Kapitel 11

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Ich stand daneben, als Jake Maude in eine feste Umarmung zog. Sie sah ziemlich mitgenommen aus.

„Was hast du dir nur dabei gedacht, einfach so wegzugehen?", beschwerte sich Jake.

„Wir haben uns Sorgen gemacht", fügte ich hinzu und trat näher. Maude rollte mit den Augen, doch als ich sie ebenfalls drückte, wehrte sie sich nicht dagegen.

„Du kannst mich wieder loslassen", schnaubte sie schließlich. Bevor sie noch auf die Idee kommen könnte, ihre Fingernägel auszufahren, kam ich der Aufforderung nach – wenn auch nur ungern.

Nun trat auch Jared einen Schritt nach vorne.

„Nicht dein Ernst, oder?", murmelte Maude. Aber auch gegen seine Umarmung unternahm sie nichts.

„So", sagte Maude, als Jared sie losgelassen hatte. „Wenn mich heute noch irgendjemand von euch auch nur berührt, kratze ich ihm die Augen aus."

Ich schüttelte den Kopf. Wie konnte man nur keine Umarmungen mögen?

„Machen wir uns auf den Heimweg", sagte Jake. Er wandte sich zu Mel. „Danke, dass du sie zurückgebracht hast."

Mel winkte ab, während Maude bloß mit den Augen rollte.

Jared nickte zustimmend, den Blick auf mich gerichtet. „Bevor wieder dieser Typ auftaucht, den du gesehen hast."

Mit einem Schlag wurde es still.

„Wovon redet er?", fragte schließlich Jake.

Auf dem Rückweg erzählte ich ihnen alles, von den schwarzen Augen bis zu den spitzen Zähnen. Je mehr ich sagte, desto schneller schienen wir zu gehen. Anscheinend wollten die anderen genauso dringend aus dem Wald wie ich.

„Und dann ist Jared aufgetaucht und das Wesen war weg", endete ich, als wir den Waldrand erreichten. Ich atmete auf. Wenn sich irgendein Mörder an uns heranschleichen wollte, hatte er zumindest keine Bäume mehr, hinter denen er sich verstecken konnte.

„Vielleicht war es ein Ghoul, der dich angegriffen hat", schlug Jake vor.

Jared neben ihm schnaubte. „Es gibt keine Ghouls."

„Und ob es die gibt!"

„Hast du schon einmal einen gesehen?"

„Nein, aber es gibt genügend Geschichten von Leuten, die das getan haben."

„Da hast du deine Antwort."

Ich konnte es nicht fassen. Stritten die beiden gerade wirklich über die Existenz irgendeines übernatürlichen Wesens? Jake und Jared? Der Vampir und der Werwolf?

„Vielleicht war es einfach irgendeine Vampirmutation", warf nun Mel ein.

„Ein Vampir mit schwarzen Augäpfeln?", erwiderte Maude. „Ganz sicher nicht."

„Wieso nicht? Mutationen gibt es auch bei Werwölfen. Sie sind zwar selten, aber sie kommen durchaus vor."

„Wer sagt, dass es keine Werwolfmutation war?"

Ich wollte gerade sagen, dass der Typ weder einem Vampir, noch einem Werwolf ähnlichgesehen hatte, als ich den gewaltigen Lieferwagen vor meinem Haus entdeckte.

„Was zum Teufel?", murmelte ich und trat näher. Die Hintertür des Wagens ging auf und drei Männer stiegen aus. Beladen mit unzähligen Kisten.

„Bringt einfach alles hinein!", hörte ich eine vertraute Stimme rufen. Meine Mutter kam aus dem Haus. Ihre Augen wurden groß, als sie mich sah. „Lina? Was machst du denn hier? Ich dachte, du wärst in deinem Zimmer!"

Die Bewohner von Harrowville (Band 1: Spinnen) | Wattys 2022 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt