Gedankenverloren packe ich mir die wichtigsten Dinge für eine Nacht ein. Schlafsack, Zahnbürste und Abschminktücher. Das muss reichen. Fast hätte ich meine XXL-Ration an Schokoriegeln vergessen, die ich mir vorhin noch gekauft habe.
Eigentlich freue ich mich auf den kleinen Roadtrip, aber ich hab keine Ahnung, wie ich diese sexuelle Spannung zwischen Lucas und mir aushalten soll. Na gut, als Spannung kann man das auch nicht bezeichnen, er ignoriert mich ja. Meint er nicht, dass dieses Verhalten viel auffälliger ist? Aber die logische Vorgehensweise ist wohl nicht so seine Stärke. War sie noch nie.
In unserer Auffahrt versuchen die Jungs gerade eine Kiste Bier unter den Plätzen des Neunsitzers zu verstauen. Es ist ein typisches altes Modell in Orange und lässt in mir sofort Sommergefühle aufkeimen.
Als sie mich mit meinen Flip-Flops ankommen sehen, da grinst mir Alexander schon entgegen. Noah seufzt auf und Lucas wendet sich wieder übertrieben konzentriert dem Bier-Kisten-Problem zu. Na toll, das kann ja was werden, denke ich.
»Leia!«, ruft Marlene aus dem Inneren des Wagens. Sie hat es sich bereits auf einem der beiden Beifahrersitze bequem gemacht.
Erfreut lasse ich meine Tasche fallen, reiße die quietschende Tür auf und lasse mich neben ihr nieder. Ich falle ihr um den Arm.
»Girl, du rettest mich!«, nuschle ich in ihre Haare und hoffe, dass mich keiner hören kann.
»Und du erst mich«, beteuert sie.
Als ich mich von ihr löse macht sie plötzlich ein etwas bedrücktes Gesicht. »Was denn los?«, frage ich besorgt.
»Sag ich dir später«, entgegnet sie. »Aber mach dir keine Sorgen!«
»Gut, ich nehm' dich beim Wort«, warne ich sie mit einem Grinsen und sie lächelt zurück. Das beruhigt mich schon einmal fürs Erste.
Nach einer guten halben Stunde ist das Auto voll und das Gepäck verstaut. Wir können endlich starten.
Marlene und ich sind von den Premium-Plätzen auf die hinterste Bank verbannt worden. War doch klar, dass sich diese drei Kerle wieder wie großkotzige Machos verhalten. Ich sitze ganz rechts und neben Marlene in der Mitte sitzt auch noch Sam. Toll, ich bin echt ein hoffnungsloses Opfer!
Immerhin hat Alexander einen Bluetooth-Lautsprecher dabei und wir haben alle Fenster offen, sodass der warme Wind des Tages durch den Wagen bläst. Obwohl der Wagen Alexander gehört, ist Noah am Steuer. Klar, der muss sich doch immer aufspielen. Die anderen haben bereits mit dem Trinken begonnen und reichen Bierflaschen durch die Sitze.
Eigentlich ist es nicht so meins, schon um drei Nachmittags mit dem Trinken zu beginnen, aber Sam drückt Marlene gerade einen Kuss auf die Stirn und zieht sie zu sich. So reiße ich Laurin die Bierflasche förmlich aus den Händen, als er sie mir anbietet. Schnell nehme ich einen großen Schluck und kleckere dabei fast die Hälfte auf den Sitz. Der Umstand, dass ich genau in dem Moment trinke, als Noah eine unerwartete Linkskurve macht, beschreibt mein Leben.
Nach etwa zwei Stunden machen wir auf einer Autobahnraststätte halt. Ich muss vom vielen Biertrinken dringend pinkeln. Die Jungs platzen förmlich aus dem Wagen und ich bin froh, dass sich Sam den Jungs gleich anschließt.
Ich lasse mir mit Marlene Zeit und schlinge einen Arm um sie, als wir aus dem Wagen steigen. »Na, wo drückt der Schuh?«, frage ich sie kichernd und ich merke im selben Moment, dass sich mein Kopf bereits dreht und ich auf die Stütze von Marlene eindeutig angewiesen bin.
Marlenes Ausdruck trübt sich augenblicklich. »Leia ...«
»Sag schon!«, dränge ich sie und wir bleiben mitten auf dem heißen Parkplatz stehen, auf den die Sonne erbarmungslos herunterknallt.
»Ich hab mit Sam geschlafen«, bringt sie zerknirscht hervor.
»Na und, das ist doch klasse!«, rufe ich aus. Marlene macht doch sonst auch keine große Sache aus so was. Außerdem sind sie zusammen und das kann Marlene nur von den wenigsten Kerlen behaupten, mit denen sie geschlafen hat.
»Nein, nein, das ist es nicht...«, murmelt sie.
Ich platze vor Aufregung, wenn sie mir nicht gleich sagt, was Sache ist. »Rede Marls!«, zische ich und packe sie an den Schultern.
»Das Kondom ist gerissen!«, schreit sie dann plötzlich raus und die Menschen um uns herum werfen und kopfschüttelnde Blicke zu.
Sollen sie doch gaffen! Wir sehen die Hohlköpfe eh nie wieder.
»Du hast doch sicher die Pille danach genommen«, sage ich beruhigend.
»Ja klar«, gibt sie mir mit Verzweiflung zu verstehen, »aber meine Tage sind schon seit fünf Tagen überfällig und so langsam werde ich hier noch verrückt!«
»Aber die Pille danach ist doch sicher«, erinnere ich sie.
»Nicht immer, Leia«, sagt sie niedergeschlagen, »nicht immer.« Ihre Schultern fallen in sich zusammen. »Ich weiß echt nicht mehr, was ich machen soll ...«
»Und was sagt Sam dazu?«, frage ich und schirme mit meiner Handfläche die Sonnenstrahlen ab.
»Spinnst du, das darf er doch nicht wissen, da versaue ich ihm doch alles!«, zischt sie.
Manchmal ist Marlene echt doof. »Sag es ihm! Er ist sicher voll lieb«, beteuere ich.
»Nein und basta!«, zischt sie entschieden.
»Gut, dann kaufen wir dir jetzt eben sofort einen Schwangerschaftstest«, entscheide ich.
»Gibt's denn sowas auf Tankstellen?«, fragt sie stutzig.
»Klar«, sage ich. Jedoch mit einem Schulterzucken und hoffe dabei inständig, dass es in dem heruntergekommenen Saftladen einen Test gibt. Wäre ich an ihrer Stelle, würde ich ohnehin bereits am Durchdrehen sein.
Entschlossen laufen wir in der sengenden Hitze auf den Laden zu. Drinnen ist es wenigsten kühl.
»Und wo finden wir jetzt diesen verdammten Test?«, raunt mir Marlene zu.
»Ganz ruhig, ich frag eine Mitarbeiterin.«
Marlene grinst. »Du hast nicht nur ein Bier getrunken, hab ich recht?«
»Musst du immer alles hinterfragen?«, kichere ich. Aber sie hat recht, im nüchternen Zustand würde ich mich das wohl nicht trauen.
»Meinetwegen, dann frag, aber sei nicht zu laut!«, mahnt Marlene mich.
Entschieden gehe ich auf die Barbie hinter dem Thresen zu. Will die so etwa einen Lastwagenfahrer aufreißen, oder was? »Entschuldigung«, frage ich, als ich endlich dran bin. »Führen sie auch...Schwangerschaftstests.« Das letzte Wort flüstere ich so leise, als würde ich nach illegalem Rauschgift fragen.
»Gleich da hinten«, entgegnet sie und deutet mit ihrem kaugummikauenden Kinn in die Ecke.
»Danke«, entgegne ich und drehe mich etwas beschämt zu den anderen Leuten um. Die Jungs haben bereits ein paar Sixpacks Bier unterm Arm und stehen auch in der Schlange. Nur gut, dass sie so weit hinten sind, dass sie mich nicht gehört haben können.
»Hier hinten«, flüstere ich Marlene zu und ziehe sie mit.
»Dreiundzwanzig Euro?!«, kreischt sie auf, als wir ihn schließlich im untersten Regalfach gefunden haben.