Zusammen

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Annabeth

,,Jetzt bleib endlich stehen!"
Ich packe ihn am Handgelenk und zwinge ihn zum Stillstand.
,,Magst du mir jetzt endlich sagen, was das da gerade war?" ,,Ignoriers einfach, Annabeth."
Er will weitergehen.
,,Perseus Jackson! Sieh mich gefälligst an und sag mir, worum es da gerade ging!"
Mein Mann zuckt zusammen. Er seufzt, dann dreht er sich langsam zu mir um.
,,Ich kann nicht, Annie."
Als ich Percys Gesicht sehe, würde ich ihn am Liebsten umarmen. Er weint, seine Augen sind rot und glasig. Ich greife nach seinem Arm. ,,Percy"
Der Sohn des Poseidon zieht mich an sich. ,,Ich kann es dir einfach nicht sagen, Annabeth." ,,Aber warum?"
,,Ich habe Angst davor."
Ich sehe zu ihm auf, sein Gesichtsausdruck wirkt gequält.
,,Ich habe  so sehr davor Angst, dass ich es dir einfach nicht sagen kann. Ich kann nicht mehr essen, seit ich es erfahren habe, bin ich komplett verspannt."
Besorgt sehe ich ihn an. Es gibt nicht viel, was ihn so fertig macht. Eigentlich fallen mir nur zwei Dinge ein. Was ist also das Geheimnis? ,,Was ist es Percy?"
Er seufzt verzweifelt, seine Hände beginnen zu zittern. ,,Annabeth..."
,,Komm schon. Ich weiß, ich mag nicht allzu psychisch stabil wirken, aber das verkrafte ich. Ich muss es wissen."
Er streicht mir über die Wange und küsst mich auf die Stirn. ,,Ich weiß, dass du nicht schwach bist, aber..." ,,Babe..."
,,Wir werden sterben. Wir müssen sterben, Annabeth." Ich zucke zusammen. Für einen Gott bedeutet der Tod nur eines...
,,Percy wovon redest du? Wir werden überleben. Wir haben geschworen, für unsere Kinder zu sorgen."
Er schüttelt langsam den Kopf.
,,Nein, du verstehst nicht, Annabeth. Wir müssen sterben, anders geht es nicht."

Ich betrete das warme Schlafzimmer. Mein Kleid habe ich gegen ein bequemes Nachthemd und meinen Morgenmantel getauscht, meine Haare sind noch nass von der Dusche. Sie sind sehr lang geworden, verleihen mir ein noch heiligeres Aussehen.
Mein Blick fällt aufs Bett. Er ist noch immer nicht hier.
Nachdem er mich nach der Hochzeit nachhause gebracht hat, ist Percy einfach weitergefahren.
,,Ich muss den Kopf freikriegen."
Dass auch ich nach dieser Hiobsbotschaft etwas Ablenkung gebrauchen könnte, hat er scheinbar vergessen.
Ich gehe aus dem Schlafzimmer, den Flur entlang. Im Haus ist es ungewohnt ruhig, niemand ist hier. Die Zwillinge sind bei Sally zuhause. Percys Mom hat schon früher die Hochzeit verlassen, weil sie morgen arbeiten muss. Sie hat die Zwillinge mitgenommen, weil Percy und ich eigentlich geplant hatten noch länger zu bleiben.
An der Treppe angekommen, sehe ich hinunter in die dunkle Eingangshalle. Noch immer keine Spur von ihm. Ich gehe nach unten und suche unseren Trainingsraum auf. Ein relativ großer Raum mit Waffen und Trainingsgeräten, der mit Turnmatten ausgelegt worden ist. Wütend ziehe ich meinen Dolch aus der Tasche meines Mantels und werfe ihn auf einen Trainingsdummy.
Dann schlage ich hysterisch auf ihn ein.
Das Schicksal hasst mich. Ich hasse das Schicksal. Ich will mein Leben zurück, will ein glückliches Leben.
Die Gewissheit, die ich nun habe; das mir nun offenbarte Schicksal wird mich nie wieder zur Ruhe kommen lassen.
Meine Fäuste dreschen auf den Dummy ein, verzweifelt schreie ich auf. Ich stelle mir die Schicksalsgöttinen vor, wie sie mich schelmisch angrinsen.
,,Ich hasse euch, ich hasse euch, ich hasse euch!"
Dann lasse ich mich weinend zu Boden fallen.

Irgendwann berührt jemand meine Schulter. Gereizt drehe ich mich weg. 
,,Wo warst du?"
Ich sehe ihn nicht an, lasse mein Gesicht in meinem Morgenmantel vergraben.
,,Es tut mir leid, Annie. Ich hätte dich nicht allein lassen sollen."
,,Gewiss, das hättest du nicht tun sollen."
,,Annabeth, ich konnte einfach nicht anders. Ich konnte in dem Moment die ganze Welt zum Einstürzen bringen. Ich hatte Angst dir wehzutun, musste einmal die Kontrolle loslassen." Ich seufze.
,,Das selbe gilt für mich, Percy. Trotzdem hätte ich deine Anwesenheit sehr gut gebrauchen können."
,,Es tut mir leid, Ann. Aber ich konnte nicht das Risiko eingehen, dir etwas anzutun."
Ich mustere ihn.
,,Babe, wir sind Götter. Es gibt nichts, was nicht wieder schnell verheilen würde. Sicher, nach dem neuen Gesetz können wir wieder sterben und müssen durch den Tartarus wandern, um wieder ins Leben zurückkehren zu können..."
Ich muss schlucken.
,,Aber du könntest mich nie umbringen. In dir ist eine Blockade, eine Blockade, die dich davon abhalten würde."
,,Verdammt, darum geht es hier nicht!"
In einer Bewegung dreht er Springfluts Kappe ab und schmeißt dann das Schwert durch den Raum. Geschockt sitze ich da, sage nichts. Percy steht auf, geht langsam durch das Zimmer.
Er greift nach seinem Schwert und sieht dann aus dem Fenster.
,,Entschuldige mich. Ich bin noch immer sehr... geladen."
Einen Moment lang herrscht Stille. Ich sitze auf dem Boden und reguliere meine unruhige Atmung, mein Mann sieht aus dem Fenster auf das Wasser und dreht nervös sein Schwert in der Hand herum. Irgendwann schluchzt er.
,,Ich weiß, dass es für deinen Körper nicht so schlimm wäre, wenn ich dich verletze. Doch für meine Psyche wäre es das Ende. Auch ich habe meine Ängste. Das ist eine davon. Seit mir aufgefallen ist, wie sehr ich dich liebe, habe ich Angst davor, dich zu zerstören. Ich fürchte mich davor, meine Kontrolle zu verlieren, dass ich komplett ausraste. Meine eigene Macht flößt mir Angst ein."
,,Percy..." ,,Ich hatte Angst davor, Vater zu werden. Als wir erfahren haben, dass du schwanger warst, war ich in dem Moment äußerst glücklich. Doch zugleich kam auch die Panik in mir hoch. Solch ein kleines, zerbrechliches Wesen konnte bei mir unmöglich sicher sein."
Er schluchzt erneut und wischt sich über die Wange.
,,Du bist ein großartiger Vater."
,,Bin ich das? Und selbst wenn, wer sagt, dass ich so bleibe? Gib es zu, Annabeth, auch du hast Angst vor mir. Du hast es gesehen. Du hast meine dunkle Seite gesehen. Damals im Tartarus. Ich weiß selber, dass sie da ist, das kann ich nicht abstreiten. Ich will nicht, dass sie zurückkommt, doch ich kann sie nicht aufhalten. Unser Leben macht mich wütend, die Moiren treiben mich in den Wahnsinn. Ich werde mich nicht zügeln können. Das lässt mich nicht schlafen, hält mich wach. Ich habe panische Angst vor mir selbst."
Ich springe auf die Beine und gehe zum Gott der Familie. Ich schlinge meine Arme um seine Taille und lege meinen Kopf auf seine bebende Schulter.
,,Wenn ich eins während meiner Therapie gelernt habe, dann ist es, dass man über seine Probleme reden sollte. Das sollten wir nun tun, wir sollten über unser neues Problem reden. Ansonsten frisst es uns auf, so wie es auch deine Ängste mit dir tun. Wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen, wir müssen vorbereitet sein. Wir müssen unser Schicksal akzeptieren und uns daran erinnern, für wen wir kämpfen. Percy. Uns besiegt nichts und zusammen werden wir auch das durchstehen."

Percy Jackson| Das prophezeite Kind Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt