Der Meltdown

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Planinka ging zum Lehrerzimmer. Sie hatte nicht geschlafen. Zu sehr beschäftigte sie ihre aktuelle Situation. Im Lehrerzimmer war Swetlana, welche kreidebleich auf ihrem Tisch starrte. Planinka schaute es sich an. Wieder einer dieser Briefe dieses Mysteriösen Menschen. Wobei! Planinka kam der Brief sehr bekannt vor. Sie hatte ihn irgendwo schonmal gesehen. Sie ging alle Straßen in ihrem Gehirn durch. Sie sah den Brief gestern auf einem Schreibtisch. Exakt dieser Brief. Auf dem Schreibtisch von Herrn Dusty. Nun ging sie im Gehirn die Art wie Herr Dusty schrieb und verglich systematisch, und mit Abweichung der Stifte, seine Schrift mit der des unbekannten und stellte fest, dass der unbekannte gar nicht so unbekannt war. "Der Brief ist von Herr Dusty," Flüsterte Planinka:" Ich habe den Brief gestern auf seinem Platz gesehen und die Schrift ist identisch." Swetlana schaute Planinka an:"Dass würde auch meine Kündigung erklären." "Nein, da ist bei weitem noch mehr. Sie wollen dich nicht nur kündigen," Flüsterte Planinka. Swetlana schaute verängstigt. "Und Herr Dusty ist nur ein Handlanger. Wir müssen die Spitze dieser Gruppe finden. Vorher wird es sich nicht bessern," fügte Planinka leise hinzu :" Ich gehe jetzt in den Unterricht. Bis zur Freistunde." Planinka verschwand. Sie hatte alle Informationen weitergegeben und somit eine verängstigte Lehrerin zurückgelassen.

In der Freistunde hingegen ging es Swetlana etwas besser. Planinka hingegen nicht. Die eine Klasse war heute sehr aufgewühlt und sie hatte ja nicht geschlafen. Daher bekam sie auch nicht mit, dass sie fast vor einem Auto rannte. Der Autofahrer hupte, kurbelte die Scheibe hinunter und schrie Planinka an. Ihr wurde es nun in diesem Moment zu viel. Sie begann zu schreien und schlug auf das Auto ein. Swetlana zog sie vom Auto weg, was zur Folge hatte, dass sie auf dem Boden lag und auf dem ganzen Einkaufsparkplatz  zu hören war. Nun stieg der Autofahrer aus und schrie sie weiter an. Planinka wippte vor und zurück. Sie nahm nicht mehr wahr, was sie machte, sie wusste nicht mehr was um ihr geschah. Sie schrie ununterbrochen. Swetlana ging nun auf dem Autofahrer zu und meinte :"Sie machen es nicht besser. Steigen Sie in ihren Wagen, fahren Sie nach Hause und überlegen Sie Wie sie in Zukunft besser mit Menschen umgehen!" Der Autofahrer tat schimpfend wie ihm Befohlen und fuhr weg. Swetlana zog Planinka an dessen Tasche von dem Parkplatz weg in eine Ruhigere Ecke. Sie wollte Planinka trösten, wusste jedoch, dass sie sie nicht anfassen durfte. Sie wartete darauf unbeholfen bis sie sich beruhigte. Als dies geschehen war, fragte Swetlana:" Was ist mit dir los?" "Ich habe nicht gut geschlafen, " meinte Planinka.  "Okay, das vielleicht auch. Aber ich meine deine Besonderheit. Hast du irgendeine...ich will dich nicht verletzen.... hast du irgendeine..."Fragte Swetlana und wurde von Planinka unterbrochen:" Psychische Störung? Krankheit? Behinderung?  Ja, ich habe F84.0. Jetzt bemitleide mich. Verabscheue mich distanziert dich von mich! Das haben alle immer gemacht. Selbst mein eigener Vater! Mein Verhalten ist abscheulich waren seine letzten Worte. Er wollte kein Behindertes Kind wie mich. Niemand hatte mir zugetraut, dass ich in meinem Leben irgendetwas erreichen könnte." Planinka begann zu weinen. Swetlana setzte sich ganz nahe, aber so, dass sie sie nicht berührte. "Deine Art faszinierte mich vom erstem Augenblick an. Ich fragte dich nicht, damit ich nun einen Grund habe zu verschwinden, sondern damit ich dir in solchen Situationen besser beistehen kann. Außerdem weiß ich gar nicht, was diese Zahlen bedeuten. Ich weiß nur, dass du anders bist als andere, was nicht bedeutet, dass du schlecht bist. Viele Menschen die anders waren sind sehr berühmt geworden und haben die Welt verändert. Du hast zumindestens meine Welt verändert. Immer wenn du da bist geht es mir besser und ich bin froh dich als Freundin zu haben, egal was du für Behinderung oder Erkrankung hast. Du bist gut so wie du bist! Bitte vergiss dieses nicht! " Sagte Swetlana Wahrheitsgetreu und lächelte Planinka an. Nun ging es Planinka etwas besser. "Komm, ich bringe dich zur Haltestelle und warte bis der Bus kommt. Ich habe danach noch Unterricht. Aber du sollst jetzt nicht alleine sein," meinte Swetlana. "Danke Swetlana,"Flüsterte Planinka  und stand langsam auf. Ihr Kleid war nun dreckig, es müsste zuhause von Lena gewaschen werden. Beide gingen nun zur Haltestelle, wo zehn Minuten später Markus mit seinem Bus eintraf. Als er Planinka erblickte, wusste er sofort was los war und ließ sie deswegen vorne sitzen, damit er ihr im Notfall helfen konnte. Swetlana hingegen ging in das Lehrerzimmer. Sie wusste nicht, ob sie es wissen sollte, aber ihre Neugier war viel zu groß. Sie gab in ihrem Handy die von Planinka erwähnten Zahlen und Buchstaben und las nun das Wort: Frühkindlicher Autismus. Sie war verwirrt. Waren Autisten nicht diese Mathegenies, welche nicht sprechen konnten und nie versuchten mit Menschen eine Beziehung aufzubauen? Oder hatte sie bis jetzt ein völlig falsches Bild von Autisten? Am besten wäre wohl, dass  sie,  wie zuvor auch, sie unvoreingenommen Schritt für Schritt kennenlernte und dessen Schwächen und Stärken herrausfinden musste. Was Swetlana wusste, Planinka war ein wunderbare Freundin , welche mit ihr die schwersten Zeiten bestenhen würden und auf die sie sich immer verlassen könnte. Egal wie anders ihr Verhalten auch sein Mag. Sie war genau die richtige Freundin. Dies war sich Swetlana mehr als bewusst.

Am Abend rief sie bei Lena Ljubov an. "Lena Ljubov, Guten Abend?" Hörte sie am anderem Ende des Telefons. "Guten Abend. Hier ist Swetlana Petrova. Ich wollte mich mit Ihnen unterhalten," Sagte sie zögernd. "Wegen Jackeline, Ewa, oder Planinka?" Fragte Lena. "Wegen meiner Kollegin Planinka. Heute gab es eine...ich weiß selber nicht was es war auf dem Parkplatz vom Supermarkt," meinte Swetlana. "Ach, der Meltdown?" Fragte Lena. "Wenn dass so heißt. Darum rufe ich an. Ich kenne mich überhaupt nicht mit ihrer Behinderung aus. Ich weiß nicht einmal, ob es eine Behinderung ist und ich bin mir nicht sicher, ob ich es so richtig gemacht habe. Hatte Planinka Ihnen alles erzählt?" Fragte Swetlana. "Erstmal, ja, was sie noch wusste hatte sie erzählt und es klang so, als hätten Sie richtig gehandelt. Wenn Sie mal einen Fehler machen, wird es nicht der Weltuntergang sein. Das einzige, was passieren kann, ist dass sie sie an triggern und sie heftiger reagiert, was sie selber hinterher gar nicht mehr weiß. Und das zweite, Autismus wird in Deutschland als Seelische Behinderung gesehen. Wenn Ihnen dass etwas weiterhilft," meinte Lena. "Oh, danke, Sie haben mir sehr geholfen. "Meinte Swetlana:" Planinka ist mir sehr ans Herz gewachsen und ich möchte sie nicht mehr missen. Daher hatte ich Angst, dass ich etwas falsch gemacht haben könnte." "Keine Ursache. Soll ich Ihnen über Jackeline eine Infobroschüre Über Autismus mitgeben, wo die wichtigsten Besonderheiten aufgeschrieben sind?" Fragte Lena. "Dass wäre nett," antwortete Swetlana. "Na dann, Tschüss, " Sagte Lena. "Tschau," antwortete Swetlana, bevor sie auflegte. Sie war nun mehr als erleichtert. Sie packte noch schnell ein paar Bücher ein, ehe sie sich zu Bett legte.

Ot Ljubov-Normal ist RelativWo Geschichten leben. Entdecke jetzt