19. Kapitel

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Blitzartig fährt Camilla zu mir herum, so, als hätte sie nur darauf gewartet, mit mir allein sein zu können.

„Aber jetzt etwas Anderes. Wir müssen uns wirklich überlegen, was genau hier vor sich geht. Diese Hinweise... diese Prüfungen werden immer rätselhafter. Wir haben nur noch wenige Tage Zeit, bevor dieses Level des Wassers beginnt... wie die Roboter es angedeutet haben. Und dann das mit dem Ring. Weißt du wirklich nicht, wo und wann du den schon mal gesehen hast? Vielleicht könnte das hilfreich sein..." 

Völlig überwältigt von dem, was sie gesagt hat, von diesen Komplimenten, der Tatsache, dass jemand an mich glaubt, dass sie an mich glaubt, starre ich sie einen Moment lang nur fassungslos an. Meine Hand in ihren Arm gekrallt, was ihr vermutlich wehtun müsste. Davon lässt sie sich aber nichts anmerken. 

Offenkundig verhält es sich so. Sie meint alles von dem, was sie gesagt hat, vollkommen ehrlich. Ganz ernst, nahezu nachdenklich sieht sie mich jetzt an und ich bringe ein schwaches Lächeln zustande. Dann habe ich meine Sprache wiedergefunden. 

„Danke. Wirklich. Du bist unglaublich! Camilla, und ich bewundere dich. Na ja, das hast du mir ja angesehen. Danke für einfach alles!" 

Etwas verlegen lache ich kurz auf, um die Situation etwas aufzulockern. Es fällt mir nicht leicht, über meine Gefühle zu sprechen nach über sechzehn Jahren, in denen ich gelernt habe, mich zu verstellen, anders sein zu müssen und immer alleine damit klarzukommen. 

Gerade, als ich mich wundere, warum meine Wangen noch nicht brennend heiß geworden sind, sehe ich Camilla endlich richtig ins Gesicht. Sie lächelt mich dankbar an. Das nimmt mir meine restlichen Zweifel.

„Ich hatte noch nie eine richtige beste Freundin, mit der man über alles reden kann und so... aber ich glaube, das ändert sich gerade. Also, ich würde dir sofort erzählen, was ich über den Ring weiß. Aber es ist alles so verschwommen. Und dunkel, verzerrt... Dieses Bild vor meinen Augen..." 

Camillas Lächeln erstirbt und sie reißt ihre dunklen Augen noch weit auf, während ich einmal mehr diesen unangenehm schneidenden Wind spüre, der sich um uns schließt und die Sonne für den Bruchteil einer Sekunde einer allgegenwärtigen Dunkelheit zu weichen scheint. 

Ich weiß wirklich nicht, was für eine Wahrnehmungsstörung ich habe oder warum sich der Himmel schon wieder genau meinem emotionalen Zustand anpasst... 

„Was für ein Bild? Shay, nun sag schon!" 

Langsam löse ich meine Hand von Camillas Arm, nehme vage den beachtlichen Abdruck wahr, den meine Fingernägel dort hinterlassen haben und hebe die Hand dann an, um Camilla verstehen zu geben, einen Moment zu warten. 

Ich schließe die Augen, versuche, ganz ruhig zu werden, um mir das Bild noch einmal vor Augen zu führen. Langsam und tief atme ich ganz ruhig durch, gegen den Wind an und gegen die Energie, die mal wieder in mir aufkeimt. 

Ganz ruhig, Shay. Du bist nicht mehr alleine, nicht mehr alleine...

Der Wind und die Energie machen mir nichts mehr aus, ich kann wieder durchatmen und ganz kurz bekomme ich es zu fassen. 

„Also einmal bin da ich. Also... das denke ich zumindest. Und vor mir viele Personen, die langsam auf mich zukommen. Sie tragen alle das gleiche helle Gewand. Ihre Haut sieht irgendwie... bunt aus. Und dann ist da... der Ring an ihren Händen! Sie heben die Hand und kommen näher... und... das war's." 

Mit einem merkwürdig aufgewühlten, mulmigen Gefühl öffne ich wieder die Augen. Camilla zappelt ganz wild vor meinem Gesicht herum und ruft ein paar Mal meinen Namen, bevor ich es wahrnehme. 

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