Jonas hatte Julia von seinem Traum erzählt. Es war ihm ein wenig unangenehm, über sein Erlebnis mit Amalia zu sprechen, doch nach dem ersten Moment lächelte Julia schwach. „Und sie hat tatsächlich geglaubt, eine kaputte Strohpuppe wäre zur Empfängnisverhütung da? Oh je, da hast du dir aber einen sehr naiven One Night Stand ausgesucht!“
„Ich war das doch gar nicht! Jedenfalls nicht wirklich. Das war Simon,“ verteidigte sich Jonas, während Julia eifersüchtig: „War sie hübscher als ich?“, fragte.
Jonas widersprach sofort. „Nein, sie war nicht hübscher als du. Sie hatte ziemlich faule Zähne, aber das hatten zu der Zeit ja fast alle Leute. Ich will nicht, wenn ich noch mal von diesem Leben als Simon träume, in einen Spiegel schauen müssen und den Mund aufmachen. Bestimmt hatte er auch nur noch Stummel im Mund!“
„Igitt,“ stellte Julia fest, wurde dann aber wieder ernst. „Außer, dass du, entschuldige, ich meine Simon, eine lockere Einstellung zum Thema erotische Abenteuer hatte, sollten wir einmal heraus finden, was dieser Traum zu bedeuten hatte!“
„So locker war das für die Zeit gar nicht,“ verteidigte sich Jonas. „Die waren da nicht halb so prüde, wie das heute gerne dargestellt wird! Wenn man sich mal mit der Zeit befasst, weiß man, dass viele recht locker damit umgingen.....ich denk da nur mal an Badehäuser im Mittelalter! Was glaubst du, was die dortigen Damen denn so gemacht haben? Den Gästen nur den Rücken geschrubbt? Auf jeden Fall kenne ich, wenn ich von Simon träume, auch seine Gefühle. Und er schien nun nicht so viel bei dieser Sache zu finden!“
„Ist ja schon gut! Du brauchst doch kein schlechtes Gewissen zu haben,“ wehrte Julia ab, aber Jonas zog sie in seine Arme. „Das hab ich jetzt nachträglich, für Simon direkt mit. Und ich liebe nur dich!“
„Ich dich doch auch, und alles was vor unserer gemeinsamen Zeit war, zählt nicht. Weder Jessica noch Sebastian und auch keine anderen Freunde oder Freundinnen! Und schon gar nicht, wenn sie aus einem anderen Leben stammen!,“ sagte Julia und gab ihrem Freund einen Kuss.
Als sie sich von einander lösten wurde auch Jonas ernst. „Wir sollten wirklich überlegen, was dieser Traum zu bedeuten hatte. Einfach so, ohne Grund, hab ich das bestimmt nicht geträumt oder mich dran erinnert. Es ging also darum, dass Simon Amalia getroffen und mit ihr eine Nacht verbracht hat. Vielleicht....hat diese blöde Puppe wirklich nicht gewirkt und sie hat ein Kind bekommen, von Simon. Könnte das von Bedeutung sein?“
„Wenn, dann ist das Kind auch schon seit ein paar hundert Jahren tot, selbst wenn es alt geworden ist,“ stellte Julia fest. „Aber du sagtest, dass Amalia sich vor der Statue gefürchtet hat?“
Jonas nickte. „Im einen Augenblick hat sie sich noch ein wenig darüber lustig gemacht und im nächsten hat sie geschrien und ist, ganz so wie man es von einem zarten Mädchen aus dem Mittelalter erwartet, in Ohnmacht gefallen...“
„Dann hat sie irgend etwas an der Statue erkannt? Das könnte ja sein. Denk mal an Gerrit. Der erkennt doch auch, wenn eine Statue ein Dämon ist. Vielleicht ging es Amalia auch so. Die hat gesehen, was dieses Ding ist und das hat ihr Angst gemacht!“, wandte Julia ein.
Jonas sah seine Freundin nachdenklich an. „Das könnte natürlich der Grund sein. Aber dass auch andere diese Fähigkeit haben......Gerrit hat doch mal gemeint, das wäre bei ihm ein Überbleibsel aus der Zeit, als er mit den Henkern zusammen war!“
Julia zuckte die Achseln. „Das ist seine Theorie. Aber was ist, wenn er diese Fähigkeit schon vorher, als er noch als ein normaler Mensch gelebt hat, besessen hat? Er hat doch irgendwo auf dem Land gelebt. Dort trieb zwar Engelmann sein Unwesen, aber damals auch noch ohne Dämonen! Daher wurde seine Fähigkeit zu Lebzeiten eigentlich nie auf die Probe gestellt.....“
„Könnte natürlich sein, dass es bei ihm und auch anderen angeboren ist. Also gehen wir mal davon aus, dass Amalia in der Statue was gesehen hat, was ich oder vielmehr Simon nicht gesehen hat. Und es war so schrecklich, dass sie zusammen gebrochen ist und nur noch fort wollte!“, sagte Jonas bedrückt. „Und ich glaube immer noch, dass dieses Wesen zurück gekehrt ist.“
Nach dem Frühstück wollten Jonas und Julia gerade aufbrechen, um sich in ihrer Heimatstadt auf die Suche nach Sebastian und weiteren Hinweisen zu machen, als Julias Handy klingelte.
Sie ging ran und wurde blass. „Was sagst du da? Verschwunden....und die Polizei hat was gesagt? Britta, bist du.....wir kommen vorbei!“
Julia beendete das Telefonat und sah ihren Freund erschrocken an. „Das war Britta! Dennis ist seit gestern Abend auch verschwunden.. Er wollte nur die Einkäufe aus dem Auto holen und ist weg gefahren. Seitdem ist er nicht mehr zurück gekommen!“
Jonas warf seiner Freundin einen bestürzten Blick zu. „Du erwähntest gerade die Polizei? War Britta schon da? Was meinen die denn?“
Julia schnaubte empört. „Was die gesagt haben willst du wirklich wissen? Die meinten doch tatsächlich, dass Dennis einfach keine Lust mehr gehabt habe, sich um sein Baby und seine Frau zu kümmern und mal wieder Spaß haben wollte. Er sei nicht der erste Ehemann, der die Babykriese kriegt und mal eine Nacht mit alten Kumpels durchmachen würde. Außerdem sei er für eine Vermisstenanzeige noch nicht lange genug verschwunden!“
„Also das ist doch wirklich das Letzte,“ meinte Jonas empört. „Ich kenne Dennis nun nicht so gut. Aber ein notorischer Partymacher ist er meines Wissens denn doch nicht!“
Julia stimmte dem zu. „Ist er auch nicht. Dennis hängt sehr an der kleinen Anna-Lena und würde sie und Britta ganz bestimmt nicht ohne ein Wort verlassen, um eine Nacht in der Disko durchzumachen! Das passt nicht zu ihm! Macht es dir was aus, wenn wir zuerst mal bei Britta vorbei schauen?“
Jonas hatte selbstverständlich nichts dagegen, auch wenn er sich fragte, ob er bei Britta willkommen sein würde.
Lucas hockte neben dem Grab seiner Mutter Anita, die nun bereits seit vielen Monaten tot war und strich sanft über einen Blumenkübel. Er hatte ein Gesteck gekauft und dieses auf das Grab gelegt.
„Weißt du, es ist so viel passiert in der letzten Zeit,“ sagte er und sah im Geiste seine Mutter vor sich.
„Mit meinem Vater verstehe ich mich jetzt besser. Es tut ihm sogar leid, dass er sich nicht um mich gekümmert hat. Mein Bruder ist auch in Ordnung, auch wenn er Dämonen jagt. Du weißt ja, dass er die, die dich....getötet...haben, erledigt hat. Hedwig sitzt jetzt in der Klapse und ich hoffe, sie bleibt da. Du weißt ja, was sie angerichtet hat....“
Lucas besuchte das Grab seiner Mutter mehr oder weniger regelmäßig. An manchen Tagen machte ihn die Vorstellung, zum Friedhof zu gehen, zu traurig. An anderen zog es ihn geradezu dorthin und er besuchte das Grab meistens nach der Schule.
Ein Schatten fiel über Lucas und er sprang auf. Ein blonder Mann mit einer blauen Jeansjacke stand hinter ihm und blickte traurig auf das Grab.
Lucas konnte nicht glauben, wen er dort sah. Auch der Mann schien sich nicht sicher zu sein, wen er vor sich hatte. „Lucas? Bist du das wirklich?“
„Ja....ich bin es. Was machst du denn hier, Frank?“, erkundigte Lucas sich misstrauisch bei dem Mann, der ihm einst sehr vertraut gewesen war.
„Ich besuche meine Tante hier in der Stadt, ich will ihr meine Familie und meinen Nachwuchs vorstellen....“, sagte Frank und schien sich sichtlich unwohl zu fühlen, ehe er fort fuhr: „Du bist so gewachsen, seitdem ich dich das letzte Mal gesehen habe! Ich habe von einer ehemaligen Nachbarin von Anitas Tod erfahren und da....“
„Wenn du dich einmal in den letzten fünf Jahren dafür interessiert hättest, wie es uns geht, dann wüsstest du auch, wie ich aussehe, Papa!“, sagte Lucas wütend.
Betreten sah Frank ihn an. „Ich verstehe ja, dass du sauer auf mich bist. Ich habe mich damals wirklich nicht richtig verhalten. Aber die Trennung von deiner Mutter ist mir nahe gegangen....“
„Ja, sicher!“, murmelte Lucas und konnte sich nicht mehr vorstellen, dass ihm dieser Mann einmal nahe gestanden hatte.
Frank und Lucas Mutter Anita waren zusammen gekommen, als er vier Jahre alt gewesen war. Jahrelang hatten sie als eine Familie zusammen gelebt und Lucas hatte ihn nach einer Weile sogar „Papa“ genannt.
Doch dann, Lucas war damals elf Jahre alt gewesen, hatten Frank und Anita sich getrennt und seitdem war der Kontakt vollkommen abgerissen.
Frank lebte mittlerweile, verheiratet und Vater einer kleinen Tochter, in Berlin. Und jetzt besuchte er also seine Tante.
„Welche Tante besuchst du denn? Tante Emma?“, erkundigte sich Lucas und Frank nickte. „Ja, du erinnerst dich sicherlich auch noch an sie. Ich habe dich ja manchmal mitgenommen, wenn ich sie besucht habe.“
„Ja, daran erinnere ich mich noch,“ antwortete Lucas. Er hatte sich bei Franks Tante Emma stets gelangweilt, da diese stundenlang kein anderes Thema kannte als ihren Dackel Willy.
Frank zögerte einen Augenblick, ehe er sich zu einem Vorschlag durch rang. „Was hältst du davon, wenn wir uns jetzt in ein Café setzen? Ich lade dich zu einer Cola ein und wir unterhalten uns!“
Dann lachte er. „Aber Cola magst du ja gar nicht! Früher war es immer Apfelsaft und zum Nachtisch ein Riegel Schokolade! Die hatte ich immer dabei und....“
„Ich weiß nicht so recht! Im Grunde genommen bin ich immer noch stinksauer auf dich,“ sagte Lucas, und Frank nickte.
„Das kann ich gut verstehen. Ich habe wirklich Mist gebaut. Ich habe oft an dich gedacht und dich vermisst. Das war auch für mich nicht immer einfach. Also, wie sieht es aus? Nimmst du meine Einladung an?“
Die Beziehung von Anita, Lucas'Mutter, zu dessen „Stiefvater“ Frank wurde bereits relativ zum Anfang der Geschichte schon einmal erwähnt.
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Dämonische Statuen - Teil II
Mystery / ThrillerDieses Buch ist der zweite Teil von "Dämonische Statuen". Aufgrund der Länge habe ich die Geschichte in zwei Bände aufgeteilt. Erneut geschieht Unheimliches, die Dämonen sind nicht wirklich verschwunden...