Geburtsdatum

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„Johannah Deakin?"

Ein Arzt trat auf uns zu. Die anderen verschwanden alle den Gang entlang.

Meine Mutter schniefte und nickte.

Mir kam es vor, als wäre alles ganz weit weg, als wäre das hier alles einfach nur ein schlimmer Albtraum.

„Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Tochter es nicht geschafft hat. Félicité verstarb vor wenigen Minuten, trotz mehrfacher Reanimation, an den Folgen eines Herzinfarkts. Wir konnten leider nichts mehr für Sie tun. Mein aufrichtiges Beileid."

Nein!

Nein!

Nein! Das konnte nicht sein!

Sie würden sicher gleich sagen, dass sie sich vertan hatten, dass meine Schwester eigentlich in einem anderen Zimmer lag und wieder putzmunter war.

Denn sie war doch erst neunzehn.

Fizzy...

Meine Fizzy...

Sie war doch noch so jung.

Meine kleine Schwester.

Lottie brach neben mir zusammen. Meine Knie gaben mir auch keinen Halt mehr und knickten einfach weg.

Ich zog Lottie an meine Brust. Arm in Arm saßen wir nun wieder auf dem Boden und spendeten uns gegenseitig Trost. Daisy und Phoebe kamen noch dazu und krallen sich an uns fest.

Wir brauchten einander.

Denn eine von uns war gegangen.

Wir waren nicht mehr vollständig.

Wir würden auch nie wieder vollständig sein.

All die Bilder, wie ich mir meine Zukunft ausgemalt hatte... Mit einem Schlag verpufft.

Fizzy war nicht mehr da.

Und sie würde auch nie wieder zurückkommen.

Am Abend saßen wir alle zusammen daheim am Esstisch. Keiner sprach auch nur ein Wort. Alles was man hörte, war unsere Atmung. Hin und wieder ein Schniefen. Aber die Tränen waren versiegt.

Als hätten wir sie schon leer geweint.

Später brachten meine Großeltern Doris und Ernest nach Hause.

Sie wussten von nichts. Für sie war die Welt noch in Ordnung. In ihren Köpfen war es immer noch möglich, dass Fizzy freudestrahlend die Treppe herunterkommen würde. Oder dass man Krach von oben hörte, weil Fizzy wieder ein Gesetzbuch gegen die Wand geworfen hatte.

Doris und Ernest waren in der ersten Klasse. Das Leben fing gerade erst an. Da sollte man nicht über den Tod nachdenken. Nicht über Tod nachdenken müssen.

Dan erklärte meinen Geschwistern, was passiert war. Dass Fizzy nicht zurückkommen würde. Nie wieder.

Meine Großmutter brach zusammen. Sie kniete auf dem Fußboden. Das Gesicht in beiden Händen begraben. Mein Großvater, den ich in meinem ganzen Leben noch nie weinen sehen hatte, heulte Rotz und Wasser.

Ernest schrie nach Fizzy. Schrie, dass sie wiederkommen solle. Schrie, dass er sie doch lieb hatte, und sie ihn wieder in den Arm nehmen sollte.

Ich schnappte meinen kleinen Bruder, nahm ihn auf den Arm und setzte mich mit ihm aufs Sofa.

Ich drückte ihn fest an mich.

Ich wollte Fizzy auch wieder.

Ich hatte sie doch auch lieb.

Betthupferl || Larry AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt