20. Entführung

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Die rothaarige Polizistin saß gefesselt und geknebelt in der Mitte der Lagerhalle.
Meine Oma hatte mich hergebracht. Nicht so ruppig, wie an meinem 16. Geburtstag, doch anscheinend war die Absicht dahinter dieselbe. Wieder hatte ich eine Waffe in der Hand. "Erschieß sie!", befahl meine Oma.
"Nein, ich werde nicht schießen."
"Erschieß sie! Zeig allen, dass du würdig bist mein Erbe zu sein."
"Ich will dieses verdammte Erbe nicht!", brüllte ich und die Welt wurde grau.
Meine Oma hob ihre Waffe. "Schieß oder ich werde es tun!", kreischte der schwarze Schatten mit den leuchtend roten Augen. Ich zielte auf den Schatten.
Ihn sollte man töten, nicht die Frau in den Fesseln!
Ich drückte ab.
Traf keinen.
Schoss wieder.
"Er ist durchgedreht!", schrie der Schatten. Die Tür wurde aufgerissen. Neue Schatten stürmten rein, andere Schatten.
"Er hat eine Waffe!", rief einer von ihnen. Sie hatten auch Waffen, was machte es also?
Ich hielt die Pistole noch immer auf den Schatten mit den roten Augen gerichtet, bereit abzudrücken.
Die anderen Schatten sagten irgendwas, meine Pistole schwang in ihre Richtung und ich schoss vor ihnen in den Boden.
"Schießt!", brüllte ein komische Schatten.
Plötzlich ging eine andere Tür auf und es wurde heller.

"Nicht schießen!", schrie ich und stürzte vor Ivaris. Jetzt standen die Polizisten mit ihren gezogenen Waffen vor und Ivaris mit einer gezogenen Waffe hinter mir. Wenn auch nur einer abdrücken würde...
"Was wird das hier?", fragte ich die Hexe wütend und entdeckte die rothaarige Polizistin.

"Gehen Sie von ihm weg", rief der komische Schatten, "er ist gefährlich!"
Nein, der Engel durfte nicht weg gehen. Ich zielte an ihm vorbei auf die komischen Schatten. Jetzt war mir auch klar, weshalb sie komisch waren.
Sie waren graue Schatten, nicht schwarze.

"Ist er nicht und jetzt nehmen Sie die Waffen runter." Ich drehte mich um und schob mich wieder vor den Lauf von Ivaris Waffe. All das erinnerte an den Mord an seinem Großvater, nur dass damals keine Polizisten in den Raum gekommen waren.

"Aber er...", begann der Polizist. Ich ließ die Waffe sinken.
Engel erschoss man nicht, ich hatte mir irgendwann mal geschworen nie auf ihn zu schießen. Ich konnte zwar keinen klaren Gedanken fassen, aber das war mir immer wichtig gewesen.

Ich atmete erleichtert auf als Ivaris die Waffe sinken ließ. "Gib sie mir!", sagte ich leise und mit fester Stimme. Zitternd streckte ich die Hand danach aus, gleichzeitig versuchte ich alle Beteiligten im Auge zu behalten.

Ich ließ die Waffe fallen. Er hatte mit mir geredet und war anscheinend nicht sauer. Mit Tränen in den Augen sah ich zu seinem Gesicht auf. "Grischa", wimmerte ich.

Ich schob die Waffe mit dem Fuß weg und hielt ihn an der Schulter fest. "Du hast es gleich überstanden. Halte dich einfach an mich und sieh dich nicht nach den anderen um."
Dann wand ich mich zu den Polizisten um. "Helfen sie ihrer Kollegin, ich erkläre es ihnen draußen."

Ich klammerte mich an ihn. Er war mein Fels in der Brandung. Inzwischen weinte ich, ich wollte hier weg.
Weg von den Schatten.

Ich legte ihm die Arme um die Schultern, um ihn vor den Blicken der anderen abzuschirmen und verließ mit ihm die Scheune. Draußen fiel er in sich zusammen wie ein Häufchen Elend, doch ich hatte nicht wirklich die Chance mich um ihn zu kümmern, da stand plötzlich jemand vor mir.

Ich sackte in mich zusammen. Es war noch immer nicht wieder normal geworden, die Welt um mich. Was war heute anders als sonst?

Ich sah auf.
Vor mir standen nicht nur die Polizisten, sondern auch die Hexe. Na jetzt war ich gespannt, was sie für eine Geschichte auspackte.

"Er ist durchgeknallt und wollte ihre Kollegin töten!", kreischte der rotäugige Schatten.
"Nein...", flüsterte ich und schüttelte vehement den Kopf.
"Wir sind hergekommen um ihn aufzuhalten, sobald wir davon erfahren haben."
Lüge!, schrie mein Gehirn.

Todessee -Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt