1 - Streitigkeiten

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Flink und leise wie eine Katze pirscht sie durch den Wald, ihre Äxte fest in der Hand, nur das Ziel im Blick.
Eine gnadenlose Jägerin ist meine Schwester.

Still hocke ich im hohen Gras und sehe ihr zu, beobachte, wie sie sich dem Reh nähert, das friedlich grast.
Kurz wiegt sie die Axt ab, ehe sie ausholt und mit einem kräftigen Wurf auf das Reh zielt. Gespannt halte ich den Atem an, es kann grade noch erschrocken aufschauen, ehe es zu Boden geschleudert wird.

Es ist sofort tot.

Mit einem Grinsen im Gesicht schlendert meine Schwester auf ihre erlegte Beute zu, locker und entspannt.
Ich selbst erhebe mich aus meinem Versteck und gehe zu ihr.
„Weißt du Schwester, es wäre doch wesentlich einfacher, wenn du einen Bogen benutzt, anstatt deiner Äxte."
Mit einem schmatzen zieht sie ihre Axt aus dem Kopf des Rehs und ich verziehe leicht das Gesicht.
„Und nicht so blutig"
Doch sie verdreht nur die Augen, beginnt mit routinierten Handgriffen das Reh zusammen zu binden.

„Natürlich, aber meine Waffe ist nun mal die Axt. Das wird sich auch nicht ändern."

Seufzend beginne ich ihr zu helfen und hebe schließlich das tote Tier auf meine Schultern. Vorsichtig verlege ich das Gewicht, achte darauf das die vorher gesammelten Kräuter nicht zerquetscht werden.
Nachdenklich beobachtet meine kleine Schwester mich, während ich mich langsam in Bewegung setze.

„Weißt du Ria, du solltest auch eine Waffe wählen und kämpfen lernen.", beginnt sie vorsichtig das immerwährende Thema anzuschneiden und ich beginne schneller zu gehen.

„Das werde ich nicht, also hör auf mich damit zu nerven"

Kurz schnaubt sie, doch bleibt still, schon oft genug haben wir deswegen gestritten.

Sie sieht nicht in meine Richtung, beginnt an ihrer Lippe zu beißen und ihre Äxte fester zu nehmen.

Ich weiß es macht sie wütend, dass ich die einzige unserer Familie sein werde, ohne die Male eines Kriegers.

Sanft halte ich sie an dem Arm zurück und sehe zu ihr runter.

Ihre grauen Augen, fast perfekte Duplikate der meinen, starren mir wie Dolche entgegen.

„Nia, ich weiß deine Hilfe zu schätzen, wirklich. Aber ich bin keine Kämpferin."

Seufzend lasse ich sie los und richte das Reh auf meinen Schultern.
„Du und Cáel seid es."
„Na und? Du kannst es auch sein, wir könnten gemeinsam unsere Male erhalten! Du wirst die einzige sein die keine Besitzt."

Kopfschüttelnd beginne ich weiter zu gehen, den altbekannten Weg, den wir schon oft gemeinsam gegangen sind und fast genauso oft haben wir uns auf diesen gestritten.

Und immer über dasselbe Thema.
Mit eiligen Schritten holt sie zu mir auf und läuft vor mir her. Ihr Haar liegt wirr, Strähnen fliegen ihr vor das Gesicht, gezeichnet von dem Dreck des Waldes.

„Ich könnte deine Male wählen und du die meinen. Die Zeremonie zusammen halten."

Sie hält mich an beiden Armen fest, schaut mir tief in die Augen. Ein warmes Lächeln legt sich auf ihr Gesicht, ihre Augen sehen fast schon träumerisch aus.

„Du bist meine Schwester und ich will das es auch so bleibt."

Stumm sehe ich sie an, nehme sanft ihre Hände von mir.

„Auch ohne Male, bleibe ich deine Schwester, Niamh"

Schnell entzieht sie sich mir, runzelt ihre Augenbrauen und starrt mich nieder.

KriegsmaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt