Doofe Fuchs-Instinkte

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Es verwunderte mich nicht, dass ich sie sehen konnte. Thestrale hatten die besondere Eigenschaft, dass sie nur von Menschen gesehen werden konnten, die jemanden sterben gesehen haben. In all den Jahren beim Zirkus hatte ich so einige Tierwesen sterben sehen. Manche an Krankheit, manche an Altersschwäche. Dies reichte aus.

Aber dass ausgerechnet der rothaarige Weasley Junge sie sehen konnte, überraschte mich doch. Die Familie hatte bis jetzt nicht den Eindruck gemacht, dass einer der beiden jemanden sterben gesehen hat.

Und falls doch, hätte ich das eher Bill, dem Älteren zugetraut, und nicht dem sommersprossigen und fröhlichen Charlie.

Doch da sass er vor diesen Pferden, ohne jeden Anflug von Angst. Er lockte sie sogar mit Fleischbrocken zu sich heran und streichelte sie. Dabei achtete er jedoch darauf die fledermausartigen Flügel nicht zu berühren. Aus Erfahrung wusste ich, dass sie das nicht ausstehen konnten. Wir hatten nämlich mal welche bei uns im Zirkus gehabt, und als ich sie an den Flügeln streicheln wollte, waren sie sehr aufgebracht.

Eigentlich wollte ich mich leise zurückziehen, doch eines der Fohlen wurde auf mich aufmerksam und wieherte erschrocken. Dabei versteckte es sich eilig hinter einem erwachsenen Tier. Wohl die Mutter des Fohlens.

»Was ist denn da?« fragte Charlie mit sanfter und beruhigender Stimme das Fohlen. Leise und etwas ungeschickt erhob er sich und lief direkt auf mich zu. Meine menschlichen Instinkte sagten mir, ich sollte laufen. Und zwar so schnell wie ich konnte. Meine Fuchs-Instinkte zogen es jedoch vor, stehen zu bleiben. Sie hofften wohl darauf, dass wir so mit dem Wald verschmelzen würden.

Charlie sah mich natürlich. Doofe Fuchs-Instinkte. Da lobte man ständig die Gerissenheit von Füchsen, und wie unglaublich schlau sie doch seien. Aber hier stand ich. Ein dummer, dummer Fuchs, welcher nicht gerannt war, als er noch konnte.

»Ach, das ist ja nur ein Fuchs. Vor dem musst du dich nicht fürchten. Du bist doch viel grösser und stärker als er.« beruhige er das Fohlen, liess den Blick jedoch nicht von mir weichen.

Es überraschte mich wirklich, das er keine Angst vor mir hatte. Oder vor den Thestralen. Oder vor dem verbotenen Wald in welchem er sich aufhielt. Alles hätte ihm gefährlich werden können. Vor allem ich, mit meinen scharfen Zähnen und Klauen. Oder etwas anderes, aus den untiefen dieses Waldes.

Langsam, vorsichtig und vor allem komplett ruhig hielt er mir die Hand mit einem Stück Fleisch hin.

Es ekelte mich zwar immer noch, rohes Fleisch zu verzehren, aber meinem Fuchskörper gefiel es und meinem Fuchsteil auch. Dieser hatte momentan wohl die Kontrolle über sämtliche Aktionen, denn ich bewegte mich ganz ohne mein zutun auf ihn zu und schnappte ihm das Fleisch weg. Zufrieden grinste er und hielt mir die Hand weiter hin.

Jeder normale Fuchs wäre jetzt gegangen. Aber wenn ich ihm schon nicht sagen konnte, das ich eine Maledicta war, so konnte ich mich in meiner anderen Erscheinungsform wenigstens mit ihm anfreunden. Was war schon dabei? Und um ehrlich zu sein, fand ich es ungeheuer beruhigend, am Kopf gestreichelt zu werden.

Lange hatte ich es nicht ganz verstanden. Ich hatte sowohl einen menschlichen Verstand, aber auch einen füchsischen. Die meisten meiner Taten wurden von beiden beeinflusst. Manchmal war jedoch der eine, oder andere stärker. Ob das bei allen Maledici so war wusste ich nicht. Bei mir war es jedenfalls so.

Langsam schnupperte ich an seiner Hand, ganz das wilde Tier mimend. Dann drückte ich sanft meine Schnauze dagegen und er wirkte ziemlich erfreut darüber. Wahrscheinlich hatte er nicht oft mit so zutraulichen Füchsen zu tun.

Das Fohlen von vorhin hatte sich nun auch näher heran getraut und schnaubte mir entgegen. Als ich darauf nicht reagierte stupste es mich an und rannte ein paar Schritte weg.

Lissa - das Fuchsmädchen (Maledictus Fanfiktion)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt