11. The Letter

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Ich rannte und rannte, wohin genau wusste ich eigentlich gar nicht.

Ich konnte noch immer nicht begreifen dass er fort war. Fort. Weg.
Vielleicht für immer.

Mir liefen die Tränen wie in Bächen von den Wangen und die Welt verschwamm vor meinen Augen.

Liebe Elena,
der Deal den du damals ausgehandelt hast, ist nicht mehr von Bedeutung.

Meine komplette Lunge brannte und meine Tasche behinderte mich extrem beim rennen, doch ich blieb nicht stehen.

Ich muss untertauchen.

Ich rempelte ein paar Leute an, doch ich entschuldigte mich nicht. Ich rannte einfach weiter, ich hörte nur  wie manche mir wütend hinterherriefen dass ich gefälligst aufpassen soll.

Es wurde anscheinend ein Kopfgeld für mich ausgesetzt

Wieso? Wieso passiert das? Wieso hat er mich nicht mit genommen?

Ich weiß nicht, wann oder ob wir uns wiedersehen werden, aber ich hoffe es.

Ich blieb keuchend stehen.
Jeder Atemzug schmerzte so unglaublich, dass ich dachte, jeden Moment würden meine Lungen  platzen.
Doch ich brauchte Luft.
Ich lehnte mich gegen den Zaun hinter mir, den Kopf in meinen Nacken gelegt.

Bitte such nicht nach mir, ich will nicht dass du in Schwierigkeiten gerätst.

Ace Brief hielt ich immer noch fest umklammert in meiner Hand.
Eine ältere Frau kam an mir vorbei und musterte mich besorgt.
Ich Zwang mich zu einem kleinen Lächeln und nickte ihr zu.
Ihre Falten wurden an Mund und Augen tiefer, als sie es erwiderte.

„Geht es dir wirklich gut Liebes?“

Ich schluckte und sofort stiegen wieder die Tränen in mir hoch.
Nein, es ging mir alles andere als gut.

Es tut mir leid, du musst jetzt nie wieder zu Sam. Du musst nie mehr wegen mir leiden.

In Liebe,
dein Ace Jenkins.

Hastig wischte ich mir die Tränen weg und schniefte kurz.

„Ich muss jetzt weiter“

Damit rannte ich wieder los ohne mich noch mal zu der alten Dame umzudrehen.
Bestimmt war sie jetzt enttäuscht von mir.

Natürlich ist sie das.

Ich versuchte diese Stimme in mir zu ignorieren und drängte sie irgendwie bis in die letzte Ecke meines Kopfes zurück.

Ich wollte nicht alleine sein.
Ace war der einzige Mensch bei dem ich mich immer Sicher gefühlt habe, bei dem meine Welt für kurze Zeit in Ordnung war.
Und jetzt war er gegangen.
Ohne mich.
Und ohne dass ich mich richtig verabschieden konnte.

Was, wenn wir uns wirklich nie wieder sehen würden?

Ein plötzliches stechen in meinem Arm riss mich aus meinen Gedanken.
Ich wurde langsamer und krempelte so vorsichtig es ging meinen Ärmel hoch.
Durch den Verband war wohl frisches Blut durchgesickert, denn dort bildete sich ein immer größer werdender roter Fleck.

Ich stöhnte innerlich auf und formte mit meinen Lippen ein tonloses "Fuck"

Ich hörte mein Handy vibrieren und stopfte Ace Brief in meine Tasche, während ich danach vergeblich versuchte mein Telefon heraus zu Fischen, ohne den Anruf zu verpassen.

Es war Tony, einer von Ace Freunden.
Vielleicht wusste er irgendwas.
Vielleicht war Ace wieder aufgetaucht.
Mit großen Augen und rasendem Herz hob ich ab.

          

„Tony? Ist irgendwas passiert? Weißt du was neues von Ace?"

Meine Worte überschlugen sich fast vor Aufregung.
Doch die Stimme die mir antwortete, war nicht von Tony.

„Elena? Hier ist nicht Tony, ich bins, Liam. Er hat mir sein Handy kurz geliehen damit ich dich anrufen kann, ich hab ja deine Nummer nicht. Aber ist ja auch egal, wo bist du? Geht es dir gut?“

Ich war ein bisschen enttäuscht, dass nicht die Person dran war, die ich mir erhofft hatte, aber warum sollte es auch schon was neues geben? Ich war vielleicht erst eine halbe Stunde weg.
Und warum fragten mich alle, ob es mir gut ginge?
Mein bester Freund ist verschwunden, wie soll es mir da bitte gehen?!
Mich machten diese Fragen wütend.

„Nein, Liam. Mir geht es nicht gut. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich hab wichtigeres zu tun als mit dir zu plaudern“
Ohne ihm noch irgendeine Reaktions Zeit zu geben, legte ich auf.
Sofort bereute ich was ich gesagt hatte und biss mir auf die Lippen.

Ich war wirklich verdammt unfair.

Ich steckte mein Handy wieder weg und ging langsam weiter. Mein Arm schmerzte, doch ich ignorierte ihn so gut es ging.

Ich konnte nicht mal richtig auf wiedersehen sagen, er war jetzt einfach fort.
Er wusste es würde ein Abschied sein, doch ich dachte wir sehen uns in der nächsten Pause.
Wieso habe ich das nicht bemerkt?
Ich kannte ihn schon so viele Jahre und doch habe ich nichts unternommen und das obwohl mir komisch zumute war.
Ich wusste das irgendwas mit ihm anders war, und trotzdem hatte ich ihn gehen lassen.

Und jetzt würde ich ihn vielleicht nie wieder sehen.

Ich blieb stehen.
Hier hin hatten mich meine Füße also getragen, zu dem Gebäude wo ich Heute Morgen noch mit ihm heraus gekommen war und dachte es würde ein normaler Tag werden,
Wie jeder andere auch.
Das Neubaugebäude sah noch trostloser aus als sonst, als hätte man einen schwarz/weiß Filter über die Landschaft gepackt.
Der Wind strich mir leicht durch meine ausgewaschenen Rosa Haare und ich schob sie hinter mein Ohr.
Dann ging ich auf das Gebäude zu.

Jenkins.

Mir kam es fast so vor als wäre Ace gestorben, so sehr tat es weh seinen Namen zu lesen und zu wissen dass er nicht da sein würde wenn ich klingelte.
Ich riss mich zusammen und griff so gut es ging in den Briefkasten, wo Ace immer seinen Schlüssel drin aufbewahrte wenn er ihn nicht mit hatte. Da die Briefkästen klein und nicht tief waren, war es nicht schwer da alles mit der Hand raus zu holen.

Nichts.

Egal wie lange ich hin und her tastete, ich wurde nicht fündig.
Ich seufzte enttäuscht.
Es wäre auch zu einfach gewesen.

Ich schürzte die Lippen.
Mein Blick wanderte von seinem Nachnamen zu denen seiner Nachbarn.

Vielleicht erinnerte sich ja einer von ihnen an mich.
Ich klingelte.

„Ja hallo?“
Eine raue Männerstimme tönte durch die Sprechanlage und sofort fing ich an zu zittern. Ich kniff meine Augen zusammen.

Bleib ruhig, niemandem ist geholfen wenn du jetzt Panik bekommst.
Vor allem nicht Ace.
Es ist nur ein Mann, ein ganz normaler Mann.

Ich schluckte, versuchte ruhig zu atmen.

„Wer ist da?“ fragte die Stimme nochmal nach.
Ich fasste meinen Mut zusammen während ich meine Hände nervös knautschte.

„Ich... Ehm also... Ich bin eine Freundin von Ace... Elena...“

„Ach so, die kleine von Ace. Ja gut, ich lass dich rein. Er ist aber nicht da, aber der Junge lässt immer irgendwie seine Tür offen. Irgendwann klaut man ihm noch was“

Ohne dass ich wirklich Zeit hatte mich zu bedanken, kam der Ton der mir ermöglichte die Tür zu öffnen und ich trat ein.
Ich stapfte die Steinstufen hoch, bis ich an seiner Wohnung angekommen war.
Wie der Mann bereits vermutete hatte, war die Tür zu Ace Wohnung ein wenig offen.
Doch in diesem Moment war ich einfach nur froh, dass er so schusselig sein konnte.

Sein Duft strömte mir entgegen, alles roch nach ihm.
Ich sah zu dem Tisch, wo wir beide vor wenigen Stunden gesessen hatten und zu der Spüle, wo die noch nicht ab gewaschenen Teller standen die wir benutzt hatten.

Ich ging zu seinem Fenster und öffnete es.
Dann zog ich die kleine Packung aus meiner Tasche samt Feuerzeug und zündete mir eine Kippe an.
Ich zog tief ein, dann stieß ich den Rauch wieder aus.

„Wo bist du Ace?“

Er konnte mich nicht einfach allein lassen, denn er war mir genauso wichtig wie ich ihm.
Er war ebenfalls meine Familie, und ich hatte es ihm nicht gesagt.
Ich hab meine Chance verpasst.

Vor wenigen Wochen hatte ich ihm gesagt, dass ich ihm nicht seinem Schicksal überlassen würde, genauso war es immer noch.

Egal was auf dem Spiel für mich stand, ich musste ihn finden.
Und ich würde nicht aufgeben ehe dass hier alles vorbei war.

And Her Heart Is Falling Apart Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang