„Wow. Du taust auf.“
„Scheint so. Alec meinte, ich habe ein eigenes Budget, erklärst du es mir?“
„Na ja, als Prinzgemahl hast du natürlich Geld zur Verfügung, damit du es für das Land, aber auch deine Bedürfnisse einsetzen kannst. Wie du es ausgibst, ist allein deine Entscheidung, du solltest nur darüber Buch führen.“ Aus einem Regal in meinem Arbeitszimmer holt er ein dünnes Buch aus Samt. „Hier drin steht, wie viel du zur Verfügung hast und darunter kannst du notieren, wie viel du zum Beispiel für Kleidung, Geschenke oder so ausgibst.“
„In Ordnung. Du hast es mir, glaube ich, schon mal erklärt, aber warum ist welcher Lord jetzt wichtig?“
„Wegen ihres Einflussbereiches. Lord Astrodons Fürsten haben zum Beispiel die meisten Wirtschaftsbetriebe in ihren Landen und so vertritt er deren Interessen. So ist es bei jedem Lord mit einem anderen Bereich.“ Zusammen gehen wir noch die anderen Bereiche und Lords durch, bis ich einen ungefähren Überblick habe.
Dann stelle ich endlich die Frage, die mir schon seit längerem auf der Zunge brennt: „Und was ist Kenneth?“
„Kompliziert. Vor allem das.“ Als ich nichts sage, fährt er fort. „Der König war schon immer sehr mit Regieren beschäftigt und hatte dadurch nicht immer Zeit für Alec, die Königin hat Alec nie kennengelernt und den Kindermädchen ist er immer entwischt. Also hat Kenneth ihn unter seine Fittiche genommen und ihm alles beigebracht, was er als Militärberater weiß. Alec hat von ihm Kämpfen und führen gelernt, ganz abgesehen von tausend anderen Dingen, die sie in der Zeit wohl noch besprochen haben. Man könnte sagen, Kenneth ist Alec´zweiter Vater.
„Danke.“ Nachdenklich sehe ich auf das Buch in meinen Händen. Mein Partner ist viel mehr, als der Drache, den ich in der Schule kennengelernt habe. Ein richtiger Prinz eben, was hier etwas ganz anderes zu heißen scheint, als bei den Elfen. „Hol mir bitte Bittbriefe von heute.“
„Alle? Du weißt schon, wie viele das sind, oder? In die Bibliothek kommen auch schon nicht alle.“
„Ein paar reichen mir. Hol einfach ein paar aus der Bibliothek.“
Jade nickt und geht. Ich widme mich den Briefen, die ich mir gestern noch geholt hatte. Eigentlich wollte ich sie mit Alec besprechen, doch nun, wo ich selber helfen kann, entfällt das. Natürlich kann ich nicht jedem helfen, doch ein paar besonders Dringenden schon.
Als es klopft, erwarte ich Jade mit den Briefen, doch stattdessen betritt ein zierlicher Drache zögerlich mein Arbeitszimmer.
„Ja?“, fragend sehe ich ihn an, während er den Boden mustert.
„Ich bringe ihnen die Briefe, um die sie gebeten hatten.“ Wie zum Beweis hält er sie hoch, bevor er etwas näher an meinen Schreibtisch tritt.
„Danke sehr, leg sie einfach ab. Ich sehe sie gleich durch.“ Ich schicke ihm ein klein wenig Ruhe und Zuversicht über meinen Geist und er entspannt sich wirklich etwas, während er tut wie ihm geheißen. Dann bleibt er zögerlich stehen, traut sich endlich, mich anzusehen.
„Ja? Was möchtest du fragen?“
„Ich habe gehört, dass ihr dem Volk helfen wollte“, sprudelt es aus ihm heraus, „und ich weiß, dass es für viele ein großer Traum ist, im Palast arbeiten zu dürfen, allerdings wird das meist nur familiär weitergegeben und andere haben kaum eine Chance hereinzukommen. Und selbst wenn man in einer Palastfamilie geboren wurde, kann man nicht mitentscheiden, welchen Posten man gerne hätte.“
„Und deswegen schlägst du was vor?“
„Eine Art Casting?“ Seine Stimme zittert unsicher, als würde ich ihm gleich den Kopf abreißen. Verwirrt über diese Angst schüttle ich den Kopf, was ihn noch ein Stück blasser werden lässt als ohnehin schon. „Es war nur so eine fixe Idee ... Wenn sie euch nicht gefällt ...“
„Nein, ich finde die Idee gut. Allerdings wüsste ich gerne, wovor du solche Angst hast.“
„Na ja, ihr seid der Prinzgemahl und normalerweise hat nur Jade wirklich Kontakt zu euch. Und der darf nichts sagen, also gibt es eigentlich nur Gerüchte ...“
„Die da wären?“
„Ihr, also, ihr seid ein Elf, deswegen wird gefragt, ob ihr uns wirklich versteht und sowas eben?“
„In Ordnung. Ich bin vielleicht ein Elf, aber so sehr unterscheiden sich unsere Bedürfnisse auch nicht von einander. Also werde ich mein bestes tun, um euch und diesem Land zu dienen. Verstanden?“
„Ja, Sir.“
„Nenn mich einfach Lucius. Wenn es sein muss, Prinz Lucius, aber lass dieses Förmliche. Und zu deinem Vorschlag, ich denke, das könnte gut werden. Du kennst dich am Palast gut aus, oder?“
„Klar, ich bin schon mein ganzes Leben hier, Sir, also Lucius.“
„Gut. Dann wirst du das Casting organisieren. Offensichtlich hast du ja Kontakte zu denen, die an bestimmte Posten wollen. Sollte es Schwierigkeiten geben, melde dich bitte bei mir oder Jade.“
Überrascht sieht er mich an. „Verstanden. Danke. Ich werde mein Bestes geben.“ Und schon ist der Drache mit einer kleinen Verbeugung verschwunden.
Eine seltsame Begegnung. Es gibt also Gerüchte über mich ... Und die klingen nicht gerade gut, finde ich. Ich frage mich, was Jade dazu sagt.
Natürlich kommt er auf mein Klingeln hin, doch danach gefragt, zuckt er bloß die Schultern: „Es gibt natürlich Gerüchte, die gibt es immer, aber ich würde mir nicht zu viele Sorgen darum machen. Die sollten bald verstummen, wenn ihr weitermacht, wie jetzt. Und spätestens wenn die Krönung endlich hinter uns liegt, dürften alle von euch überzeugt sein. Davor gibt es wohl immer ein paar Diskussionen und Unruhen. Das ist heute nicht anders als zur Zeit unseres jetzigen Königs.“
„Okay, hoffen wir, du hast Recht. Warum eigentlich mein Besucher vorhin? Ich vermute doch richtig, dass du dahinter steckst?“
„Stimmt. Ich dachte mir, du könntest dich ganz gut mit ihm verstehen. Navid hat oft ganz interessante Ideen in die Richtung, in die du auch denkst.“
„Offensichtlich. Er wird ein Casting für einige Stellen im Palast veranstalten, damit Drachen an die Stellen kommen, an die sie wollen und nicht familiengebunden einfach nachrücken.“
„Ich werde sehen, wie ich ihm dabei helfen kann. Heißt das, ich soll euch auch die internen Beschwerden vermitteln? Es gibt da ein paar, die an so etwas interessiert sind und eventuell stoppt es auch die Gerüchte.“
„Den Ansatz finde ich gut. Ich muss nicht jede Kleinigkeit wissen, aber es wäre bestimmt gut, da Kontakte zu haben. Sorg aber bitte dafür, dass nicht nur palastinterne Sachen durchkommen, sondern auch welche aus dem Reich.“
„Ich werde nach einem guten Maß suchen. Soll ich auch ein paar Termine von Alec für dich einplanen?“
„Klingt gut. Danke.“
„Dafür bin ich da. Außerdem bin ich auch gespannt, wohin das führen wird. Und da bin ich wohl nicht der Einzige.“
„Glaube ich gerne.“ In Gedanken versunken sehe ich ihm nach. Vermutlich kann mir keiner sagen, ob das, was ich hier tue, gut ist, doch immerhin fühlt es sich so an. Und zumindest bei den Elfen ist die soziale Struktur und Zufriedenheit eine Haupsäule des Reiches, also warum sollte sie es hier nicht auch sein?
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Der Drachenprinz
FantasyLangsam nähert sich das Schuljahr seinem Ende und während alle mit den Prüfungen kämpfen und auf die Verbindung zu einem Element hoffen, steht Lucius' größte Herausforderung erst noch bevor. Er ist ein Prinz der Elfen, doch vor Allem der Gefährte Al...