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„Wo müssen wir hin?" Pax hält sich direkt neben mir, so wie er es sich schon seit einer ganzen Weile angewöhnt hat, während Ian vor uns läuft. Travis haben wir Zuhause gelassen, doch wir beide wollten unbedingt mit. „Wir sind gleich da.": erwidert Ian leise. „Warte es ab... Und verhaltet euch ruhig. Sie können nicht weit sein..." Beinahe lautlos gehen wir durch die dunklen Bäume. Nur das Rauschen des Windes in den Blättern um uns herum und ein gelegentliches Aufleuchten von Glühwürmchen zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich. Aber wir sind nie allein. Es ist das erste Mal seit ein paar kurzen Wochen, dass wir unser derzeitiges Versteck verlassen. Doch die Zeit wird knapper und auch Ian sagt jetzt, dass wir etwas Handfestes brauchen. Und das hoffen wir hier zu finden.

„Da vorne ist es.": hören wir es leise von ihm und mein Blick gleitet nach vorn. „Wow...": entfährt es mir leise und ich sehe zu dem Gebäude, was mitten zwischen den Bäumen vor uns in die Höhe ragt. Es sieht aus, als wäre es um einen der Bäume herumgebaut worden und es ist mir ein Rätsel, wie es hält. Ich kann das Rauschen eines kleinen Flusses hören, der hier vorbeifließt und den wir wenig später über eine kleine Brücke passieren. „Was ist das hier?... Wir sollten nicht zu lange hier bleiben, sonst finden sie uns.": höre ich Pax leise neben mir sagen, doch da dreht sich Ian mit einem kleinen Lächeln um. „Hier braucht ihr euch keine Sorgen machen. Die nahe Umgebung des Hauses ist von einem Bann beschützt. Keiner, den wir hier nicht haben wollen, kann ihn durchbrechen oder bekommt mit, was innerhalb der Grenze passiert."

Da wird Pax hellhörig und sieht mit größeren Augen zu ihm. „Ein Bann? Eine Art Schutzwall?... Das hört sich an wie..." Ians Lächeln wird nur größer, während unsere Schritte leise vom Boden widerhallen. „Ja. Ich habe ihn mit ihr zusammen erstellt, als ich noch jünger war. Solange ich noch da bin... ist es der Bann auch." - „Mit ihr?": fragt Pax noch, aber da kommen wir schon an der kleinen Holztür am Fuße des riesigen Baumes an und Ian dreht sich von uns weg, um anzuklopfen. Sie? Er hat uns kein Wort davon gesagt, was uns hier erwartet. Für ein paar Sekunden lauschen wir in die Stille der dunklen Nacht, die nur durch wenige, kleine Lichter an dem großen Haus erhellt wird. Mein Blick schweift zu Pax neben mir, als er ebenfalls in meine Richtung sieht. Doch ich sehe auch in seinem Blick nur Verwirrung. Und dann... öffnet sich plötzlich die Tür.

Ich sehe schnell wieder nach vorn, während mein Herz etwas schneller schlägt und mich die Nervosität einholt. Dann sehe ich, wen wir hier besuchen. „Ian. Pax und Raiza. Ich habe euch schon erwartet." - „Neira. Schön, dich wiederzusehen." Ich beobachte, wie Ian lächelnd eine junge Frau umarmt, die wohl hier wohnt. Das erste, was mir auffällt, sind ihre voluminösen, braunen und stark gelockten Haare, sowie ihre dunklen, großen und durchblickenden Augen. Irgendwie ist sie... respekteinflößend. „Kommt rein.": höre ich es dann bald und zusammen gehen wir langsam durch die Tür. Sie schließt sich hinter uns und ich sehe mich zögerlich um. Der Raum, den wir betreten, ist ziemlich klein. Viele Schränke, dunkles Holz, es ist insgesamt sehr dunkel hier drin. Lediglich wenige Kerzen erhellen die Umgebung.

„Wir wollten dich um Rat fragen. Es wäre schön, wenn du uns helfen könntest.": fängt Ian ruhig an und geht mit Neira zu einem kleinen Holztisch, der am Rande des kleinen Raumes steht. So füllt er schon einen Großteil des Zimmers aus. „Ich weiß.": ist nur Neiras Antwort, ehe sie mit einem kleinen Lächeln auf den Tisch deutet. Ihr schlauer Blick betrachtet uns genau. Das macht mich ziemlich nervös. Kurz sehe ich zu Pax hinüber, dann setzen wir uns, gemeinsam mit Ian, an den kleinen Tisch. „Ich weiß, wieso ihr hier seid." Neira geht ein paar Schritte weiter und stellt ein paar Gläser auf ein Tablett, um es dann zu uns zu bringen. „Ich bin schon eine Zeit lang bereit. Ihr habt lange gebraucht." Ruhig stellt sie das Tablett auf den Tisch, welcher jetzt fast ausgefüllt ist. Dann setzt sie sich dazu.

„Wir müssen vorsichtig sein. Wir werden immer noch verfolgt." Ihr Blick fliegt zu Ian, welchen sie jetzt genau ansieht. „Hm... Ja, die Schatten und die Aufspürer lauern überall. Hinter jeder Ecke warten sie..." Ich weiß noch nicht, was ich von ihr halten soll. Sie ist so geheimnisvoll und... irgendwie mysteriös. „Neira. Kannst du uns helfen? Du weißt, worum es geht." Immer noch spricht nur Ian mit ihr und das ist mir auch recht. Doch sie stellt nur die Gläser vor uns und weicht seinem Blick aus. „Du bist groß geworden, Ian. Dein Sohn auch, ich habe ihn eine Weile aus den Augen verloren." Sie sieht zu Pax hinauf und ich kann bis hierhin spüren, dass er die Situation ebenfalls verwirrend findet.

Was meint sie damit?... Ian bleibt erst einmal still, weshalb ich mich jetzt aus Neugier zu Wort melde. „Du hast ihn aus den Augen verloren? Wie meinst du das?" Da schaut sie direkt zu mir, doch ich bin auf ihre durchschauenden Augen vorbereitet. Sie antwortet mir auch gleich langsam. „Meine Fähigkeiten funktionieren nur in dieser Welt... Ich kann nichts sehen, wenn er sich nicht hier aufhält." Sie ist für einen Augenblick still und sieht mich nur nachdenklich an. „Von dir habe ich auch sehr lange nichts mehr gesehen. Es ist eine Ewigkeit her." Bei dem Satz kehrt meine Nervosität zurück. „Gesehen?... Wie...?..." - „Sie ist sozusagen eine Wahrsagerin.": meldet sich da Ian zurück und sieht zu mir herüber. „Sie weiß, was hier vor sich geht. Und vor allem bei uns hat sie immer aufgepasst, weil wir uns früher kannten. Deswegen...", sein Blick schweift wieder zu ihr, „... hoffe ich, dass du uns sagen kannst, wie es weiter geht. Neira, wir haben nicht ewig Zeit. Bitte."

Da atmet sie nur einmal durch und schließt ergeben ihre Augen. „Okay. Meinetwegen. Ich wusste ja, was geschieht."

Eteria - Die RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt