Ein niemand

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„Kurz nach dem Niedergang der Alten Welt stiegen die streunenden Götter zu uns herab. Sie besaßen unglaublich mächtige Kräfte, mit denen sie bestimmte Teile der Natur bewegen konnten.

Unter ihnen gab es einen, der die Macht des Mondes besaß. So vertrug er aber die Gegebenheiten Eridymeons nicht, und flüchtete zum Mond, begleitet von seinem treuen Gefährten, dem Mondhasen.

Doch mit der Zeit wurde er einsam, und beschloss, sich jemanden zu erschaffen, der ihm immer gute Gesellschaft leisten würde: einen Mann aus Mondstein.

Doch dieser Mann verhielt sich nicht so, wie er sollte. Dachte für sich selbst. Der Mond Gott verbannte die Seele, die den Körper aus Mondstein bewohnt hatte, und er wurde zu einer Puppe aus weißem Porzellan.

Traurig über diese Wendung brachte das Mondhäschen den leblosen Körper an einen Ort auf dem Mond, an dem er immer von der Sonne berührt werden würde, auf dass er irgendwann erwachen werde.

Doch das tat er nicht.

Der Mond Gott war wieder einsam. Tag für tag blickte er auf Eridymeon herab, bis er eines Tages Kinder auf einer Wiese spielen sah.

Und mit einemmal fasste er einen grauenvollen Entschluss: Er entführte Kinder, löschte ihre Erinnerungen und zog sie als seine eigenen auf. Doch sobald sie volljährig wurden verließen sie ihn aus Neugier für Eridymeon.

Und noch heute tut er das. Die Kinder des Mondes nennen ihn Duine sa Ghealaich, den Mann im Mond, und erzählen seit jeher diese Geschichte, mit der Hoffnung, dass irgendwann jemand kommt und dem inzwischen alten Mann hilft. Denn er ist nicht böse, nur sehr, sehr einsam."

Die Kinder hatten den Atem angehalten, um alles aufzusaugen, was der alte Mann ihnen erzählte. Dieser war sehr stolz auf sich selbst, bis sein Blick auf ein junges, rothaariges Kind fiel, das verdrossen Karten mischte und mit ein paar besoffenen Halunken um einen kleinen Stapel Golddublonen spielte.

„Kind, war meine Geschichte nicht gut genug für dich?"

„Doch, sie war ganz interessant, aber mich interessieren die Fakten etwas mehr. Und diese Herren hier geben mir Informationen, wenn ich gewinne."

„Und du glaubst du kannst das?"

„Wenn nicht, kann ich sie immer noch für ihr Wissen bezahlen."

„Bestechung?!" Rief der alte leise aus.

„Sh, sowas sagt man doch nicht!" Grinste das Kind. Die braunen Augen funkelten im Schein des Feuers golden.

Es war früher Abend, und die Menschen befanden sich in recht heitere Stimmung. Die Halunken ließen hin und wieder unterschwellige Beleidigungen und Informationen in das übliche Geplänkel des Kartenspiels einfließen, um dem Kind das Geld aus den Taschen zu ziehen.

Der alte Mann sah aufmerksam zu. Das Kind wusste offensichtlich, was es tat.

„Kind, woher hast du das ganze Geld?"

„Ich lasse dich gerne glauben was du möchtest, aber ich habe es nicht gestohlen, falls du das andeuten möchtest."

Dem alten wurden die Augen groß. Dieses Kind war wahrlich nicht normal.

„Wie heißt du, Kind?"

„Ich bin Nemo."

„Mh. Ich habe dich hier noch nie gesehen. Woher kommst du?"

„Du bist aber neugierig, alter Mann."

„Das ist notwendig, wenn man gute Geschichten finden will."

„Soll ich etwa das Thema deiner nächsten werden?"

„Wenn du nichts dagegen hast."

Nemo lachte leise. Das Kind hatte während dem Gespräch immer noch weiter gespielt. Aber nach weiteren 20 Minuten hörte es auf.

„Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?"

„Wer weiß..."

„Du wirst mit jedem Satz geheimnisvoller."

„Ob das gut oder schlecht ist kannst du gerne selber entscheiden."

„Du hast kein Geld mehr. Soll ich dir was leihen?"

„Ne, lass mal stecken."

Die nächsten Tage sah der alte Mann Nemo immer wieder in dem kleinen Dorf. Er fand heraus, dass das Kind nicht von dort war, aber in den letzten paar Jahren um genau die gleiche Zeit aufgetaucht war. Und angeblich brachte das Kind denen, mit denen es gesprochen hatte, Glück.

Allerdings nahmen die Leute an, dass es ein Geist oder ähnliches wäre, weshalb sie sehr vorsichtig blieben.

Nemo brachte an diesen Tagen viele weiße Lilien mit, das Symbol der Darker Königsfamilie. Die Lilien legte das Kind an bestimmte Orte, auf einige Gräber und gab sie denen, die im letzten Jahr einen geliebten verloren hatten.

„Kind, bist du ein heiliger?"

„Ich? Nie im Leben!"

„Wegen den Lilien?"

„Sie gewähren das Recht auf Wiedergutmachung."

„In den Darker Lands, aber nicht hier."

„Doch, auch hier. Aber hier glauben die wenigsten an Vergebung."

„Kind, kann es sein dass du... ein Darker bist?" Flüsterte der alte.

„Wie kommst du denn da drauf?"

„Darker werden von uns Menschen oft für Monster gehalten. Doch dabei vergessen wir, dass auch sie ursprünglich mal Menschen waren. Selbst die Monster in den Darker Lands sind keine richtigen Monster.

Aber dass wissen die Darker nur, weil sie so vergebend und friedlich sind. Sie haben so viele verschiedene Rassen, und doch keinen Rassismus. Fast eine ideale Gesellschaft.

Und du klingst älter als du aussiehst, zumindest von der Art wie du sprichst."

„Dyura sei mit dir, aber ich bin niemand, der einfach so seine Geheimnisse verrät. Dazu gehört auch meine Spezies. Wenn du Wert auf Dyuras Segen legst, dann lass mich einfach."

„Dyuras Segen - Glück auf deinen Wegen, ja ja..."

Am nächsten Tag tauchte das Kind nicht auf, und auch danach nicht mehr. Der alte Mann lies seine Begegnung mit Nemo zu einer Geschichte werden, in der er einem Boten Shyrs begegnete.

EridymeonWhere stories live. Discover now