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Während die Familie kuschelte trank ich tatsächlich das halbe Fass leer. Womit hatte ich das verdient? „Niala...", Nira stand auf und trat auf mich zu. „Mein Kind... meine süße, kleine Erstgeborene... ich habe dich lange missen müssen. Mich oft gefragt, wie du heute wohl aussiehst. Von den Tagen geträumt, als ich dich noch in den Armen hielt...", sie ging vor mir in die Hocke, nahm meine Hände in ihre Hand und strich mit ihrer freien Hand über meine Wange. Ich war zu betrunken um mich zu wehren. „Hab von dir geträumt, wie du wohl heute aussiehst. Stellte mir vor, dass du die Nase und das Kinn deines Vaters hättest, und ich behielt recht! Träumte von einer Tochter mit wilder Mähne! Mal mit kürzerem Haar. Mal mit längerem Haar. Träumte von einer zierlichen Frau bis hin zu einer wilden Kämpferin wie Wotan... Ich bin so stolz auf dich... aber dir fehlt doch am Ende die Mutter. Ich liebe dich, mein Kind. Lass mich bitte wieder Teil deiner Familie sein!", bat Nira. Ich starrte sie an. „Was wird es mich kosten?" „Was?" „Du willst doch was, Nira. Sei es materiell, emotional oder einflussreich. Aber du willst am Ende doch was.", brummte ich. „Wenn du es so sehen willst, Niala... Ja! Ich will etwas! Teil deines Leben sein! Du bist ein Halbdämon! Dein Vater zeigte dir alle Seiten eines Dämonen. Ich will dir die Seiten eines Menschen zeigen.", erklärte sie. Ich schnaufte tief durch. „Du verlangst viel von mir. Nira. Mehr, als du wohl glaubst." „Ich habe meine erstgeborene Tochter nach mir selbst benannt. Die Ähnlichkeit unserer Namen muss dir bereits aufgefallen sein." „Ist es. Und ich kann mir wohl kaum vorstellen wie es sich anfühlt, sein erstgeborenes Kind in den Armen zu halten. Aber... nun... du verlangst mir vieles ab und...", ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf. „Von dir verlange ich Akzeptanz, Nira. Sieh mich nicht wie Ora an, denn ich bin nicht wie meine Schwester. Ich bin ein Dämon. Ich bin ein Jäger." „Ich weiß... und... und ich akzeptiere das! Nur... diese Frau..." „Bella. Ja. Wenn ich es akzeptieren konnte kannst du es wohl auch! Ich habe schon lange ein Verhältnis mit Bella! Eine Verlobung war nie abwegig. Und ich gehe die Verbindung ein, die eigentlich Vater hätte eingehen müssen! Du hieltst ihn davon ab so muss ich nun dafür Buße tun!", brummte ich. Nira sah zu Boden und dachte nach. Dann sah sie mich mit feuchten, blauen Augen an. Wieso heulten hier grade alle? „In Ordnung, mein Kind!", bevor ich es mir versah war mir Nira um den Hals gefallen und weinte an meiner Schulter. Verwirrt legte ich meine Arme um sie und ließ sie weinen. Bei meinem nächsten Atemzug trieb es mir ihren Duft in die Nase... dieser Duft... er erinnerte mich an meine Kindheit. An den Teil, der schon lange verborgen schien. Er erinnerte mich an die Nächte, in denen ich noch über Wurzeln stolperte. Als ich noch eine halbe Portion war die nur mit Papa gehen durfte. Die heim kam und Mama stolz einen Hasen brachte. Sie sich von Mama die Pfoten mit warmen Wasser waschen lies und erst dann wieder in Menschengestalt ging um sich vor den Kamin zu setzen und beim Knistern der Flammen auf das Abendessen zu warten. Sanft vergrub ich meine Nase in Niras Haar und hasste mich kaum dafür, dass auch mir die Tränen kamen.

Nira und Vater waren ins Bett gegangen. Ora ebenso. Sie sagte, sie schlief schlecht ohne den Wolfsgeruch. So hatte ich ihr mein Bett angeboten. Ich roch nach Wolf also mein Bett ebenso. Ich ging in Gestalt eines Wolfes und rollte mich vor dem Kaminfeuer zusammen. Ich hatte keine Lust raus in die Kälte zu gehen. Ich würde noch viele Nächte neben Bella verbringen da brauchte ich in dieser nicht zu ihr. Sie könnte schon auf sich selbst aufpassen...

Ich war bereits im Schlaf, als ich Schritte hörte und aufsah. „Niala?", Ora tapste zu mir. Ich gab ein Brummen von mir und sie sah mich an. „Ich kann nicht schlafen... kannst du bei mir schlafen?", wollte ich wissen. Müde verwandelte ich mich zurück. „Bist du nicht etwas alt dafür, dass deine große Schwester bei dir schläft?", wollte ich wissen. „Aber du warst nicht da, als ich in dem Alter war.", bemerkte sie. Ich seufzte und trottete mit ihr mit. „Ich brauche den Wolfsgeruch...", gestand sie. Ich lächelte leicht. Das war ihre Dämonenseite. Diese Seite sehnte sich nach anderen Dämonen. Nach ihrem Blut, ihrem Duft. Ich verwandelte mich zurück in Wolfgestalt und wartete bis wir in meinem Zimmer waren. Dort hüpfte ich auf mein Bett. Ora warf das Kissen weg und ich verstand es. Ich rollte mich am Kopfende zusammen Ora legte sich hin und bettete ihren Kopf auf mir. Ich lehnte meinen Kopf an ihre Schulter und Ora strich mir über die Schnauze und über das kurze Fell zwischen meinen Augen und an meiner Stirn. „Das erinnert mich an was... aber ich glaube ich war zu jung um mich heut zu erinnern.", seufzte Ora. Ich brummte erneut. Ora seufzte und zog die Decke über sich. Sie trug eine meiner Stoffhosen und einen Wollpullover. Ebenso von mir. Die Sachen waren ihr zu groß. Ich schlief selten angezogen. Mir machte die Kälte nichts doch für Ora musste es hier wohl kalt sein. Sie vergrub ihre Finger in meinem Fell und auch ihre Nase. Ich lauschte ihrem immer ruhiger werdenden Atem. Wartete, bis sie eingeschlafen war und erst dann gestattete ich mir selbst in den Schlaf zu sinken.

Das süße Gift: Die Tochter des WotanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt