Emma

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Emma

Dunkelheit umfing mich, als ich meine Augen aufschlug ich war vollkommen durchgeschwitzt vermutlich hatte ich wieder einen Albtraum gehabt, an den ich mich aber beim besten Willen nicht erinnern konnte. Noch im Halbschlaf rieb ich mir die Augen um wach zu werden und um gleichzeitig das nervtötende Piepen meines Weckers zum Verstummen zu zwingen. „Hey Staat die Thyroxinzufuhr funktioniert wieder nicht!" knurrte ich. Meine Armbanduhr piepste 50 Minuten. Verdammt sie hatten mir zehn Minuten abgezogen! Das ich mich auch immer beschweren musste, sobald etwas nicht so lief wie ich es gerne hätte. Na, der Tag begann ja super. Es war viel zu früh. Ich wollte noch nicht aufstehen, mein Bett war noch so warm und gemütlich. Was würde ich dafür geben, mich einfach umdrehen und weiterschlafen zu können, aber dann würde ich mit meinen Verpflichtungen gegenüber dem Staate in Verzug kommen und unnötigerweise in Stress geraten. Eigentlich wollte ich mein Haus nicht verlassen, ich wollte es nicht sehen, dass was sie Zivilisation nannten, die Zerstörung, die der Krieg angerichtet hatte. Die Zerstörung, die keiner beseitigte, da der nächste Bombenangriff alle Anstrengungen wieder zunichtemachen würde. Ich seufzte stand auf und schaltete den Fernseher an. Es lief wie immer die Propaganda unseres Staates. Meistens bestand das Fernsehprogramm aus zusammengeschnittenen Szenen von unseren Soldaten an der Front. Es herrschte Krieg. Der vierte Weltkrieg. Den dritten hatte Deutschland wie die beiden davor verloren. Aber nicht angefangen. Zu den weiteren Kriegsverlieren des dritten Weltkrieges gehörte Frankreich und die USA die Menschen in diesen Ländern wurden genauso streng überwacht, wie wir hier in Deutschland. Der vierte Weltkrieg brach aus, als bekannt wurde, dass die Rohstoffe der Erde wie Öl und Erdgas zu Neige gingen und natürlich wollte jedes Land die eigene Versorgung sichern. Wir konnten uns glücklich schätzen, dass nach dem dritten Weltkrieg zum Schutz der Menschheit alle Atomwaffen vernichtet worden sind, sonst stünden wir jetzt noch näher am Abgrund als wir es sowieso schon taten. Wobei vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sich unsere Politiker mit den Atombomben gegenseitig zerstört hätten, dann könnte sich die Erde jetzt erholen und die Menschheit wäre ausgelöscht. Doch das war nicht passiert und die Menschen hier in meinem Dorf verdrängten die Tatsache, dass Krieg herrschte, der letzte Bombenangriff war auch schon eine Weile her. „Wir sind stolz darauf, Fortschritte vermelden zu können" verkündigte die Stimme des Moderators. Wir waren verpflichtet mindestens drei Stunden am Tag uns diesen Schwachsinn anzusehen. Es wurde sogar überwacht durch einen kleinen, aber nicht unbedeutenden Schalter im inneren des Fernsehers der sogenannte Zeitschalter. Leider kam man an dieses Ding nicht heran da die Fernseher im Jahre 2100 einfach zu intelligent waren. Jeder Fernseher war ausgestattet mit einer Art Selbstschutz einer Art Alarmanlage, welche umgehend das nächste Polizeirevier benachrichtigte, wenn dieser Schalter beschädigt oder gar zerstört wurde. Die Strafe für dieses Vergehen war im Vergleich zu den anderen Strafen noch relativ harmlos 100 Peitschenhiebe. Der Staat kontrollierte einfach alles, unsere Gedanken, unsere Träume sogar unsere Körper wurden nicht verschont. Bei unserer Geburt wird uns ein Chip eingepflanzt, der alles steuert, Hormonhaushalt, Krankheiten einfach alles. Der Staat musste nur einen kleinen Knopf drücken und man wurde krank. Andersrum ging dies natürlich auch der Staat konnte die schlimmsten Krankheiten heilen zugegeben das war ein klarer Vorteil, aber ich fand es auch irgendwie gruselig, dass wir Menschen so derartig in die Natur eingriffen und dass der Staat so eine große Macht besaß. Der Staat hatte meine kleine Schwester sterben lassen! Sie war gerade einmal drei Jahre alt als sie eine schwere Grippe bekam, doch der Staat wollte ihr nicht helfen, obwohl sie die Möglichkeiten dazu hatten, sie hatten die kleine einfach sterben lassen. Es war schrecklich meiner kleinen Schwester dabei zuzusehen, wie sie ihren Kampf gegen die Krankheit verlor sie kämpfte tapfer doch am Ende hatte sie keine Chance. Sie starb mit gerade einmal drei Jahren. Meine Mutter hat dies nie verkraftet seitdem hasste sie den Staat. Die Einrichtung, die ihr ihre Tochter genommen und später noch ihren Sohn und ihren Ehemann nehmen sollte. Der Staat besaß die Macht über Leben und Tod zu entscheiden. Wo wir gerade bei Tod sind, wenn wir sterben, wird der Chip wieder entfernt und ausgelesen. Noch so eine Möglichkeit uns zu demonstrieren, dass sie die Macht über uns alle hatten. Wird beim Auslesen des Chips festgestellt, dass man Mitglied in einer Widerstandsgruppe war oder jemanden kennt, wird die ganze Familie getötet oder noch schlimmer, in ein Gefängnis gesteckt wo es weder Gebote noch Verbote gab. Aus dem Fernseher ertönte eine laute Musik die Hymne. Immer wenn sie erklang gab es eine wichtige Durchsage wie ein Roboter setzte ich mich vor den Fernseher. Ich konnte nicht anders ich war gefangen im System ohne Hoffnungen wieder herauszukommen. Wir kannten es nicht anders, wir wurden so groß wir kannten keine andere Staatsform, als die Diktatur. In den Schulen wurde uns immer erzählt, dass die Diktatur die beste Staatsform sei. Keine ewig langen Verhandlungen, Zucht und Ordnung und jeder hat seinen Platz in der Gesellschaft, sei es als Obdachloser oder als Reicher in einer prunkvollen Villa. Die Demokratie kannten wir nur aus Schauermärchen. Uns wurde immer erzählt, die Demokratie und ihre Politiker seien daran schuld, dass Deutschland, Frankreich und die USA den Krieg verloren hätten, die Demokratie hätte das eigene Heer eines Nachts mit einem Giftgasangriff umgebracht nur um neue Bündnisse einzugehen. Was letztendlich an der Geschichte dran war, wusste ich nicht. Wir mussten sie einfach glauben. So kam niemand auf die Idee sich gegen die Diktatur zu erheben und eine Demokratie einzufordern. Wir lebten jetzt schon fast 100 Jahre so niemand wusste mehr, wie man in einer Demokratie überhaupt lebt. ,,Achtung, Achtung, wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit es folgt eine wichtige Ansage von Präsident Ruben!" tönte die monotone Stimme des Fernsehermoderators. Ich setzte mich auf „liebe Staatsbürger Deutschlands, Frankreichs und den USA. Aufgrund neuester Vorfälle hat unser über alles herrschenden Staate zwei neue Gesetze beschlossen." Er sah auf seine Liste ,,Gesetz Nummer eins: Die Zeit in der die Staatsbürger ihren Gedankentransformator absetzen dürfen ohne eine Strafe fürchten zu müssen reduziert sich von einer Stunde auf eine halbe Stunde pro Tag!" Ich schluckte das konnten sie nicht machen! Ich verpasste mir selbst eine Ohrfeige! ,,Denk nicht so!" schimpfte ich mit mir selbst ,,der Staat ist alles was du brauchst du wirst dein Leben für deinen Staat geben!" diese Sätze in meinem Kopf spielten sich immer und immer wieder ab wie ein Mantra. Ich durfte meine Zeit ohne den Gedankentransformator nicht gefährden. Ich sah auf meine Armbanduhr dort stand die Anzahl an Zeit, in der ich meinen Gedankentransformator ungestraft absetzen konnte. Es erschienen vier Ziffern 00:20 Minuten. Ich konnte nicht zulassen, dass durch meine unbedarften, unzüchtigen Gedanken meine Zeit auf ein Minimum reduziert wurde. Es gab für mich nichts Wertvolleres als einfach mal meinen Gedanken freien Lauf zu lassen ohne Angst haben zu müssen eine Strafe zu bekommen. Es war mir bis jetzt einmal passiert, dass meine Zeit auf ein Minimum reduziert wurde ich hatte den Fehler begannen einen staatsfeindlichen Gedanken zu Ende zu denken, anstatt ihn einfach aus meinem Gehirn zu verbannen. Doch wie das mit den Gedanken so war sie ließen sich einfach nicht unterdrücken. In der Schule hatten wir verschiedene Techniken gelernt, wie wir unsere Gedanken besser kontrollieren konnten wir sollten einfach krampfhaft an etwas anderes denken, doch manchmal funktionierte dies einfach nicht. Egal wie man es drehte und wendete die Gedanken, das Denken konnte man nicht so einfach kontrollieren zumindest nicht bei mir. Ich wusste nicht warum, aber den anderen schien es so leicht zu fallen, die Parolen der Politiker zu glauben und unhinterfragt danach zu leben. Mir fiel es schwer, ich wusste nicht was falsch mit mir war oder warum ich meine Gedanken nicht kontrollieren konnte. Ich musste ständig aufpassen, was ich dachte. Es war hoffnungslos, das ganze Leben war hoffnungslos, hoffnungslos und trist, trist und hoffnungslos. Ich wartete eigentlich nur noch darauf zu sterben ich hoffte, es würde bald geschehen ich hatte die Hoffnung das ich dort was nach dem Leben kam mehr Freiräume, mehr Raum für meine eigenen Gedanken hatte es war schrecklich zu wissen, dass der Staat unsere Gedanken kontrollierte. Natürlich konnten sie nicht die ganze Zeit unsere Gedanken zu kontrollieren das würde rein rechnerisch und logistisch gar nicht gehen jedoch wusste man nie wann man sozusagen abgehört wurde. Ein beklemmendes Gefühl nie das Denken zu dürfen was man eigentlich wollte. ,,Neues Gesetz Nummer 2: Jeder der sich nach 22 Uhr noch auf den Straßen befindet wird unverzüglich und ohne Vorwarnung erschossen". Riss mich die Stimme des Präsidenten aus meinen tristen Gedanken. Es war sowieso zu gefährlich nach 22 Uhr noch rauszugehen vor allem als Frau. ,,Aufstehen! Arbeiten!" schrie eine Stimme in meinem Inneren. Noch so eine kleine Gemeinheit unseres allmächtigen Staates. Ich hatte vorhin bereits diesen Chip erwähnt, der den Neugeborenen eingepflanzt wird. Eine Art Personalausweis wie es ihn früher gab, früher wo alles noch gut war, wo wir frei und unbeschwert waren bevor der Krieg kam. Dieser Chip ermöglicht es der Regierung immer zu wissen wo sich jemand aufhält. Ein weiteres Mittel, um uns zu unterdrücken und um uns zu zeigen wer die Macht hat. ,,Aufstehen! Arbeiten!" rief wieder diese kleine fiese Stimme in meinem Kopf. Der Chip übermittelte dem Gedankentransformator meinen Standort und dieser schickte mir die Anweisung arbeiten zu gehen. Ich hatte keine Chance mich dagegen zu wehren. Wehre ich mich und gehe nicht zur Arbeit verliere ich meinen Job und verhungere. Arbeitslose sind vogelfrei das heißt sie dürfen getötet werden ohne dass der Mörder eine Strafe zu befürchten hat. Ich sah auf meine Armbanduhr ich hatte heute nur zwanzig Minuten um meinen Gedanken freien Lauf zu lassen ohne Kontrolle. Ich machte mich auf den Weg zur Arbeit in die Waffenfabrik. Eine Arbeit, mit der ich dazu beitrug, das Elend in der Bevölkerung zu vergrößern. Dabei zu helfen, Waffen für einen Krieg herzustellen, den unsere Politiker angezettelt hatten, war nicht unbedingt meine Lieblingsbeschäftigung. Ich hatte schon oft mit dem Gedanken gespielt einfach nicht mehr zu kommen, einfach alles aufzugeben und mir eine Arbeit zu suchen, bei der ich den Menschen wirklich helfen konnte, anstatt zu ihrem Leid beizutragen in dem ich die Waffen herstellte, die ihre Familien auseinandergerissen hat (zumindest als eine Waffenlieferung dem Feind in die Hände gefallen ist), die sie verletzt hatten und die der Staat auch nutzte um Angst und Schrecken zu verbreiten...und ich war dabei, ich sorgte mit meinen Kollegen dafür das sich unser Zahnrädchen im System weiterdrehte. Der Job war gut bezahlt, er war lächerlich gut bezahlt dafür, dass ich eigentlich nur den Lauf der Waffen reinigen musste. Die wirklich wichtigen Jobs in dieser Gesellschaft, die Jobs die die Menschen wirklich benötigten um zu überleben und um ihre Versorgung aufrechtzuerhalten war so gering, dass diese Menschen häufig noch einen weiteren Job annehmen mussten um ihre Familien ernähren zu können. Nur leider durften wir uns unsere Berufe nicht selbst aussuchen, nein auch hier musste sich der Staat einmischen. Durch den Chip, der sich bekanntlich ermaßen in uns befand, dadurch konnte auf Basis von aufgezeichneten Statistiken, also womit wir uns in unserer Freizeit beschäftigten, wie wir uns um unsere Familie kümmerten, in welchen Fächern wir in der Schule besonders gut waren, sogar aus unseren Essgewohnheiten wollten sie erkennen können, wie unser Charakter ausgebildet war. Zur Auswertung dieser Statistiken gab es streng geheim vom Staat festgelegten Merkmalen, die den passenden Job zur Vollendung des 15. Lebensjahres zugeordnet wird. Natürlich spielte es auch eine große Rolle, wie viel Geld die Familie hatte. Wer viel Geld hatte, durfte auf die besten Schulen des Landes gehen und sich dort weiter Wissen aneignen. Es wurde zwar immer propagiert, dass in diesem Land jeder die gleichen Chancen hatte, was Bildung anging, wenn man jedoch einen Blick hinter die geschönten Zahlen warf, konnte man erkennen, dass wirklich nur die Menschen weiter auf die Schulen gehen konnten, die das Schulgeld und die sonstigen Nebenkosten wie neue Bücher, diverses Schulmaterial und eventuell noch eine eigene Wohnung aufbringen konnten. Es gab zwar finanzielle Förderung vom Staat, jedoch dauerte die Bearbeitung monatelang und bis dahin war man als normale Bürger längst verstorben. Entweder man verhungerte oder man starb durch Überarbeitung. Wahrscheinlicher war es jedoch, keinen Job zu finden, der zu den Unterrichtszeiten passte und man verhungerte einfach. Und dann war es noch nicht einmal sicher, dass man überhaupt Unterstützung bekam.




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⏰ Last updated: Apr 12, 2020 ⏰

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