03 | Mauerblume III
„(Nachname), Sir! Der Name ist (Nachname)!", hilfst du dem Gedächtnis des Hauptgefreiten auf die Sprünge, zuerst lediglich in einem Anflug von Verunsicherung, dann, zum Ende hin, mit fester Stimme, erhobenen Hauptes und in stolzem Salut. Wie sehr dir das militärische Training unlängst in Fleisch und Blut übergegangen ist, bemerkst du nur am Rande, während du aufmerksam das Gesicht deines Gegenübers studierst, indes deine Faust zurück an deine Seite sinkt und sich die Muskulatur deiner Hand lockert.
Dir ist bewusst, dass der Schwarzhaarige in Mimik und Gestik nur schwer zu lesen ist. Er zeigt sich ohne Ausnahme undurchschaubar und distanziert. Manch einer würde behaupten, er wäre ein ziemlich übler Geselle. Von unfreundlich über maulfaul bis hin zu gruselig – im Laufe der Zeit ist dir schon so manche Bezeichnung deiner Kameraden übel aufgestoßen. Aber Angriff ist ja bekanntlich die beste Verteidigung und manchmal muss man eben in die Offensive wechseln – sprich: Den Unwissenden mit der Faust der Gerechtigkeit auf die Sprünge helfen.
Mag sein, dass dich das nicht bei allen beliebt gemacht hat und auch die Sanktionierungen wegen Ungehorsams, wenn wieder irgendeine Pfeife meinte, petzen zu müssen, hatten es nicht selten tierisch in sich. An das Strafstehen, in jeder Hand einen Blecheimer, gefüllt mit jeweils zehn Litern Wasser, denkst du noch heute nur ungern zurück.
Aber das ist es wert gewesen.
Er ist es wert.
Sollen die anderen doch reden. Auf dich wirkt Levi Ackerman seit dem magischen Moment eurer ersten Begegnung so anziehend und verlockend wie ein mystischer Code aus einer anderen, längst vergangenen Zeit, der unumwunden danach verlangt, bestaunt, entschlüsselt und gelesen zu werden.
Dass zumindest Letzteres noch immer dahingestellt bleibt, wird allerdings mit jedem Augenblick, den ihr einander in die Augen seht, klarer. Du, abwartend und erwartungsfroh. Er, verheißungsvoll – die Betonung liegt auf heiß – und mit einem Funkeln des Argwohns in seinen Iriden. Von seiner porzellanenen Gesichtshaut, gerahmt in seidiges Schwarz, den sich abzeichnenden Muskelpartien unter seinem Shirt und der anmutigen Silhouette seines Adoniskörpers ganz zu schweigen ...
Und da ist er wieder, der Wackelpudding in deinen Knien, gefolgt von stockenden Atemzügen und dem drängenden Speichel in deinen Mundwinkeln, den du kaum mehr zurückhalten kannst.
„Kadettin (Nachname)", wiederholt er langsam, Silbe für Silbe. Seine Worte und das vorausgehende Zögern lassen erahnen, dass ihn die Erkenntnis deiner Identität noch immer nicht wie ein Donnerschlag getroffen hat, was den Pudding aus deinen Knien aufwärts bis in deinen Rachen treibt, wo er sich als zähe Masse festsetzt.
Du schluckst gegen das Gefühl an, während sich ein Gedanke in deine Hirnwindungen bohrt und droht, dich um den Verstand zu bringen. Der Gedanke, dass Levi Ackerman – Inhalt deiner Tag- und Nachtträume, Grundlage einer jeden Kohlezeichnung in deinem Spind, dein baldiger Gatte, Vater deiner Kinder, Liebe deines Lebens – von dir, deinem Namen, deiner Existenz, dem Klang deiner Stimme, dem Glanz in deinen Augen, dem Duft deiner Haare ... bisher nicht einmal Notiz genommen hat.
Dein Magen surrt zusammen, als hätte ein Titan seine Faust darum geschlungen, bereit, dir mit einem Ruck sämtliche Organe, inklusive deines hektisch pumpenden Herzens, herauszureißen. Du hast ja gewusst, dass die Blumen gegen dich sind. Aber scheiße – muss sich denn gleich das ganze verschissene Universum gegen dich richten?
Die Erkenntnis erschüttert dich, sodass du nicht imstande bist, zu antworten, als du erneut zur Erklärung des Gänseblümchenmassakers angehalten wirst. Zwar öffnet sich dein Mund, doch anstelle von Worten, die den Sachverhalt zu schildern vermögen, kriechen dir Tränen in die Augen. Betrübt senkst du deinen Blick. Deine Schultern sinken herab und du könntest schwören, dass du mindestens eine Handbreit kleiner geworden bist.
„Lassen wir das." Schweigen tritt ein. Stille dröhnt in deinen Ohren. Zumindest bis der Hauptgefreite tonlos hinterherschiebt: „Ist ja nicht so, als würdest du das zum ersten Mal machen. Schon klar, worauf das hinausläuft."
Seine Worte lassen deinen Blick hochschießen, als hätte er dir einen Befehl um die Ohren gehauen, während das Herz in deiner Brust stolpert, sich in seinem Rhythmus überschlägt und brühende Hitze in wallenden Impulsen in deine Wangen pumpt. Dein Mund öffnet sich aufs Neue, aber die Worte selbst explodieren einzig im Stillen in deinem Schädel – zuerst stockend, in unzusammenhängenden Silben, dann in einem niemals abreißenden Fluss panischer Aufregung, sodass du am ganzen Körper zu zittern beginnst. Denn – heilige Scheiße! Er weiß es?! Weiß von deinem täglichen Blumenorakel? Weiß, dass du ihn-
„Krieg dich ein, Weib", gibt er von sich, aber der plötzliche Anflug eines Funkelns, das aus dem grauen Meer seiner Iriden auftaucht und wieder verschwindet, noch bevor du dir sicher bist, dass es tatsächlich dagewesen ist, straft seine Teilnahmslosigkeit Lügen. „Wenn du nicht nur Augen hierfür hättest", er neigt seinen Kopf, deutet auf das Hügelgrab aus ausgerupften, verstümmelten und zu Teilen zerstampften Gänseblümchen, „dann hättest du sicher längst geschnallt, was Sache ist."
Dir fällt die Fassung aus dem Gesicht. „Was ... Sache ist?", wiederholst du seine Worte wie in Trance. Unglauben zeichnet deine bebende Flüsterstimme. Vor deinem geistigen Auge siehst du bereits, wie er sich zu dir beugt, wie sich seine Lippen schürzen, während sein Blick den deinen einfängt und nicht wieder loslässt, bis er eure Münder in einer Intensität jenseits von Himmel und Erde vereint hat und-
„Mach die Augen auf, dummes Ding. Es gibt nur eine logische Schlussfolgerung für die Blicke, die Kirschstein dir wie ein liebestoller, räudiger Kater hinterherwirft."
Deine Hoffnung zerfällt mit einem Schlag. Kirschstein?! Sein gottverdammter Ernst?! Oh Herr im Himmel, hilf! Was hast du im Leben nur falsch gemacht, um das zu verdienen?
~ 900 Wörter (T̶̶r̶̶i̶̶p̶̶l̶̶e̶̶-̶̶D̶̶r̶̶a̶̶b̶̶b̶̶l̶̶e̶̶,̶̶ ̶̶i̶̶n̶̶ ̶̶d̶̶e̶̶n̶̶ ̶̶d̶̶i̶̶e̶̶ ̶̶A̶̶u̶̶t̶̶o̶̶r̶̶i̶̶n̶̶ ̶̶e̶̶e̶̶e̶̶t̶̶w̶̶a̶̶s̶̶ ̶̶z̶̶u̶̶ ̶̶v̶̶i̶̶e̶̶l̶̶ ̶̶D̶̶e̶̶t̶̶a̶̶i̶̶l̶̶ ̶̶&̶̶ ̶̶D̶̶r̶̶a̶̶m̶̶a̶̶ ̶̶g̶̶e̶̶b̶̶u̶̶t̶̶t̶̶e̶̶r̶̶t̶̶ ̶̶h̶̶a̶̶t Oneshot)
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Es hat sich ausgedrabbelt, ihr Lieben. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Mich hat es ganz schön gepackt, als ich mir Gedanken gemacht habe, wie ich Levi in dieser Situation darstellen könnte und euer Feedback zu den letzten beiden Kapiteln hat sein Übriges getan.
Mensch, ehrlich, habe ich verpasst, dass sämtliche Feiertage zusammengelegt wurden oder so? So fühlt es sich nämlich an, wenn ich nur an eure Rückmeldungen denke. Tausend Dank an alle meine Leser und Leserinnen, eure Votes und Kommentare – das war schlicht und ergreifend umwerfend!
Ja, das war nun der dritte und letzte Teil von »Mauerblume« und ich hoffe sehr, er hat euch ebenso gefallen. So im Nachhinein irgendwie seltsam, wie ich das Ganze in 300 Wörter packen wollte. Noch einmal aufteilen wollte ich es schlussendlich allerdings auch nicht. Irgendwann müssen wir Reader-chan und Levi ja auch mal in andere Settings werfen, richtig? Außerdem glaube ich, ich habe euch in den drei Kapitelchen nun genug gequält. Fürs Erste zumindest. :D
♡
~ RememberTh1sMoment
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Schattenlichtjäger [Levi Ackerman x Reader • Drabble-Sammlung]
FanfictionOhne Licht kein Schatten ─ ohne Schatten kein Licht. Und dazwischen? Der Zusammenklang von Farbenspielsymphonien und der Melodie deines Herzschlages, vereint zu einem einzigen Augenblick, der sich als Erinnerung manifestiert. [Drabble- & Oneshot-Sam...