JUST IMAGINE

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"Ask her, what she craved
and she'll get a little frantic about things like books, the woods, music.
Plants and the seasons.
Also freedom."
-Charles Frazier
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Stell dir vor...

Stell dir vor, da ist ein Roman in dir, den du nicht schreiben kannst, weil der Lektor, das Herz, sich wohl dazu entschlossen hat, über Nacht japanisch zu lernen.
Deine Worte schreiben sich erschreckend ähnlich wie die der unglaublichen Autorin von Writers in New York, G. S. Lima, die eigentlich Gabriella Santos De Lima heißt. Dieser Name ist wunderschön und dir wird klar, dass du eigentlich genauso heißen möchtest, weil deine eigenen Buchstaben, die die wohl so etwas wie Vor- und Nachname ergeben sollen, viel zu hässlich sind. Damit würde sich nicht einmal ein gutes Autorenpseudonym bilden lassen und sobald du diesen Gedanken zu Ende gedacht hast, möchtest du dich selbst für ihn bestrafen, da du ohnehin niemals die Druckfahne für deinen ersten eigenen Roman vor dir auf dem Schreibtisch anstrahlen wirst, niemals dein Herz und irgendwie auch deinen Verstand verlieren wirst, während du auf Rezensionen wartest. Ganz kurz stellst du dir die Frage, wieso eigentlich nicht, und bekommst postwendend die Antwort: Du kopierst G. S. Lima, ihre Gefühle und die DU-Perspektive, du möchtest Menschen berühren und dann verstehen, dass du es nicht kannst, weil in dir kein Autor steckt. Und außerdem hat sie dir beigebracht, dass zu schlechtem Stil Wortwiederholungen zählen.
Stell dir vor, du hast Angst und weißt nicht wovor. Stell dir vor... Stell dir bloß vor, du willst schreiben und gleichzeitig nicht.

Hör den kanadischen Locken, Augen und dem Herzen zu, dass dir drei ganze Alben und jedes Interview, jedes magische Wort lang verspricht, dass du niemals alleine sein wirst. Stell dir vor, dass da einer Shawn Mendes heißt und du ihm heute - nur heute - nicht so richtig glauben kannst. Du schämst dich dafür, weil Shawn ja eigentlich immer so ehrlich ist. Deswegen hat sich die kleine Ecke, in deinem Herzen, die Fangirl heißt, so erwärmt und gefreut, als sie ihn erkannt hat. Du fragst ihn, wo die Sterne sind, von denen er singt und obwohl du seine Rückworte nicht vernimmst, klammerst du dich an den Schlaf und hoffst, dass er dich nicht im Stich lässt.

Stell dir vor, du denkst, es wäre einfach, dich im Stich zu lassen, weil du heute zerbrochen bist. Mama ist sauer geworden, nachdem du fast das Bad überschwemmt hättest und dann warst du mit Wut an der Reihe. Am allermeisten wütend machte dich deine Angst und die Realität, dass dein Leben aus Angst bestehen wird. Du willst weglaufen und kannst es bloß metaphorisch. Einen abgefuckten Moment lang hoffst du, dass dich das Leben einholen wird, wenn es soweit ist und kommst ihm nicht entgegen. Da sind Tränen, über die du nicht sprichst.

Stell dir vor, du hast Angst vergessen zu werden, weil du dich selbst vergisst und gleichzeitig ekelhaft egoistisch bist. Du dir wünschst, liebesroman-protagonistenmäßig geliebt zu werden, weil du dich selbst nicht liebst. Du blätterst um. Und da ist nicht einmal ein winziger Klecks Tinte.

Stell dir vor, du hörst deinen kleinen Bruder, der gar nicht mehr so klein ist, lachen wie seit Jahren nicht mehr und wünschst dir, dass er öfter neben dir lachen würde, während du weißt, dass du ihm nur selten Lach-Bauchkrämpfe bescheren kannst. Vielleicht konntest du es nie.

Hast du dir bis hierhin alles vorgestellt? Hast du es gesehen? Sehr gut. Mach weiter.
Stell dir bunte Stimmen vor, die dir von einer Zukunft erzählen, die nicht deine eigene ist. Male dir deine Träume aus, wie sie in ihrer reinsten Form wären und wie sie klingen würden, wenn man der Angst ihre Stimme stiehlt.
Deine Freundin, die mit dem Herzen liebt und voller Seele schreibt, studiert Medizin und wenn du ihr zuhörst, dann spürst du Lebensgänsehaut auf deinen Armen. Du wagst es, dich eine Sekunde lang, der Illusion hinzugeben, die dir verspricht, dass jede Möglichkeit noch immer dir gehörte.
Stelle es dir vor. Nur noch ein einziges Mal. Dein Spiegelbild, das dich anlächelt. Stell dir vor, du könntest alles tun.

Zehn... Neun... Acht... Sieben... Sechs... Fünf... Vier... Drei... Zwei... Eins...

Jetzt? Hör auf, es dir vorzustellen. Die Fiktion ist verschwunden, obwohl sie nie da war. Lies den letzten Satz, von mir aus auch das letzte Kapitel.

Schlage das Buch zu und schreibe dein Ende.

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Mit diesem OS, der keiner ist, wollte ich euch etwas über mich selbst erzählen. Obgleich ich mir sehr sicher bin, dass niemand von euch jemals etwas davon wissen wollte :D

IHR KÖNNT ALLES TUN.

Maggie <3

ONE SHOTS - s.m. & c.c.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt