Joy
16. Das Gefühl, gesagt zu bekommen, dass sein eigener Bruder Leukämie hat, ist nicht zu beschreiben. Ich fühle mich, als würde ich in ein tiefes Loch fallen und nie unten ankommen. Ich stehe einfach nur da und starre den Arzt ungläubig an, dass kann nicht sein. Ich kann das noch gar nicht realisieren. Mein Bruder, der kleine süße Leon soll Leukämie haben? Das darf einfach nicht sein! Warum Leon? Wieso gerade mein Bruder? Nie hätte ich gedacht dass er mal Krebs bekommen könnte… Wieso sollte ich auch an so etwas Schreckliches denken? Leon… unser armer kleiner Leon. Ich spüre wie ich anfange, den Ernst der Lage zu realisieren und mir kullern Tränen die Wange herunter. ,,Kann… kann man ihn heilen?“ stammele ich leise und sehe den Arzt traurig an, der nur bedauernd den Kopf schüttelt. ,,Höchstens durch eine Knochenmarkspende… aber da müssen wir erst einmal einen geeigneten Spender finden und das wird nicht leicht und kann Monate dauern.“ Antwortet er und Ilka fragt: ,,Hat sich der Krebs schon weit ausgebreitet?“ ,,Nein. Er ist noch relativ klein, aber es kann auch sehr schnell gehen dass er wächst, aber auch langsamer. Das ist bei jedem Patienten anders, Krebs ist eine unberechenbare Krankheit, man weiß so gut wie nie, was als nächstes Eintritt.“ Entgegnet er und Ilka nickt nur stumm. Unsere Mum schlägt nur die Hände vors Gesicht und heult und schluchzt eine Ewigkeit, bis Dad sie schließlich raus bringt. Sie ist fix und fertig, was ich aber vollkommen verstehen kann. Wir verabschieden uns vom Arzt und gehen kurz zu Leon, der inzwischen wach ist und sich riesig freut, dass wir wieder da sind. ,,Bin ich schlimm krank?“ fragt er und Ilka und ich sehen uns kurz an, schütteln dann aber die Köpfe. Wir unterhalten uns noch ein bisschen mit ihm und er versucht uns aufzuheitern, da er sagt, dass wir traurig aussehen, was ja auch stimmt, aber das kann er ja nicht wissen. ,,Wir haben ihn angelogen…“ murmelt Ilka nach dem wir sein Zimmer verlassen haben, in dem er ein paar Tage zur Beobachtung bleiben muss und ich nicke stumm. ,,Wir hätten ihm doch nicht die Wahrheit sagen können… dass er wohlmöglich bald…“ Nein. Ich will das nicht laut aussprechen, ich kann es nicht, sonst würde ich ja einsehen, dass es wirklich bald passiert, aber wir müssen einfach hoffen, dass es nicht eintritt. Allein der Gedanke daran bringt mich schon um.Ilka
,,Nein, sag das nicht.“ Rufe ich ziemlich wütend. Anscheinend glaubt Joy schon, dass Leon wirklich… Aber es gibt noch Hoffnung. Die Knochenmarkspende. Hoffentlich findet sich ein geeigneter Spender, sonst ist Leon verloren. Ich kann nicht daran denken, ich muss mich irgendwie ablenken. Joy und ich laufen wieder in die Kantine, diesmal bekommen wir unser Essen herunter, obwohl es uns nicht wirklich besser geht als davor. Doch der Hunger inzwischen ist zu groß. Um nicht weiter an Leon zu denken, was mir echt schwer fällt, rufe ich kurzentschlossen Eren an. Ich erzähle ihm was passiert ist und er ist geschockt, obwohl er Leon nicht mal kennt, nur von Fotos. ,,Soll ich zu dir kommen?“ fragt er und ich stimme zu. Das wäre wirklich eine gute Ablenkung wenn Eren da ist, ich würde dann nicht immerzu an Leon denken, sondern an ihn. Die Fahrt hierher dauert nicht einmal lange, wenn sie sehr lange dauern würde, dann hätte ich nicht zugestimmt, er soll sich nicht nur wegen mir solche Umstände machen, obwohl das für ihn kein Problem wäre meinte er.Schließlich stehe ich am Bahnsteig, wo Erens Zug jeden Moment kommen müsste. Nachdem wir im Krankenhaus waren, sind wir nach Hause gefahren. Niemand von uns hat viel gesprochen, im Auto herrschte eine Bedrückte Stimmung. Meine Eltern haben zum Glück sofort zugestimmt, als ich sagte das Eren kommen will, sie werden sowieso die ganze Zeit im Krankenhaus sein, aber ich halte das nicht aus, Leon immer an diesen ganzen Schläuchen angeschlossen zu sehen. Das macht mich echt fertig, aber ein Glück habe ich Eren, der jetzt gerade aus dem Zug steigt und mir fröhlich zuwinkt.
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Geschwisterliebe
Teen FictionIlka und Joy sind Zwillinge, die verschiedener nicht sein könnten. Die eine selbstbewusst, ehrgeizig und selbstverliebt, die andere schüchtern und zurückhaltend. Es heißt das Gegensätze sich anziehen, doch die zwei Mädchen sind wie Feuer und Wasser...