11. Kapitel

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Aric war schweigend abgestiegen und hatte sie beobachtet, doch Anna ignorierte seinen Blick. Sie setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm und atmete kontrolliert aus.

Das letzte, was sie wollte, war, dass er ihre Schwäche erkannte. Ja, sie fühlte sich grauenvoll und jede Bewegung schmerzte, doch sie biss die Zähne zusammen und setzte eine unbekümmerte Miene auf.

Sie hatte ihn getäuscht. Zum ersten Mal seit Jahren hatte sie wieder ihre Magie angewandt und hatte ihre Verletzungen verborgen. Aric konnte nur frisch verheilte Wunden sehen. Ein Trugbild, das sie heraufbeschworen hatte, wohl wissend, dass er sie sonst nicht mitgenommen hätte.

Anna war davon ausgegangen, dass ihre Heilung weiterhin schnell voranschreiten würde, doch stattdessen bestätigten sich Arics Befürchtungen, sie sei nicht erholt genug für eine solche Reise. Sie war das Reiten nicht gewohnt und es forderte nicht nur Kraft, sondern auch ihre Konzentration. Abends fiel sie vor Erschöpfung fast vom Pferd, doch selbst der Schlaf verwehrte ihr die ersehnte Erholung. Von lebhaften Träumen gequält, fühlte sie sich morgens wie gerädert. Ihre Kraft schwand. Schleichend, aber unübersehbar. Auch Aric war das aufgefallen, obwohl sie versuchte es so gut wie möglich vor ihm zu verbergen.

Sie spürte seinen Blick auf ihr ruhen, doch sie sah ihn nicht an. Nach einigen Minuten erhob sie sich und stieg wieder aufs Pferd. Jeder Muskel protestierte dagegegen, als sie sich wieder in den Sattel zog und sie biss gequält die Zähne zusammen. Dann wandte sie sich Aric zu.

„Wir sollten nicht so viel Zeit vertrödeln, oder? Lass uns versuchen, so weit wie möglich zu kommen bevor es dunkel wird."

Aric musterte sie nachdenklich und sie hielt seinem forschenden Blick stand. Dann wandte er sich um und bestieg ohne ein weiteres Wort sein Pferd.

Zufrieden ihn überzeugt zu haben, trieb sie ihr Tier neben ihn und sie ritten schweigend nebeneinander her.

Nach einigen Stunden wurde am Horizont eine Gebirgskette sichtbar. Aric deutete darauf.

„Das sind die Ausläufer des Grenzgebirges, Heimat der Riesen. Sie wohnen aber weit hinter den ersten Kämmen. Für Menschen ist diese Gegend unerreichbar."

Anna schaute beeindruckt das Gebirge an und versuchte sich vorzustellen, wie weit es wohl über den Horizont hinausreichte.

„Haben es denn schon Menschen versucht?"

„Ja, aber wir wissen nichts Genaues darüber. So viel ich weiß ist keiner von ihnen jemals zurückgekehrt."

Anna schauderte.

„Was liegt hinter dem Gebirge?"

„Sandwüste. Dort leben die Lonaarer. Ihre Heimat ist nur mit dem Schiff erreichbar, aber es gibt trotzdem viel Handel zwischen unseren Ländern."

Aric deutete wieder auf den Horizont.

„Das ist unser Ziel."

Sie erschrak.

„Das Gebirge?"

„Ja, dort leben die Krieger."

„Bei den Riesen?", fragte sie ungläubig.

Er lachte.

„Natürlich nicht. Wir leben nur am Rande der Berge. Wie schon gesagt, sind sie fürMenschen unüberwindbar."

Anna verfiel wieder in Schweigen. Sie dachte über etwas nach, das sie schon die ganze Reise über beschäftigte. Eigentlich war der Gedanke schon aufgekommen, als Amon wieder von ihrem Schwert angefangen hatte und dass sie lernen solle es zu führen. Anna wusste nicht woher ihre plötzliche Entschlossenheit kam, aber sie wusste, sie würde dafür kämpfen, Kämpfen zu lernen. Sie würde eine Kriegerin werden. Sie hatte Aric gefunden und sie hatte ihn außerdem überzeugt sie mitzunehmen. Jetzt waren sie auf dem Weg zur Kriegerfeste, zur Feste im Riesengebirge. Lächerlich, dass sie sich davor fürchtete, wo sie doch selbst in den Bergen groß geworden war. Sie würde noch einigem standhalten müssen, wenn sie ihren Entschluss durchsetzen wollte.

Das Erbe der schwarzen KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt