29 Tage.
So lange war es nun schon her, dass Lucien mich verlassen hat. Ich zählte die Tagen und teilweise auch die Stunden, als ob das irgendwie helfen würde. Wir hatten nur so wenige Tage zusammen verbringen können, doch selbst nach fast einem Monat fehlte er mir immer noch. Noch nicht mal von ihm gehört hatte ich. Zwar wusste ich durchaus, was er geplant hatte-was ich geplant hatte-, aber ich habe nicht mitbekommen, dass er seinen Vater schon umgebracht und dessen Platz eingenommen hatte.Der Tag an dem er mich verlassen hat war der Tag wo ich herausgefunden habe, dass der heutige Tag nicht mehr ganz so weit weg war. Meine Beförderung. Da ich zu keinem Moment damals gegen den Willen des Generals gehandelt hatte, hatten sie wiederum auch keinen Grund mir diese zu verweigern. Um ganz ehrlich zu sein, hatte ich mich an keinem einzigen Punkt mehr darüber gefreut Offizier zu werden. Es fühlte sich einfach nicht mehr richtig an. Meine Motivation war gesunken, da ich wusste, dass ich nicht gegen einen Rat rebellieren musste, welchen mein Geliebter-zumindest ehemaliger Geliebter-schon fast regieren würden, wenn er mal dazu kommt unseren Plan in die Tat umzusetzten.
„Kater, hörst du uns? Starrst einfach in der Gegend herum”, meinte Victors rauchige Stimme und befreite mich damit aus meinen Gedanken, „Seit dem er weg ist, bist du wirklich nicht mehr ganz hier, oder?”
Seitdem Lucien abgehauen ist, hat mir Victor erschreckend selbstlos geholfen. Als täte ihm irgendwas leid, oder, als ob er irgendwas von mir wollte.
Ich mochte es nicht.
Dennoch ließ ich es zu. Besonders in den ersten Tagen hatte ich irgendjemanden gebraucht, der mich zumindest etwas ablenkte und mir helfen konnte. Viele haben vermutlich angenommen, dass ich Lucien dafür hasste, denn sie hatten mir gegenüber entsprechend gehandelt. Vic hat fast schon sich benommen wie immer nur etwas freundlicher, und es war eine nette Abwechslung gewesen. Wenn ich ehrlich war, hasste ich Lucien noch nicht mal dafür. Ich weiß immer noch nicht wirklich, wie ich ihm gegenüber stand oder wie ich reagieren würde, wenn ich ihn wieder sehen sollte. Eigentlich bezweifelte ich, dass ich ihm feindlich gegenüberstehen würde, ebenso sehr wie, dass ich ihm erfreut um den Hals fallen würde.Vor mir stand neben Viktor noch eine junge Frau, welche in den nächsten Tagen meinen alten Posten übernehmen würde. Bisher kannte ich sie kaum, denn sie ist gerade erst zu mir gekommen um sich mir vorzustellen. Ich wiederum kannte nur ihren Decknamen. Tiger. Noch konnte ich noch nicht beurteilen ob dieser Name ihr gerecht wurde, aber das würde sich vermutlich bald ändern. Ihr eigentlicher Name interessierte mich jedoch genau so wenig wie ihr durchaus nicht schlechtes aussehen.
"Wer ist denn dieser er", fragte sie kurz daraufhin etwas zu neugierig für meinen Geschmack. In ihrer Stimme lag der markante Akzent den man nur im Süd-Westen des Landes finden konnte. Daher kam sie anscheinend. Vermutlich ist sie extra für ihre Beförderung hier hin gekommen, während ich noch nicht mal wirklich zugehört hatte, als man mir erklärt hat, wer sie überhaupt ist.Victor grinste geheimnisvoll und blickte mich an, als würde er darüber nachdenken, was er sagten sollte. Dies tat er wahrscheinlich auch. Sollte er ihr die ganze Wahrheit oder nur die offizielle Version. In vielen Fällen verwendete er zum Glück die letztere, aber wenn er genau wusste, dass es der jeweiligen Person irgendwann sowieso auffallen würde, oder ich offensichtlich nichts dagegen hatte, erzählte er auch gerne die ganze Geschichte. "Sein ehemaliger Schüler. Er hat sich an dem Tag, als Azad von seiner Beförderung erfahren hatte, aus dem Staub gemacht. Den Grund kenne noch nicht mal ich, aber es wird wohl einen guten Grund geben, oder Kater?" Er hat sich also nur für die halbe Wahrheit entschieden.
"Der Grund geht euch gar nichts an", meinte ich grimmig und nahm ein Schluck Wasser. Eigentlich könnte ich durchaus was stärkeres gebrauchen und das Wasser war auch noch etwas verschmutzt, aber ich sagte mir immer wieder, dass ich mich selbst nur hassen würde, wenn ich morgen wieder Geschichten davon hören würde, was ich nicht alles getan hatte. Als Lucien verschwunden war, habe ich in der ersten Woche öfter zur Flasche gegriffen, aber irgendwann hat Victor meinen gesamten Alkohol Vorrat entsorgt und hat darauf geachtet, dass ich nicht mehr zu viel trank. Mittlerweile hatte ich selbst begriffen, dass es so vermutlich besser war.
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Lynx&Lion - The Elite
Teen FictionBand 2 der Lynx&Lion- Reihe ________________________ Lucien und Azad verfolgen immer noch den selben Plan: Den Sturz der Elite. Doch sie stehen nun auf unterschiedlichen Seiten. Während Lucien die Rebellion verlassen hat und zur Elite zurückgekehrt...