18| Geminis covei

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Kapitel 18|
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»Ich hoffe mal stark, du hast einen triftigen Grund, um hierherzukommen.«

Meine Augen brannten sich in ihre. Eiserner Obsidian blitzte durch unterdrückte Wut gegen den dunkler werdenden Dioptas. Meine Handflächen wurden feucht als ich ihren braunen Schopf vor mir erblickte. Es folgte eine Taubheit, die sich klingelnd auf meine Ohren setzte.

Es war nicht die übliche Taubheit der Trauer, die sich seit gefühlten Jahren in mir festgesetzt hatte - obwohl doch nicht einmal ein Tag vergangen ist. Nein. Es war der Schock darüber, ihren vertrauten, herausfordernden Blick zu begegnen. Ihre durchgedrückten Schultern und das vorgerückte Kinn zu sehen. Ihre Augen in der üblichen Schwärze des flüssigen Gesteins zu sehen. Der Schock, sie so früh wieder hierzusehen. Wo sie doch bis zum Morgengrauen noch am Wasserfall hätte sein müssen. Die Taubheit kam von all dem, doch besonders von der Tatsache, dass sie noch immer genauso aussah wie gestern. Scheinbar unberührt von dem, was geschehen war.

Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus, als sich ihr lodernder Blick weiter in mein Gesicht bohrte.

Ich wusste, weswegen mich plötzlich diese Kälte befiel. Ich wusste, wieso sie im Gegensatz zu mir vollkommen gefasst wirkte. Fest biss ich meinen Kiefer zusammen. Wie ich es hasste. Selbst jetzt, keinen Tag nachdem ihre Mutter gestorben ist, zeigte sie kein einziges Gefühl außer dieser Wut, die schon seit Jahren in ihr brodelte. Es war, als wäre absolut nichts geschehen. Als wäre alles so wie immer. Und doch hatte sich so viel verändert. Das bewies der Wolf, der unruhig hinter mir stand.

Außenstehende waren stets der Meinung, Hexen würden alle ihre Gefühle verlieren. Ja, sogar nie mit welchen geboren werden. Sie erzählten ihren Kindern Gruselgeschichten über die kaltherzigen Biester, die sich im Schlaf die Träume unter die Nägel rissen, da es der einzige Lichtblitz in ihrem Leben war. Doch keiner von ihnen ahnte, was wirklich passierte. Was man uns antat. Wir fühlten, bis wir dreizehn wurden. Wir weinten, bis wir das erste Mal eine Sitzung hinter uns hatten. Wir lachten, bis man uns das erste Mal die Verbindung zu diesem Teil unseres Seins kappte. Wir wurden wütend, bis wir starben. Ja, Wut war wohl das einzige, was sie uns niemals nehmen konnte. Wut, die man uns lehrte auf eine ganz besondere Art zu richten. Wut, die von einem dämlichen Schwur angetrieben wurde.

Langsam, ganz langsam löste sich die Taubheit in meinem Körper und wurde von etwas viel Schlimmeren ersetz: Scham.

Tränen drohten sich in meinen Augen zu sammeln. Sekunden verstrichen. Zittrig entwich mir der Atem, während meine Zähne knirschend aufeinander rieben. Jeder Muskel in mir war angespannt, könnte unter dem Druck ihres Blickes jeden Moment zerreißen. Meine Finger hatten sich schmerzhaft um Emmets geschlossen, zerdrückten sie weiter und weiter und weiter. Doch statt mich deswegen von sich zu stoßen, sich aus meinem Griff zu lösen, spürte ich seinen Daumen sachte Kreise über meine Haut zeichnen. Hauchzart fuhr er über meine Hand.

Aber seine Geste war der eine Tropfen, der alles in mir zusammenbrechen ließ. Melanie ließ ein empörtes Tz! vernehmen, als die erste Träne aus meinen Augen floss.

Unter ihrem Blick kam ich mir wie die größte Versagerin vor und wollte nichts lieber, als zu verschwinden. Es hätte niemals ich sein sollen. Man brauchte sie nur anzusehen und konnte genau sagen, wer von uns beiden besser für all das geeignet gewesen wäre. Und sie hatte es gewusst. Sie hatte versucht, Magaritte zu beweisen, dass sie bereit dazu war. Würdig war, die nächste Oberhexe zu werden.

Jeden Tag.

Jeden verdammten Tag.

Als Melanie ihren Blick endlich von meinem Gesicht nahm, sah ich es. An der Art wie sie über mich hinübersah. Wie sie ihre Lippen verzog und ihre Augenbrauen sich leicht kräuselten. Es war wie bei den Elfen, die mich jahrelang genauso angesehen hatten. Auf der Suche nach dem großen Grund, weswegen jemand wie ich so besonders sein konnte.

Moonchild  - Entfesselte DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt