Dusty Rose mehr so sicher, ob das die richtige Entscheidung gewesen war.
Ihre Tasche hatte sie bereits am Eingang abgeben müssen, was ihr jedoch nichts ausgemacht hatte. Schließlich diente das alles nur zur Sicherheit des Landes.
Dusty Rose wollte gar nicht wissen, aufgrund welcher Verbrechen der Rest der Insassen eine jahrelange Strafe absitzen mussten.
Was sie beunruhigte, war die Stille. Sie hörte niemanden reden, nur immer mal wieder Schritte oder Geräusche, wenn Türen mit einem lauten Klick aufgeschlossen würden.
Sie gelangte an den Schalter, zu dem man sie geschickt hatte. Dort saß eine etwas pummelige Frau, die Anfang vierzig sein musste und eine Brille auf der Nase trug. Ihr Gesicht wurde augenblicklich freundlicher, als sie Dusty Rose erblickte. Nein, von dem jungen Mädchen ging keine Bedrohung aus, musste ihr durch den Kopf gehen.
„Was kann ich für sie tun?"
Dusty Rose stützte sich an der Wand ab und beugte sie ein Stück zu ihr. „Ich würde gerne zu Adam Brighten, bitte."
Die Frau, auf deren Namensschild Melinda Cross stand, tippte mit flinken Fingern etwas in ihren Computer ein. „Sie sind seine Tochter, habe ich recht?"
Es überraschte Dusty Rose, dass sie das gefragt wurde, aber wahrscheinlich mussten sie immer prüfen, in welcher Beziehung man mit dem Insasse stand. Sie wünschte, sie wäre niemals in solch eine Situation gekommen.
„Ja", antwortete sie kurz angebunden.
Melinda Cross deutete auf einen Mann, der gerade auf sie zu kam. Er trug dieselbe Uniform, wie schon die anderen Mitarbeiter des Gefängnisses, denen Dusty Rose zuvor begegnet war. Obwohl der Mann sehr groß und muskulös war, wirkte er nicht ganz so abschreckend auf sie wie seine Kollegen. Diese hatten sie immer kritisch gemustert, als erwarteten sie, Dusty Rose würde sie sofort mit einer Pinzette angreifen.
„Folgen Sie bitte Mr. Michaels", sagte Melinda Cross und wandte sich wieder ihrem Computer zu.
Dusty Rose setzte sich gehorsam in Bewegung. „Danke."
Sie ging hinter dem Mann her, der gelegentlich einen Blick zu ihr nach hinten warf. Seine vielen Schlüssel an seinem Gürtel klimperten bei jedem seiner Schritte.
„Ihre Tasche haben Sie bereits abgegeben?", wollte er mit ausdrucksloser Stimme wissen. Seine blauen Augen fixierten sie prüfend.
„Ja."
Sie betraten einen kleinen Raum, in dem ein grauer, langer Tisch stand, ohne Stühle. Er deutete darauf.
„Bitte legen Sie sämtliche Wertsachen, die Sie an ihrem Körper tragen, ab. Ketten, Ohrringe, Mobiltelefon. Alles, was beim Metalldetektor zum Problem werden und womit man Menschen verletzen könnte." Er ratterte diese Sätze herunter, als hätte er sie schon tausende Male gesagt. Hat er ja auch, korrigierte Dusty Rose.
Ihre Tasche hatte sie zwar abgegeben, doch eine kleine Tüte mit den selbstgebackenen Plätzchen ihrer Großmutter hatte sie in den Händen behalten. Sie wollte nicht quer durch den Raum laufen und sie auf dem Tisch abstellen, da sie sich bereits sehr beobachtet fühlte. Also legte Dusty Rose die Tüte sie vor sich auf den Boden.
„Ich wusste nicht, dass man Menschen mit Ohrringen umbringen kann", merkte sie unsicher an. Ihre Hände zitterten ein wenig, als sie ihre rosenförmigen Ohrstecker herausnahm.
Mr. Michaels zuckte die Schultern, während er mit verschränkten Armen da stand. „So gut wie alles kann als tödliche Waffe verwendet werden, aber es wird besser sein, wenn sie nicht viel darüber nachdenken, Miss Brighten."
Sofort lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken, also versuchte sie an etwas anderes zu denken.
Ein weiterer Mann betrat den Raum. Mr Michaels hob die Plätzchentüte auf und reichte sie dem fremden Mann.
Dusty Rose legte ihre Halskette und die Ohrringe auf den Tisch, sowie ein paar Haarspangen, die sich noch in ihrer Hosentasche befunden hatten. Sie wollte kein Risiko eingehen, denn sie konnte sich zu gut vorstellen, dass sie in ihnen auch eine Waffe sehen würden.
„Sie bekommen die Plätzchentüte wieder, wenn sie kontrolliert wurde", sagte Mr. Michaels.
„Was soll damit nicht stimmen?" Dusty Rose befürchtete, diese Frage nach seiner Antwort zu bereuen.
Er nahm ein Gerät, das Ähnlichkeit mit einem Handstaubsauger hatte und kam auf sie zu. „Es könnten kleine Werkzeuge, Drogen und solche Dinge darin versteckt sein. Arme ausstrecken."
Dusty Rose befolgte seinen Befehl und streckte sie von sich. Skeptisch beobachtete sie, wie er sie am ganzen Körper absuchte, sie aber kein einziges Mal richtig berührte. Professionalität gefiel ihr in dieser Situation.
Nachdem sie Kontrolle bestanden hatte, ließ sie ihre Wertsachen in dem Raum zurück und folgte wieder Mr Michaels. Auf dem Weg kam ihnen der andere Mann entgegen und reichte ihr die Plätzchentüte wieder. Dusty Rose dankte ihm, bemerkte dann aber, dass ungefähr die Hälfte der Plätzchen komplett zerbröselt waren.
„Na super", murmelte sie.
Mr Michaels schloss die Tür auf, vor der sie angekommen waren.
Sofort begann ihr Herz vor Aufregung wild zu schlagen. „Ist er da drin?"
„Ja."
Sie schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Ihre Hände zitterten wieder und ihre Knie wurden weich.
„Ihr erster Besuch, hm?", fragte Mr Michaels mit etwas Mitleid in der Stimme, was die erste emotionale Regung war, die er bis jetzt gezeigt hatte.
Dieser Anflug von Menschlichkeit beruhigte sie ein bisschen.
Dusty Rose' Großmutter hatte ihren Vater schon oft besucht, doch für sie war es komplett neu. Noch nie in ihrem Leben war sie in einem Gefängnis gewesen.
„Mr Brighten fragt oft nach ihnen. Wartet auf Briefe." Diese Worte ließen Dusty Rose aufhorchen und prompt meldete sich ihr Gewissen.
Und plötzlich betrat sie den Raum, noch völlig weggetreten.
Mr Michaels blieb neben der Tür stehen. „Nicht zu viel Körperkontakt, Sie bleiben auf ihren Plätzen und versuchen am besten keine Dummheiten zu machen."
Dusty Rose nickte leicht. Auf der anderen Seite des Raumes stand ein weiterer Gefängniswärter, der sich keinen Zentimeter bewegte.
Dann wagte sie einen Blick in die Mitte des Raumes, wo sich ein Tisch mit jeweils einem Stuhl auf jeder Seite befand.
Dort saß er. Ihr Vater Adam.
Ihre Blicke trafen sich und Dusty Rose setzte sich in Bewegung.
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I'll Be Home For Christmas
Short StoryJahrelang hat Dusty Rose die Briefe ignoriert, die sie in regelmäßigen Abständen bekommt. Zu sehr tut es ihr weh, Kontakt mit der Person aufzubauen, die sie verletzt und alleine gelassen hat in den Momenten, in denen Dusty Trost am meisten gebraucht...