37 - Bakterien der Hässlichkeit

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27 - Bakterien der Hässlichkeit

"Nein, lass mich in Ruhe! Ich bin ein Monster! WIR SIND ALLE MONSTER!"

Ich zog meine Knie näher zu meinem Gesicht und durchnässte weiterhin den Jeansstoff mit meinen Tränen. Ich lag im hintersten Eck der Höhle, zusammengerollt wie ein Embryo, und weigerte mich hinauszukommen. Mir war übel. Ich versuchte, die Errinnerung an die Nacht verschwinden zu lassen, aber beschwor nur neue Bilder in meinem Kopf herauf.

Mama strich mir beruhigend über die Schulter, doch ich zitterte weiterhin unkontrolliert. Ich hatte es schon wieder getan. Einen Mensch getötet. Und diesmal keinen Schwerverbrecher, sondern einen unschuldiger Teenager mit Familie und Freunden, der ein wenig zu neugierig gewesen war. Ich kannte ihn nichtmal und er hatte mir auch nichts getan.

Und doch bemerkte ich, dass mich dieses Erlebnis nicht so sehr mitnahm wie damals der Vorfall in der Gasse. Vermutlich lag es daran, dass ich nicht bei vollem Bewusstsein war, das Rudel auch seinen Anteil hatte und dass sie eigentlich nicht hier her hätten kommen sollen. Wie hatten sie es auf die Insel geschafft? Also konnte ich eigentlich nichts dafür... Natürlich war das keine Ausrede, doch mein Gewissen verteilte nicht wie üblich seine tollwutverursachenden Bisse.

Schließlich konnte ich mich beruhigen und aus der Ecke hervorkriechen. Wir versammelten uns im Kreis um Papa, damit wir uns besprechen konnten. Was macht man in so einer Situation?

"Also, erstmal, wie haben sie es hier her geschafft?" fragte Papa. Ben antwortete: "Der Inselbereich westlich von hier weist einige Felsenlücken auf, die man durch Zufall finden kann. Wir sollten weitere Sprengungen vornehmen, um sie zu blockieren. Ausserdem könnten wir ein Schild aufstellen, dass das Zeichen für Lebensgefahr aufweist, auch wenn das nicht da hingehört. Dann bleiben sie der Insel sicher fern. Und vielleicht ein wenig mit Stacheldraht nachhelfen..."

Papa antwortete: "Ja, das ist gut. Aber was noch viel wichtiger ist: wir müssen ihnen helfen gehen!"

Erschreckt stellte ich fest, dass die vermutlich immer noch in der Höhle saßen.

Wir rannten sofort los richtung Klippe. Während ich rannte, verzog ich das Gesicht. Mir war abermals klar geworden, was für Bestien wir waren. Ich dürfte das Geheimnis wirklich niemandem verraten, ich würde alle nur in Gefahr bringen!

Bald erreichten wir die Klippe und machten uns vorsichtig an den Abstieg über den schmalen Pfad. Ich schürfte mir ziemlich die Hände auf, doch das war mir egal. Nico kam nicht mit uns, er ging einen anderen Weg, um das Boot zu holen.

Ich schlitterte über Steine und rutschte plötzlich nach unten. Mit einem schmerzhaften Aufprall landete ich im Sand. Missmutig rieb ich mir die schmerzenden Stellen und verzog das Gesicht. Die anderen Rudelmitglieder landeten neben mir und Tom* lief sofort richtung Felsspalte. Ich näherte mich eher zögerlich, da dort noch die Überbleibsel unseres Mahls lagen und mir erneut übel wurde.

Ich drehte den Kopf weg und starrte stattdessen die Felswand an, doch sogar dort prangten Blutspritzer, wie das skurrile Gemälde eine sadistischen Künstlers. Also machte ich die Augen einfach zu und es war mir egal, dass ich über einen Stein stolperte und fast hinflog. Ich lauschte nur konzentriert dem Meeresrauschen und Tom's Stimme, die gerade zu den jungen Menschen in der Felsspalte sagte: "Du meine Güte, was macht ihr denn da drin? Ihr holt euch noch den Tod!" Eine hysterische und panische Stimme schnitt durch die Luft. "Passt auf! Hier gibt es Bestien! Jake... er WURDE EINFACH GEFRESSEN! Verschwindet von hier! Was macht ihr überhaupt hier?"

Moment.. war das Maria?!? Ich riss entsetzt die Augen auf. War das alles meine Schuld? Weil sie mir hinterhergeschnüffelt hatten?

Dad beruhigte sie. "Keine Sorge, wir wissen, dass es hier gefährliche Tiere gibt. Die Insel ist Sperrgebiet. Sie sind aber nur gefährlich, wenn sie Hunger haben. Wir fahren jeden Monat mal raus auf den See, um uns vom Alltagsstress zu entfernen, und beim zurückkehren haben wir euer Boot gesehen. Kommt, wir nehmen euch mit aufs Festland."

Allein unter Menschen!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt