏰ Last updated: Jun 21, 2018 ⏰

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