"Darf ich reinkommen?", fragte er vorsichtig. Ich trat wortlos einen Schritt zur Seite. Jetzt bloß nicht die Fassung verlieren! Tyler betrat das Haus und ich musste mich wirklich beherrschen nicht durch die nach draußen zulaufen. Langsam schloss ich die Haustür. "Wollen wir hochgehen? Oder bleiben wir hier?", er drehte sich zu mir um. Ich wusste nicht was ich darauf antworten sollte. Würden wir hier im Wohnzimmer bleiben, dann könnten andere Leute das Gespräch mitbekommen. Aber wenn wir hier blieben, würden andere vielleicht auch mitkriegen, wenn er wieder ausrasten würde. "Lass uns nach oben gehen", ich räusperte mich. Meine Stimme klang viel zu brüchig. Ich atmete noch einmal tief durch und ging dann an ihm vorbei die Treppe hoch. Plötzlich konnte ich es gar nicht mehr abwarten das Gespräch hinter mich zubringen. Den ganzen Vormittag wollte ich es hinauszögern und jetzt konnte es gar nicht schnell genug gehen. In meinem Zimmer angekommen schloss er die Tür und drehte sich langsam zu mir um. "Toni, ich...ich weiß wirklich nicht was ich sagen soll...es tut mir so unendlich leid!! Ich weiß nicht was in mich gefahren ist. Ich habe sowas wirklich noch getan!", er faltete die Hände und sah mich mit Bedauern im Blick an. Schon regelrecht reuig. Ich schlang die Arme um mich selbst. Ich wollte ihm glauben. Das wollte ich wirklich. Aber irgendwas in mir sagte mir, dass ich das nicht sollte. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das für dich sein muss...ich weiß wie das ist wenn man sich auf jemanden verlässt und derjenige etwas tut was das Vertrauen bricht...aber ich will nicht, dass du mir misstraust! Ich weiß auch, dass es nicht mehr so wie früher werden wird, auch wenn ich mir nur das wünsche. Ich habe Mist gebaut, das ist mir bewusst! Großen Mist sogar. Aber ich will dich nicht verlieren!! Ich liebe dich, Antonia! Und ich werde dir bei meinem Leben schwören, nie wieder so etwas oder etwas vergleichbares zutun! Nie mehr!", mein ganzer Körper versteifte sich. Alles was er gesagt hatte war schön gewesen. Selbst für eine Entschuldigung für so etwas schreckliches. Aber ich blieb immer wieder bei diesen einem Satz hängen. Ich liebe dich, Antonia! "Du hast es gesagt...", flüsterte ich. Mehr zu mir als zu ihm. Ich konnte es nicht glauben. "Es stimmt ja auch! ich liebe dich wirklich!", er kam ein paar Schritte auf mich zu. In seinem Blick lag nichts bösartiges. Nichts aggressives. Nichts gefährliches. Er sah mich eher liebevoll an. So wie er es immer getan hatte, wenn er dachte ich würde es nicht bemerken. So wie vor dem Vorfall gestern Abend. Bei dem Gedanken überlief mich ein Schauer. Mein Körper fing an zu schmerzen. Jeder einzelne blaue Fleck pulsierte. Eigentlich ein Zeichen ihn nicht mehr zu vertrauen. Dabei hatte er gesagt, er wüsste wie es ist wenn sein Vertrauen zerbrochen wird. Aber hatte er sowas gemeint, wie in unserem Fall? Hatte er auch sowas durchmachen müssen? Aber er hatte auch gesagt, er liebte mich. Und kam es letztendlich nicht drauf an? Ich liebte ihn auch. Das konnte ich nicht bestreiten. So wie niemanden zuvor. Selbst nach gestern. Und ich wollte nicht wegen einem schlechten Abend gleich alles wegwerfen, was wir schon gemeinsam durchgestanden hatten. "Was meinst du damit, als du gesagt hast, du wüsstest wie das ist?", wollte ich dann doch wissen. Er ging an mir vorbei und setzte sich auf mein Bett. Ich beobachtete ihn genau. Er faltete sie Hände in seinem Schoß und starrte auf den Boden vor sich. "Ich meine damit meine Mutter. Sie ist als ich 13 war einfach abgehauen. Ich bin morgens aufgewacht und all ihre Sachen waren verschwunden. Selbst die Familienfotos, auf denen sie mit drauf war. So als hätte es sie nie gegeben. Mein Vater ist fast daran zerbrochen. Aber er hat sich doch noch gefangen. Trotzdem ist es immer noch schwer. Für uns beide...", mein Hals schnürte sich zu. Man sah ihm an, dass die Erinnerung schmerzte. Ich kannte das von mir selbst. Ich hatte den selben Gesichtsausdruck, wenn ich an die Zeit in Mexiko zurückdachte und an den Tod von meinem Vater. Ich setzte mich vorsichtig neben ihn. Er sah mich nicht an. Ich konnte seinen Schmerz sehr gut nachvollziehen. Er hatte auch viel durchmachen müssen. Ich zögerte durch, aber griff dann doch nach seiner Hand. Sie war wie immer warm. Er sah zu mir hoch. "Das wusste ich gar nicht...es tut mir so leid!", sagte ich leise. "Schon okay! Du kannst ja nichts dafür", er richtete sich seine Brille und sah mir in die Augen. Es lag so viel Bedauern daran, dass es mir fast den Atem verschlug. Ich könnte ihm nicht mehr wirklich böse sein. Nicht nach dem was er mir erzählt hatte. "Versprich mir nur, dass sowas wirklich nicht mehr vorkommt", flüsterte ich. Irgendetwas in seinen Augen leuchtete kurz auf. Ich konnte es nicht deuten, aber er drückte kurz meine Hand. Vielleicht war es Erleichterung gewesen. "Ich schwöre es! Und zwar nicht nur auf mein Leben, sondern auch bei meinen Büchern!" Und in diesem Moment wusste ich, dass es ihm ernst war. Er liebte seine Bücher. Mehr als irgendwas in der Welt sonst. Wenn er nicht gerade in der Schule oder am Lernen war, war er am Lesen. Er konnte wirklich mehrere Tage am Stück einfach nur lesen. Das sah man auch in seinem Zimmer. Es gab kein Möbelstück, auf dem kein Buch lag. Alleine deswegen wusste ich, wie ernst ihm das wirklich war. Und an seinem Blick. Sein Blick war warm und so liebevoll. Voller Vertrauen. "Darf-, darf ich dich küssen?", er sah mich so schüchtern an, wie bei unserem Kennenlernen. Ganz langsam bewegte ich mich auf sein Gesicht zu. Ich wollte wieder Normalität. Uns als unsere Lippen sich dann endlich berührten, war alles andere vorerst egal. Der Kuss war erst ganz vorsichtig. Schüchtern. Und dann intensiver. Er legte sie Hand an meine Wange. Und ich meine Arme um seine Schultern. Ein weiterer Grund ihm zu verzeihen. Ich liebte ihn zu küssen. Und ich wollte es am liebsten für den Rest meines Lebens tun. Irgendwann unterbrach er den Kuss und lächelte mich an. Und ich hätte dahin schmelzen können. Sein Lächeln war so unfassbar süß. "Wir müssen zum Unterricht...es ist ja noch Pause", ich seufzte. Er hatte Recht. Aber der Moment war schön gewesen. Es war wieder alles in Ordnung zwischen uns. Ein Moment, der mir Hoffnung gegeben hatte. Hoffnung auf eine doch noch schöne Zukunft mir Tyler. Er zog mich an den Händen auf die Beine und umarmte mich. Ich zog seinen Geruch in mir auf. Es hatte immer etwas beruhigendes für mich. Diese Mischung aus Büchern und etwas undefinierbaren. Aber dieses mal bereitete es mir Bauchschmerzen. Es glich der Panik, die mich seid gestern Abend verfolgt hatte. Ich ignorierte das Gefühl und schob es soweit es ging weg von mir. Es war wieder alles in Ordnung. Das sagte ich mir immer und immer wieder. Und er liebte mich. Ich brauchte keine Angst haben. Es war ein Versehen gewesen. Und das zählte. Dass er mich liebte. Tyler löste sich von mir. "Ich werde jetzt gehen. Jane braucht noch meine Hilfe bei irgendwas. Sehen wir uns später? Ich könnte dich vom Training abholen", schlug er vor. Ohhh. Stimmt ja. Ich hatte das Training komplett vergessen. Und dann fiel mir Zoés Meeting ein. "Heute ist kein Training. Ich kann später bei dir vorbei kommen", ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. "Das wäre schön", er gab mir einen Kuss auf die Wange und verließ dann mein Zimmer. Und ließ mich einfach stehen. Ich atmete tief durch. Ich liebe dich, Antonia! Er hatte ja keine Ahnung, was dieser eine Satz für mich bedeutete. Und was dieser Satz alles verändert hatte. Es war plötzlich alles anders. Und das lag nur an diesen vier Worten. Die Tatsache, dass er gestern Abend ausgerastet ist, war im Vergleich dazu viel zu unbedeutend. Ich liebe dich, Antonia! Seine Worte spielten sich in Dauerschleife in meinem Kopf ab. Auch noch auf den Weg zum nächsten Unterricht.
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I need you
RomanceToni, eigentlich Antonia, kann es immer noch nicht glauben. Konnte sie sich wirklich so in ihm geirrt haben? Oder war sie an allem selber schuld? Er war doch immer so nett gewesen. Langsam fängt sie an zu zweifeln, ob er wirklich der Richtige ist. D...