Der Montag kam für Andie schneller als gedacht, hatte sie die letzten Tage damit verbracht ihrem Vermieter dabei zu helfen den nun frei gewordenen Platz in seiner Garage noch ordentlicher zu gestalten und gleichzeitig mal zu schauen ob dieses Auto von dem alten Herrn noch zu gebrauchen war oder ob der Mann vergeblich daran tüftelte. Auch mit seinem Sohn Ling hatte sie schnell eine Art Freundschaft aufgebaut, sah man den Mann eh schon sehr selten da er viel auf seiner Arbeit in einem Konzern fest steckte und dort die Finanzen regelte.
Heute jedoch war es der Wecker den sie von dem Japaner bekommen hatte der die Frau unachtsam aus ihrem Schlaf zog, der sowieso schon geplagt von Albträumen war. Würde sie hier wirklich das neue Leben aufbauen können das sie wollte oder würde sich ihr verrückter Ex Boss doch die Mühe machen sie über den großen Teich hinweg zu verfolgen? In den USA war es einfach, das Land war zwar riesig aber bot genug Freiraum um einen Ex Junkie wie sie es damals war zu suchen ohne das man groß dafür was ausgeben musste.
Ja, Andie hatte nicht die beste Vergangenheit gehabt, hatte ihrem neuen Boss verschwiegen das sie erst seit einem Jahr clean war und das auch bleiben wollte. Was es bedeutete Drogen zu nehmen und mit ihnen zu dealen war etwas das Andie in ihren jungen Jahren schnell gelernt hatte, genauso was es bedeutete das zu tun was von einem verlangt wurde.
Nie wäre sie auf die Idee gekommen das sie mal das Blut ihres besten Freundes an sich kleben hatte doch auch heute war es wieder dieser Traum, das Blut das sich auf ihrem Gesicht verteilte das sie aufschrecken ließ. Keuchend und nach Luft ringend sah sich die Schwarzhaarige in der kleinen Wohnung um, bemerkte das sie die Sicherheit dessen genoss und begann sich zu beruhigen während sie sich auf der Klappcouch setzte.
Würde das Trauma je ein Ende haben?
Langsam nahm sie die Wasserflasche bei ihren Füßen und begann daraus zu trinken, der Hunger war ihr sichtlich vergangen.
Ein prüfender Blick auf den Wecker auf dem Tisch ihr gegenüber ließ ihr deuten das sie noch eine knappe Stunde hatte und folglich nur die Dusche ohne Haare waschen drinnen war.
Eine knappe halbe Stunde später verließ Andie schon die Wohnung, ihren dunkeln Rucksack wie immer mit dem nötigsten auf den Schultern und machte sich schon auf den Weg zu Han.
In ihren Gedanken versunken fiel ihr jetzt erst auf das sie gerade mal den Vornahmen ihres Vorgensetzen kannte, nicht einmal ein Nachname und das machte sich bestimmt nicht gut. Sie nahm sich vor heute zumindest bei seinen anderen Freunden oder Angestellten nachzufragen wie er denn komplett hieß und schon stahl sich ein kleines lächeln auf ihre Lippen.
Sie hatte einen Job, eine Aufgabe und würde nicht mehr nur herum gammeln oder schnorren müssen.
Durch dieses kleine Glücksgefühl kam ihr die überfüllte U-Bahn voller Schüler nicht einmal beklemmend vor und mit einem guten Gefühl stieg sie aus, dribbelte die Stufen nach oben und machte sich auf den Weg zu der Werkstatt.
Dort angekommen schien sie allerdings die Einzige zu sein die dort war, sah es nicht nur sehr einsam aus, sondern war es auch verdächtig still.
War überhaupt schon jemand hier und wenn ja wo war dieser jemand? Sie hatte mit Han nur die Zeit ausgemacht und die war in wenigen Minuten, doch ausgerechnet von dem Mann war weit und breit nichts zu sehen.
Leise seufzte Andie, klopfte vorsichtshalber noch einmal laut auf dem Deckel eines Fasses um sich anzukündigen und schritt langsam weiter.
Irgendwo musste doch jemand zu finden sein mit dem sie sich besprechen konnte.
„Wer ist da?“ hörte man auf einmal eine Stimme aus der oberen Etage und mit ihrem Rucksack in den Händen schritt Andie nach oben, dank der Chucks nicht schwer und somit schnell.
In einem Sessel sah sie allerdings nur Alden der offenbar auch noch nicht lange da zu sein schien.
„Hi, ist Han schon da?“ fragte Andie nach und sah zu wie der Mann sich über die Glatze fuhr und anschließend noch einmal ums ich sah.
„Ähh bestimmt aber.. der wird noch schlafen schätz ich. Aber hatte mir gesagt das der Silvia dort hinten ist.. oh und das du da schon drüber sehen kannst wie viel noch zu retten ist.“ erklärte Alden und nahm eine Flasche vom Boden um zu studieren ob es sich hierbei um etwas alkoholfreies handelte.
„Okay... hier scheint ja gestern ordentlich die Post abgegangen zu sein.“ versuchte Andie dennoch erst einmal den Smaltalk aufrecht zu halten und nahm ebenfalls eine Flasche nach oben um die japanischen Zeichen zu entziffern. Das sie mit dem Mann vor sich auf englisch sprach schien keinen zu verwundern und war Andie sogar deutlich lieber als die ganze Zeit nicht sicher zu sein ob sie bestimmte Aussprachen richtig verstanden hatte.
„Ohh ja.. aber so ist das nun mal. Da drüben durch den Gang durch ist doch schon der Club. Und jeden Abend kommen ein paar der Gäste auch hier her. Also wenn Han sie lässt. Meistens sind es-“ begann Alden doch unterbrach Andie ihn schon lächelnd unterbrach.
„Lass mich raten Mädchen mit Arsch und Titten? War mir irgendwie schon klar. Also nicht das ich jemanden verurteile deswegen, jeden wie ihn beliebt.“ sagte Andie und stellte die Flasche wieder ab.
„Ich mag dich immer mehr Kleine.“ grinste Alden aufgrund ihrer Aussage und hielt Andie schon im nächsten Moment die Faust hin, gegen die Andie ihre leicht schlug.
„Aber mal ne andere Frage nicht das ich mich beim Big Boss blamiere. Hat euer Han eigentlich auch nen Nachnamen? Und... ist das hier und der Club das einzige was er betreibt?“ fragte Andie schon weiter und setzte sich nun doch noch einmal hin und sah zu Alden der jedoch nur wieder leicht lächelte.
„Unser 'Big Boss' heißt Lue mit Nachnamen, ist einfach zu merken. Und im Grunde sind das seine einzigen Einnahmequellen wenn man es so nimmt. Nun ja außer da Ding mit DK aber da misch ich mich nicht ein. Das macht der Typ mal echt mit dem allein aus.“ sagte Alden und hob bei den letzten Worten schon abwehrend die Hände.
„DK? Wer ist das?“ fragte die neugierig wie sie in diesem Moment war nach und sah zu wie Alden das lächeln sein ließ.
„Er... ist ne Nummer zu groß für dich und mich. Du solltest anfangen, nicht das ich noch Schuld bin das du den Vormittag verquatscht anstatt zu arbeiten.“ sagte Alden und ließ Andie aufstehen.
„Aber danke. Viel Spaß noch bei... was auch immer.“ lächelte Andie, ließ den Rucksack oben in der Hoffnung das Alden wirklich freundlich war und diesen in Ruhe ließ und begab sich durch einen weiteren Durchgang den ihr Alden von oben heraus gezeigt hatte und kam zu einem Auto das dem Namen Schrotthaufen alle Ehre machte.
„Bring ihn wieder in Ordnung... sag doch gleich ich will dich schnell wieder los werden.“ seufzte Andie als sie sich das ganze orange und blau ansah. Wer auch immer sich mit dem Auto beschäftigt hatte hatte offenbar keine Ahnung vom fahren gehabt.
Und sie wusste das Han sie damit abspeisen wollte weil sie mit dem neu bauen dieses Autos sicherlich tagelang beschäftigt sein würde.
„Na dann...“ sagte Andie an sich selber begann noch einmal herum zu laufen bevor sie vorsichtig die Beifahrertür aufmachen wollte, die prompt aus den Angeln flog.
„Jippi.“ konnte sich die Frau nicht verkneifen, begann aber erneut Motivation zu sammeln und begann nun wirklich alles was abzubauen war ohne das man etwas dazu brauchte, doch schon nach einer halben Stunde war es genau das was fehlte. Werkzeug.
Den ganzen Vormittag war Andie, nachdem sie sich alles zusammen gesucht hatte, damit zu Gange das Auto etwas mehr zu zerlegen als es Sean bereits getan hatte, doch sah sie keinen grünen Zweig und wenn sie ehrlich war wollte sie sich auch nicht damit beschäftigen. In der Halle vorne war ein Auto schon auf der Hebebühne nach oben gefahren worden und sie hatte Bock etwas an einem Auto zu machen das später noch fahren konnte.
Folglich nutzte sie die Abwesenheit des Chefs und machte sich an eben diesen Honda zu schaffen, begann ihre Arbeit zu machen und hatte nach weiteren Erkundungen die Werkstatt soweit einzuordnen das sie problemlos das fand was sie brauchte. Aus der Anlage, die selten eingeschaltet war, dröhnte die Musik und ließ so den Mann stutzen den das ganze gehörte.
Han hatte seine kleine Wohnung über dem eigentlichen Geschehen eingerichtet und auch wenn es nicht so viel war wie man meinte das er haben könnte, so reichte es ihm.
Doch jetzt war die Zeit gekommen seine neuen Bettgenossin nach Hause zu schicken und sich zumindest einmal am Tag unten blicken zu lassen ehe er sich zu Takashi aufmachte.
Die Musik ließ ihn allerdings weiter denken. Wer bitte war jetzt schon unten und offenbar munter genug um in seinen Hallen herum zu werkeln?
Erst als er eine junge Frau in der Hocke an einem Reifen sah, die das ganze offenbar fest machte, konnte er wieder lächeln.
Er hatte beinahe vergessen das er ab heute eine neue Angestellte hatte die ihm jetzt schon zeigte das es sich offenbar lohnte sie bei sich zu haben.
Sie war schnell, hatte das Gespür dafür was mit den Autos offenbar nicht stimmte und stellte nicht einmal Fragen als sie nur kurz zu der Treppe sah auf die die Japanerin herunter kam und sich verabschiedete.
Han selber besah sich die Neue noch einmal kurz. Jeanshorts, Shirt und Chucks, simple dennoch funktional und einen hauch sexy so wie sie das ganze präsentierte. Ihre dunkeln, langen Haare waren auf ihrem Kopf zu einem großen Knoten gebunden und trotzdem hatten es einige Strähnen nicht dort hinein geschafft und fielen um ihr hübsches Gesicht.
„Hast dich offenbar schon zurecht gefunden.“ begrüßte er die Frau als sie sich wieder an den Reifen machte und nun mit dem Fuß das Radkreuz nachtrat damit die Schraube auch sicher saß.
„Wie man es nimmt, der Chef hatte zumindest nicht die Zeit für eine Unterweisung also... hab ich das mal selbst übernommen. Sollte ja nicht das Problem sein.“ sagte Andie allerdings nur mit einer Spur von Zynismus und ließ Hand beinahe erneut lächeln, wenn er sich darüber klar schien das sie ihn gerade versucht hatte herunter zu machen.
Mit zwei Fingern deutete er ihr vom Geländer aus das sie zu ihm kommen sollte und wandte sich anschließend ab um von der Partyecke abzugehen und zu dem Schreibtisch zu wandern, der vor Unordentlichkeit strotzte.
Andie selber wischte sich die Hände sauber, nahm immer zwei Stufen auf einmal und war recht schnell bei Han der sie nur kurz besah.
„Ich hab hier die Arbeitsverträge. Les sie dir durch und gib am besten nochmal deinen Ausweis oder Pass her damit ich das Formelle richtig hab.“ sagte der Mann nur und sah zu wie Andie einen der Verträge nahm und beim lesen dessen zu ihrem Rucksack ging, offenbar sich sicher den Weg ohne stolpern zu überstehen.
„Hier.“ sagte Andie als sie mit einem Reisepass wieder kam und Han diesen aufschlug, die Personalien noch einmal überprüfte und ihr das Stück zurück gab.
„Er ist unbefristet, das Gehalt sollte in Ordnung gehen, da ich die Mieten hier kenne hab ich das ganze mal durch kalkuliert. Fehlt nur noch deine Unterschrift.“ sagte Han und sah wie Andie schnell mit den Augen über die Zeilen huschte.
„Ich glaube einen Absatz mit Belästigung am Arbeitsplatz muss ich nicht mit rein nehmen.“ sagte er um die Frau vor sich etwas aufzuziehen und zeitgleich auch zu zeigen das auch jemand wie er Spaß verstand, doch sah er nur zu wie Andie skeptisch die Augenbrauen nach oben zog.
„Belästigung am Arbeitsplatz? Muss ich jetzt etwa damit rechnen das mein Chef in lüsternen Gedanken versinkt sobald ich nicht aufpasse? Ich mein... ich kann auch gerne hoch geschlossen kommen wenn dir das lieber ist.“ nahm Andie den Scherz auf und Han verfluchte sich dabei ausgerechnet jetzt auf den Teil des Shirts zu sehen der ihre Brüste verdeckte.
Er wusste selber nicht einmal wieso er sich hier beweisen wollte das er nicht der Langweiler und ernste, in sich gekehrte, Typ war, aber er wollte die Frau nicht gleich wieder verschrecken, immerhin wollte er sich und ihr eine Chance geben.
„Du kannst kommen wie du willst, bei mir brauchst du keine Panik schieben. Es geht mir eher darum das du weißt worauf du dich hier einlässt, denn durch diese Tür führt ein Nachtclub.“ erklärte Han und deutete auf die geschlossene Tür zum Durchgang.
„Hat mir Alden schon erklärt. Auch das hier offenbar die Party meistens weiter geht. Aber wie ich gerade unterschrieben habe,“ sagte Andie und setzte passend dazu ihre Unterschrift auf das Papier, „arbeite ich hier und nicht in dem Nachtclub. Heißt wenn du hier deine Partys schmeißt bin ich schon längst nicht mehr da, denn für Nachtschichten hab ich nicht unterschrieben wie ich lesen durfte.“ erklärte Andie und legte die Verträge zurück auf den Tisch.
„Einer ist für dich, damit du mir später nicht kommen kannst mit du hast nichts gewusst.“ erklärte Han noch als Andie schon einen der beiden Verträge ordentlich in der Mitte faltete und ihn samt Pass zu ihrem Rucksack brachte.
„Mal ne andere Frage... den Nissan... was genau hattest du damit vor wenn ich fertig bin? In in die Schrottpresse geben? Denn das Innenleben ist zwar noch in Ordnung und braucht nur mal ne Auffrischung aber die Karosserie kannst du knicken, da musst du was neues suchen.“ erklärte Andie als Han sich noch einmal auf seinem Handy vergewisserte das alle Terminen noch so standen wie er es vereinbart hatte.
„Ich lass mir da was einfallen. Gib mir mal deine Nummer damit ich dich erreichen kann wenn was ist.“ erklärte Han geschäftig und ließ so Andie etwas drucksen.
„Ähm... ich... ich hab keins.“ sagte sie und versuchte in den nächsten Momenten Han schon auszuweichen was die Blicke anging, konnte sie sich den etwas ungläubigen und skeptischen Blick vorstellen den er ihr entgegen brachte als er sich sein Shirt noch einmal richtete.
„Wer hat heut zu Tage kein Handy?“ fragte er nach und sah zu wie Andie ihre Hand langsam bis zur Brust hob um sich zu melden und dann zu ihm sah. Irgendwas verschwieg ihm diese Frau, war es immerhin wirklich ungewöhnlich das jemand wie sie nicht einmal ein Handy besaß.
Sie war nicht so alt das sie auf solch eine Art der Technik verzichten könnte, doch nahm sie das für etwas in Kauf das er nicht erahnen konnte.
Langsam wurde diese Frau doch zu einem Mysterium und Han war sich sicher das die Geschichte hinter ihr ihm nicht geheuer war.
„Ich hab hier in den ersten Tagen keins gebraucht und es war nicht ganz oben auf meiner To Do Liste wenn du verstehst.“ erklärte sich Andie und sah sich noch einmal um.
War ja klar das sie ohne Handy aufgeschmissen war aber was würde werden wenn sie zu orten wäre. Harold machte ihr einfach noch zu viel Angst und hatte es in den letzten drei Jahren geschafft sich in ihren Kopf zu brennen.
„Wie du meinst aber es wäre besser eins zu haben. Ich will dich erreichen können.“ erklärte Han und ließ Andie leicht genervt die Augen verdrehen als sie sich abwandte.
„War keine Bedingung im Arbeitsvertrag.“ nuschelte sie nur und ließ Han aufsehen, etwas belustigt kurz die Mundwinkel nach oben ziehen und ohne weiter darauf zu achten ging er zu Andies Rucksack, zog den Vertrag noch einmal hervor und legte ihn neben der Frau auf dem Schreibtisch ab um mit einem Stift eine Anmerkung dazu zu schreiben.
Mit einem belustigten schnauben sah Andie zu wie Han in einer beinahe unleserlichen Schrift als Anmerkung dazu schrieb das sie sich so bald wie möglich ein Handy zulegen sollte ehe er ihr den Wisch in die Hände und somit fast gegen die Brust drückte.
„Jetzt steht es drinnen.“ sagte er zu ihr, ohne dabei die Miene zu verziehen und somit wusste Andie nicht einmal ob sie das als Witz nehmen sollte der doch als Ernst.
Stumm sah Andie zu wie Han sich nach unten machte und gerade als auch die Frau nach unten kam fuhr aus der Ecke, in die der Mann verschwunden war, ein orange schwarzer Mazda RX7 heran, Vileside Fortune wie sie erkannte und gerade als sie mit vor der Brust verschränkten Armen zu der Fahrerseite sah ließ Han diese herunter und Andie sich etwas vorbeugen.
„Ich bin bis heute Abend nicht da wenn du hier fertig bist soll Alden das wichtigste abschließen, die Schlüssel sind da wo sie immer sind... er weiß schon was zu tun ist und du nimmst einfach alles auf was hier her kommt. Lass mich nicht an dir zweifeln.“ sagte er und ohne auf eine Antwort zu warten oder achten fuhr er an, ließ die Kraft des Motors laut aufheulen ehe er vom Hof fuhr, den beeindruckten Blick von Andie nur erahnend.
… Es war bereits Nacht als Han vor dem Hauptbahnhof von Shibuja zum stehen kam. In dem riesigen Gebäude vor ihm wusste er das seine sogenannten jugendlichen Freunde auf den Bolzplatz über dem eigentlichen Bahnhof spielten und sich so die Zeit vertrieben.
Sollten sie doch lieber öfter hier sein als sich mit den bösen Jungs abzugeben.
„Kommst du oder wartest du auf ne Einladung?“ fragte Han an seinen Beifahrer, war auch heute Sean wieder an seiner Seite und würde nun auch mal das ruhige Dasein genießen können. Der Junge hatte in den letzten Tagen genug mit gemacht um sich sicher zu sein das er hier doch deutlich mehr angekommen schien als er anfangs dachte und Han wusste das Sean auch mal eine Pause brauchte, war er kein Unmensch.
Der Dunkelblonde sprintete ihm hinterher und kam an einem Fahrstuhl schlussendlich zum stehen. Han hatte bereits den Knopf gedrückt, in der einen Hand hielt er wieder eine kleine Tüte, bunt bemalt und aus dieser kam erneut der Geruch dieser kleinen Cracker.
Einen davon schoss sich Han gekonnt in den offenen Mund ehe die Türen aufschwangen und Beide in den metallischen Kasten verschwanden. Han drückte auf den Knopf an dem Penthouse stand und Sean wusste nicht einmal das dies in einem Bahnhof möglich war, doch hatte er hier in Japan gelernt nicht immer alles zu hinterfragen und stattdessen mit allem zu rechnen.
„Das ist also dein zweiter Wohnsitz?“ fragte er und Han musste ebenfalls leicht grinsen.
„Besser als nur in einer Werkstatt oder einem Club zu hausen. Und es ist nur ne kleine Übergangswohnung wenn sie fertig ist. Es ist hoch genug um den Lärm nicht zu hören und man ist doch mitten im Geschehen.“ antwortete der smarte Koreaner allerdings nur.
Als die Türen mit einem Pling aufgingen traten Sean und Han aus dem Aufzug und in einen großen aber eher kahl wirkenden Raum. Sean verstand schnell wieso Han meinte wenn es fertig war, es würde zwar eine luxuriöse Wohnung über den Dächern Tokyos sein, aber bis jetzt sah er nur das nötigste hier. Die Möbel waren großteils noch in der Schutzfolie, die Technik nicht angeschlossen und Sean konnte sich vorstellen das in dem Schlafzimmer hier noch keine Frau von Han geschlafen hatte. Han selbst ließ seinen Blick kurz über die Skyline ziehen, folgte jedoch kurz darauf dem Amerikaner schnell nach oben auf eine Art Terrasse von der man aus dem Fußballplatz sehen konnte, der inmitten des riesigen Gebäudes eingelassen wurde.
Nur ein paar Meter weiter hatte man einen super Ausblick über die ganzen Reklametafeln Tokyos und Sean war beeindruckt von dem ganzen.
Die beiden Männer hörten unten schon Twinkie und Yumi, ein weiterer Freund der Truppe, miteinander diskutieren.
„Hey Han,“ rief auf einmal Earl nach oben, „sag dem Wixer dass das ein Faul war.“
„Wixer?“ fragte Twinkie nach als der nicht auf sich sitzen lassen konnte das sein Tor nicht zählen sollte.
„Was denn, seh ich aus wien Schiedsrichter?“ kam es allerdings belustigt von dem Älteren zurück während er sich aus der Kühlbox eine Wasserflasche nahm und sich zu Sean stellte. Dieser hatte sich einen Platz gesucht bei dem man auf die große Hauptstraße sehen konnte. Die Menschenmassen die noch unterwegs waren sahen beinahe aus wie Ameisen.
„Wie hat es dich überhaupt hierher verschlagen?“ fragte Sean als er von seinem Wasser abließ, war das etwas das Sean schon hin und wieder beschäftigt hatte.
„Kennst du die alten Western? Wo sich die Cowboys über die Grenze absetzen wollen?“ fragte Han nur nach um seine Metapher zu beginnen. Er wartete auf das Nicken von Sean bevor sein Blick wieder auf die 'Ameisen' ging.
„Das hier ist mein Mexiko.“ erklärte er somit nur und wusste das Sean das Ganze verstand. Es war sein Neubeginn, sein Versprechen an Gisele das er hier zur Ruhe kommen konnte, wenn auch nun anders als gedacht. Und es war das Versprechen das keine andere Frau ihn je wieder so im Inneren berühren konnte wie es sie getan hatte.
„Wieso hast du mich mit deinem Auto ein Rennen fahren lassen? Du wusstest das ichs zu Schrott fahre.“ begann Sean wieder mit dem leidigen Thema das ihn persönlich seit dem ersten Tag beschäftigte. Er wollte eine Antwort und Han würde sie ihm dieses Mal nicht verwehren.
„Wieso nicht?“ kam es wieder mit einem leichten lächeln auf den Lippen zurück.
„Na weil das ziemlich teuer ist.“ antwortete Sean mit einer leichten Fassungslosigkeit in der Stimme. Das Han es auch immer so locker nahm.
„Ich hab Geld.,“ begann der Koreaner wieder, „Was ich brauche ist jemand dem ich vertrauen kann und der Charakter hat. Erst wenn du jemand ganz nah an dich ran lässt, weißt du wer du selber bist. Ein Auto als Gegenleistung dafür das man weiß aus welchem Holz jemand geschnitzt ist, ist ein Preis mit dem ich leben kann.“ sagte Han ehe er wieder zu Sean sah.
„Sie dir all die Menschen da unten an.“ erklärte er weiter und nickte auf die Meute unter ihnen auf der Straße.
„Die befolgen die Regeln, aber wozu? Die lassen sich von ihren Ängsten leiten.“ sprach Han schon beinahe poetisch weiter, wusste er immerhin genau wovon er sprach.
„Was passiert wenn sie es nicht tun?“ fragte Sean nun ebenfalls interessiert was Han damit meinte.
Das Gespräch hatte zwar eine kleine Wendung genommen, aber ihm sollte es nur recht sein, so lernte er Han noch besser kennen und zu schätzen.
„Das Leben ist einfach. Du triffst Entscheidungen und blickst nicht zurück.“ sagte der Koreaner jedoch nur und auf eine verdrehte Art und Weise verstand Sean was Han damit meinte.
„Also wenn du die Rennen nicht fährst um zu gewinnen, warum fährst du dann Rennen?“ fragte nun Sean weiter um die Stimmung zu heben und vielleicht auch einmal Hans Wesen in diesem Bezug zu verstehen. Es war eine weitere Frage die ihn beschäftigte seit er das erste richtige Gespräch mit dem Schwarzhaarigen hatte.
„Willst du das wirklich wissen?“ kam nur die Gegenfrage und Sean lachte kurz ehe er ein ja aussprach.
„Ok, gehen wir.“ das grinsen bei diesen Worten war auf dem Gesicht des Koreaners wieder zu sehen.
Er stieß sich von dem Geländer ab und nickte Sean zu um ihn zu zeigen das er ihm folgen sollte. Sie gingen durch die halbfertige Wohnung zurück ohne sich bei ihren Freunden abzumelden und mit dem Aufzug wieder nach draußen.
Geschlossen stiegen sie wieder in den Mazda und Han fuhr in Richtung Shibuya Zentrum.
Als sie um eine der groß geschnittenen Kurven fuhren, beziehungsweise sogar schon beinahe drifteten und auf eine große Kreuzung zurasten sahen sie das dort bereits ein weiterer Wagen stand.
Han konnte nur erahnen das sich in diesem Fahrzeug gut aussehende Frauen befinden konnten und mit dem näher kommen sah er immer deutlicher die attraktiven Japanerinnen die offenbar auf ihn zu warten schienen.
Er gab Sean einen vielsagenden Blick ehe er begann um den Wagen herum zu driften.
Immer wieder fuhr er im Kreis um die Ladys herum und nach drei, fast vier Runden blieb er ihnen gegenüber stehen. Sein Blick fixierte die schwarzhaarige Schönheit, die auf der Beifahrerseite saß. Sein schiefes Grinsen kam schon immer gut bei den Damen an und somit beobachtete er wie nun auch die Brünette hinter dem Steuer ihn ansah und zu mustern schien. Beide Frauen hatten ein verführerisches Lächeln auf den Lippen ehe die Schwarzhaarige einen Zettel und einen Stift hervor holte.
Als Han das sah, fuhr er weiter, nah genug an dem Auto vorbei um die Nummer auf den Zettel zu greifen, bevor er beschleunigte und die Straße weiter fuhr.
Sean verstand und der Koreaner fuhr weiter ehe er an der kleinen Seitenstraße ablud die Seans zu Hause deutete.
„Morgen will ich deinen Wagen in meinem Laden haben, klar?“ kam es von Han als er Sean kurz nachsah. Dieser winkte nur ab und verschwand dann in der Dunkelheit der Straße.
Noch einmal wollte er zu seinem Club fahren. In der Werkstatt musste mittlerweile dank Alden auch soweit alles klar Schiff gemacht worden sein das nur noch die Tore offen sein mussten, so wie sie es immer waren.
Er ließ den Motor auslaufen und stieg aus.
Durch die Vordertür ging er rein, allerdings auch gleich durch, nicht mal die Ladys in dem kleinen Hinterzimmer schafften es ihn heute noch aufzuhalten und waren seine Gedanken um Gisele heute wieder besonders stark.
Auch nach all der Zeit schaffte es diese Frau ihn noch herunter zu ziehen und Han selber wusste nicht einmal mehr ob es etwas gutes hatte das er nicht von ihr los kam oder aber etwas schlechtes. Die Frauen mit denen er jetzt zu tun hatte würden Gisele nie das Wasser reichen können doch wusste auch er das sie ihm nicht wünschte ewig verbittert und allein zu sein.
Als er seine Werkstatt betrat ließ er den kleinen Zettel mit der Nummer gleich in einem Müllkorb verschwinden.
Noch einmal sah er sich in dem eher stillen und großen Raum um. Die Türen waren geschlossen, dafür die Tore offen, Alden war weg und auch von seiner neuen Angestellten war nichts mehr zu sehen.
Langsam ging er noch einmal zu seinem Schreibtisch und sah schon auf den vielen weißen Papieren einen pinken kleinen Post liegen.
-Hab Feierabend gemacht. Alden hat mir das wichtigste erklärt und da ich ohne Handy meinen Chef nicht erreichen kann muss es die gute alte Luftpost schaffen ;) Überanstrengen sie sich nicht Mister Lue. Lg Andie-
Sofort schlich sich bei diesen Worten ein ehrlich amüsiertes lächeln auf seine Lippen und ein Anflug von guter Laune schwang mit als er auf die geschwungene Schrift sah. Um jetzt jedoch wieder nach vorne zu gehen und sich in Drinks zu ertränken nur um erneut einen hübschen Zeitvertreib mit nach oben zu nehmen reichte es nicht.
Er legte den Zettel beiseite und löschte das Licht, anschließend ging er eine Etage höher wo sein zur Zeit eigentliches zu Hause war und in dem so gut wie keiner seiner Freunde je war. Ein großes, einladendes Bett, eine kleine Küche und so etwas, was man offenes Wohnzimmer nennen konnte.
Er ging in den Nebenraum, das ein ausgeschmücktes Badezimmer enthielt um zu duschen nur um dann, nur in Unterwäsche, in sein Bett zu verschwinden.
Er musste schlafen, jede Nacht durchmachen schaffte auch er nicht.