Taehyung und ich machten uns am Nachmittag auf zum Frühlingsfest des Dorfes, um den letzten Teil von Cho Yejins Pansori Performance nicht zu verpassen. Ich freute mich und war gespannt, aber gleichzeitig hingen meine Gedanken auch dem Geschehnis von heute Morgen hinterher.
Ich hatte Kim Mirae seitdem nicht mehr gesehen. Ihre Gießkanne war allerdings von der Stelle verschwunden, an der ich sie zurückgelassen hatte und die Schiebetür hatte meine Nachbarin ebenfalls geschlossen. Ob sie nun einen Arzt auf ihren Knöchel schauen ließ oder nicht, wusste ich nicht. Ich hatte zumindest nicht mitbekommen, dass sie ihr Haus verlassen hatte. Vielleicht hätte ich sie fragen sollen, ob sie Hilfe benötigte. Sie konnte ja nicht einmal mehr richtig laufen.
Taehyung stupste mich an und riss mich aus meinen Gedanken. Zum wiederholten Male an diesem Tag.
"Was ist los mit dir? Denkst du jetzt doch darüber nach, warum Yejin mich gestern abgewimmelt hat? Vergiss es, ich glaube du hattest recht damit, dass sie einfach nicht über ihr Alter sprechen will. Aber das macht mich nur noch neugieriger. Es wäre interessant mal etwas mit einer Frau zu haben, die älter und vielleicht noch etwas erfahrener ist", erzählte er und hörte nicht mehr auf. Irgendwann ging er mir zu sehr ins Detail, so dass ich ihn anstupste.Wir gesellten uns zu den Dorfbewohnern, die bereits vor der Bühne platzgenommen hatten. Cho Yejin ließ auch nicht lange auf sich warten. An diesem Tag war ihr Hanbok unschuldig rosa, verziert mit gelben Blüten. In ihr dunkles Haar hatte sie ein sanft gelbes Tuch geflochten.
Sie schritt langsam zur Mitte der Bühne, ein freundliches Lächeln im Gesicht. Doch irgendetwas schien heute anders. Sie schien nicht ganz so fröhlich zu sein wie an den Tagen zuvor.
Als sie sich vor ihr Gayageum niederließ verschwand mein Gefühl allerdings wieder, denn sie wandte sich mit heiterer Stimme an das Publikum.
"Heute erzähle ich euch den letzten Teil der tragischen Geschichte. Aber bevor ich beginne, wollte ich noch allgemein ein paar Worte an euch richten. Diese Geschichte mag vermutlich dazu anregen, darüber zu überlegen, was alles schlechtes im Leben passieren kann und dass es für die meisten von uns am Ende des Tages kein Happy Ending geben wird. Ganz speziell der Frühling markiert jedoch den Neubeginn des Lebens. Es ist die Zeit für neue Anfänge, für das Schöpfen von Hoffnung und wenn wir hoffen und daran glauben, dann erreichen wir auch unser lang ersehntes Happy Ending, auch wenn es vielleicht nicht das ist, was wir uns vorgestellt haben. Die Dinge verlaufen manchmal anders, als wir es planen, doch wenn wir an den positiven Dingen festhalten und ihnen eine Chance geben, haben wir immerhin etwas, an dem wir uns am Ende erfreuen können. Selbst, wenn der Frühling endet, bedeutet das nicht das Ende für die sterbenden Blüten und schlafenden Tiere. Sie kehren immer wieder zurück und bringen etwas neues Gutes auf die Welt. Dadurch erfüllt sich ihr Leben und auch unseres."
Sie senkte den Blick und spielte eine Melodie auf ihrem Saiteninstrument. Sie war zart und fließend und das Bild eines klaren Bachlaufes in einem Wald formte sich vor meinem inneren Auge.
Cho Yejin begann zu singen und es klang zuerst so schmerzvoll und tragisch, wie am Tag zuvor, doch dann klang der Schmerz mehr und mehr ab und die zuvor erwähnte Hoffnung breitete sich immer weiter aus, bis zum Ende des Pansori nichts anderes mehr den Marktplatz erfüllte, als die Hoffnung, die den Schmerz besiegte und zu einer Erinnerung machte, an der man gewachsen war, statt sich von ihr kleinmachen zu lassen.Es war alles ruhig, nach dem letzten Klang des Gayageum. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit verflogen war. Da waren nur unzählige Emotionen, die die Luft erfüllten, sowohl vergangene, als auch gegenwärtige.
Die Sängerin erhob sich langsam, verbeugte sich und nahm ihr Instrument an sich ehe sie ebenso langsam von der Bühne ging, wie sie sie betreten hatte. Sie wirkte hoheitsvoll, betont gerade und mit einem sanften Lächeln. Doch ihre Haut wirkte kränklich blass und es fiel mir erst jetzt auf. Ihre sonstige, gesund wirkende Blässe hatte plötzlich einen gräulichen Unterton, doch ehe ich Cho Yejin genauer betrachten konnte, war sie auch schon hinter der Bühne verschwunden.
Sie tauchte das ganze Fest über nicht mehr auf.
"Sie geht mir bestimmt aus dem Weg", kommentierte Taehyung, während ich mich abermals nach ihr umsah. Mittlerweile war ich mir nicht mehr sicher, ob meine Sorge um die Musiklehrerin wirklich berechtigt war oder ob ich mir nur eingebildet hatte, dass sie kränklich ausgesehen hatte. Es war sicherlich nur die Anstrengung gewesen, die mit einem Pansori einherging. Solch eine Performance war immerhin ein ziemlicher Konzentrationsakt.
"Ich denke nicht, dass sie auch nur einen Gedanken an dich verschwendet. Höchstens ein wenig Mitleid, weil sie dich zum Arbeiten geschickt hat, nachdem sie dich hat abblitzen lassen."
Taehyung schmollte wieder, aber nur für ein paar Sekunden, da er sich interessiert zu einem der Marktstände umwandte und die Ware betrachtete.An diesem Abend blieben wir bis zum Ende des Festes. Es wurde noch ein bisschen Musik gespielt von Anwohnern, die ein Instrument beherrschten und eine Frau mittleren Alters stimmte einen schwungvollen Trot an, den nahezu alle mit trällern konnten.
Für einen Moment machte es Spaß, den Dorfbewohnern dabei zuzusehen, wie sie sich amüsierten und wie Taehyung sich unter die Reihen mischte und sich mit jedem, den er ansprach gut verstand.
Aber immer wieder wanderten meine Gedanken umher, fragten sich, wo Cho Yejin abgeblieben war und ob sie nicht mit dem Rest des Dorfes den Abschluss des Festes feiern wollte. Selbst ihr stämmiger Trommelträger hatte sich dazugesellt und tanzte mit einer halb so großen Großmutter, die ziemlich alt zu sein schien, aber noch komplett fit auf den Beinen war. Fragte er sich nicht, wo die Frau abgeblieben war, für die er ziemlich sicher etwas übrig hatte?
Und dann der Gedanke an meine verletzte Nachbarin. Sie saß allein Zuhause und vielleicht dachte sie ja auch an die rauschende Feier des endenden Frühlingsfestes, das sie an keinem einzigen Tag besucht hatte. Kim Mirae hatte heute nicht danach ausgesehen, als wollte sie das Dorf verlassen, um in die Stadt zu fahren. Vielleicht hatte sie sich ja heute zur Abwechslung mal entspannen und das Fest besuchen wollen, doch stattdessen hatte sie sich den Fuß umgeknickt.Ich dachte noch immer über die beiden Frauen nach, während Taehyung und ich den Nachhauseweg einschlugen. Zur Abwechslung war Astra Black einmal komplett aus meinen Gedanken gestrichen oder zumindest war nur noch ein kleines, zurückgedrängtes Echo von ihr übrig.
Taehyung merkte, dass ich mit den Gedanken überall anders war, als im Hier und Jetzt.
"Was ist los, Namjoon? Hat dir das Fest nicht gefallen? Ich fand den Abschluss super, ich habe noch nie so viele alte Leute eine Party feiern sehen."
Ich schüttelte den Kopf.
"Ich fand das Fest gut, aber ich glaube, bevor ich ins Haus gehe, muss ich meiner Nachbarin noch einen kurzen Besuch abstatten. Sie hat sich heute morgen den Fuß umgeknickt und vielleicht war ich nicht ganz unbeteiligt daran."
Nun war es an Taehyung, den Kopf zu schütteln. Auf eine gespielt vorwurfsvolle Weise.
"Warum hast du eigentlich immer deine Finger im Spiel, wenn sich jemand verletzt. Ich sollte G-Dee sagen, dass sie sich von dir fernhalten soll, wenn sie ihre Streams lebend aufnehmen will."
Ich schnaubte.
"Sie heißt Mirae. Und ich glaube, man braucht nicht unbedingt seine Füße, wenn man einen Computer bedient."
Dennoch fühlte ich mich ein bisschen schuldig, denn ich hatte sie heute morgen vermutlich ein wenig aus dem Konzept gebracht, dabei wollte sie sich nur in Ruhe um ihre Erdbeeren kümmern. Taehyung schenkte mir ein seltsames Lächeln, dann nahm er die Stufen zu meinem Haus und verschwand darin. Ich hingegen lief weiter und zögerte ein wenig, bevor ich an die Tür des Nachbarhauses klopfte. Es dauerte nicht lange, bis sich jemand darin rührte.
♫♪
[haiiii, ich habe spontan noch ein chap für euch, weil ich lust hatte noch was zu uploaden und nachher sowieso an weiteren kapiteln arbeiten werde, hehe.
i hope you all enjoy this story!
wir lesen uns mittwoch - und dieses mal wirklich! xD]
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the most painful things || kim namjoon
Fanfiction♫ Die schmerzhaftesten Dinge sind nicht die, die für jede Menschseele offen sichtbar sind, sondern die, die man unter der Oberfläche mit sich herumträgt. ♫ Als der von einer Blockade geplagte Musikproduzent Kim Namjoon in die ländlichste Gegend zieh...