48. Wir Teil 1

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Etwas unsicher beobachtete Naja wie ihr Lehrmeister um Tanis herumging und den Sitz des neuen Sattels überprüfte den sie dem jungen Drachen gerade angelegt hatte.
Seltsamerweise beruhigte es das junge Mädchen, dass auch ihr schwarz geschuppter Seelengefährten nervös zu sein schien. Der junge Drache verdrehte sich fast den Hals bei dem Versuch seinen gehörnten Lehrmeister im Blick zu behalten.
Der Sattler der Urgals hatte die Früchte seiner Arbeit wie versprochen der junge Reiterin übergeben und Naja um Tanis hatten sich bei ihren Lehrern Tar und Aroc am Rande der Reiterstadt eingefunden wo das junge Mädchen lernen sollte ihren Drachen zu satteln. Nach einigen Versuchen die vor allem ein Tanis Ungeduld gescheitert waren, hatte sie es schließlich vollbracht.
Tar überprüfte nun ob der einfache Drachensattel richtig saß während Aroc das ganze Spektakel mit stiller Würde, aus einiger Entfernung beobachtete.
"Ich denke ihr könnt es wagen." sagte Tar schließlich um Tanis stieß vor Begeisterung ein trompetenartiges Brüllen aus.
Naja freute sich ebenfalls, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Hände etwas zitterten als sie sich unter der Anleitung ihres Lehrers auf den Rücken ihres Drachens zog. Aufmerksam hörte sie zu wie der Gehörnte ihr erklärte worauf es beim Anlegen der Beinriemen ankam. Zumindest bemühte sie sich aufmerksam zu sein. Ganz gelingen wollte es ihr nicht. Zum einen spürte sie durch die geistige Verbindung Tanis ungezügelte Vorfreude und durch ihr angespannte Nervenkostüm strömten ihr bereits jetzt so viele neue Eindrücke zu, dass es schwierig war noch auf dem mahnenden Worte ihres Lehrers zu achten. Alles war neu und aufregend. Zwar hatte sie hin und wieder schon einmal auf dem Rücken ihres Drachen platz genommen aber dennoch war ihr fast schlecht vor Aufregung. An der Innenseite ihrer Beine spürte sie wie sich Tanis Flanken unter seiner Atmung hoben und senkten, wie Muskeln sich angespannten und wieder lockerten. Die ganze Welt schien ihr neu, aufregend und anders zu sein als sie sich vom Rücken ihres Seelenbruders betrachtete.
Als Tar seine Ausführungen beendet hatte trottete Aroc zu ihnen herüber, senkte seinen Kopf bis eines seiner Augen direkt neben dem von Tanis schwebte.
- "Denk an deinen Unterricht kleiner Flügel und übertreibt es nicht. Zweibeiner sind am Himmel nicht so zuhause wie wir es sind. Nutzte diese Gelegenheit um das Vertrauen deiner Reiterin in eure Bindung zu stärken! Setzte es nicht leichtfertig aufs Spiel."-
- "Das würde ich nie tun Meister. Zumindest diese Lektion habe ich gelernt." -
Naja sah Erinnerungen durch die Gedanken ihres Drachen blitzen. Bilder eines Gesprächs dass sie miteinander geführt hatten als Tanis sie am Anfang ihrer Ausbildung zurückgelassen hatte ohne sich zu verabschieden weil ein neues Abenteuer lockte. Nachdem der junge, schwarze Drache seinen Fehler begriffen hatte tat ihm dieser schrecklich leid und er hatte sich mehrfach entschuldigt.
Auch Aroc schien diese Tatsache nicht vergessen zu haben. Der ältere Drache lachte leise und stieß seinen Schüler sanft mit der Schnauze an.
- "Ich weiß dass du viel gelernt hast kleiner Flügel. Nicht nur diese Lektion sondern auch viele andere aber in der Aufregung vergisst man manche Dinge einfach leicht." -
Tanis brummte nur leicht beschämt während Aroc und Tar einige Schritte zurücktraten.
-"Bereit?"- erkundigte sich Tanis durch die geistige Verbindung.
Naja musste schwer schlucken und fühlte sich trotzdem nicht zu einem gesprochenen Wort bereit. Da sie ihrer Stimme nicht traute schickte sie dem jungen Drachen einfach eine geistige Bestätigung und schlang die Arme fest um den Hals ihre Seelenbruders.
Für Tanis gab es damit kein Halten mehr. Als er seine Muskeln anspannte und seine Flügel ausbreitete kniff Naja schnell die Augen zusammen und klammerte sich noch ein bisschen fester. Im nächsten Augenblick spürte sie etwas, dass sie noch nie empfunden hatte. Milde Luft die mit unfassbarer Geschwindigkeit an ihr vorbei peitschte schneller als der stärkste Wind! Die Gesetze von oben und unten schienen aufgehoben zu sein und allein der warme Drachenkörper unter ihr schien in Najas Welt noch eine beständige Große zu sein.
Komplette Orientierungslosigkeit wich von einem Augenblick zum anderen eine Erkenntnis die das gesamte Denken des jungen Mädchens ausfüllte. Es ging aufwärts!
Völlig wertungsfrei breitete sich diese Erkenntnis in Najas Kopf aus. Normalerweise hätte ihr Verstand nun damit gerungen diese Erkenntnis auf zu nehmen. Ihr zu sagen was das für sie bedeutete und was man am besten tun sollte. Gedanken dieser Art stellt sich jedoch überhaupt nicht ein. Logisches Denken schien ebenso aus der Welt verschwunden zu sein die Grenzen zwischen Himmel und Erde und die vielen neuen Eindrücke prasselten mit solcher Geschwindigkeit auf Naja ein, das ihr Verstand gar nicht hinterher kam.
Schon wieder änderte sich alles! Einige Sekunden war es steil aufwärts gegangen, nun jedoch veränderte Tanis seine Lage und der Flug wurde ruhiger. Noch immer pfiff ein kräftiger Gegenwind und zerzauste Najas Haar aber er war erträglich. Gerade als die junge Reiterin darüber nachdachte ob es nicht vielleicht sicher wäre die Augen zu öffnen vernahm sie die Stimme ihres Drachen:
-"Willst du die Augen den ganzen Flug über zulassen?"-
Tanis Stimme klang belustigt.
-" Sei nicht gemein."- maulte Naja.-" Ich habe Angst." -
-" Du vertrautst mir doch oder?"-
-" Natürlich!"-
-" Gut, dann Vertrau mir wenn ich dir sage das alles in Ordnung ist und du ruhig die Augen aufmachen kannst."-
Von der Schlagkraft ihres Drachens entwaffnet versuchte Naja in der Tat die Augen zu öffnen. Irgend etwas oder jemand schien jedoch damit nicht einverstanden zu sein denn es gelang ihr erst beim dritten Versuch. Nur Augenblicke später öffnete sich auch der Mund des jungen Mädchens als sie atemlos die Welt bestaunte die sie und Tanis unter sich zurückgelassen hatten.
-" Wir fliegen wirklich!"-hauchte sie.
-" Natürlich!"- kicherte Tanis.-" Was dachtest du denn?" -
Naja hatte mehr zu sich selbst gesprochen und schämte sich nun ein bisschen weniger naive Natur ihrer Worte.
- "Du musst das verstehen." - Versuchte sie zu erklären.-" Für uns Menschen ist fliegen etwas unerreichbares. Ein Traum verstehst du." -
- "Du bist doch aber schon auf dem Rücken von Meister Aroc geflogen." -
- "Ja, schon aber das war anders." -
Naja versuchte zu erklären was gerade in ihr vorging. Sicher hatten sie den Weg aus Alagaesia zur Ostmark auf dem Rücken des braunen Aroc zurückgelegt. Anders wäre das auch gar nicht möglich gewesen. Naja begriff nicht warum sie jetzt so fühlte wie sie fühlte. Sie begriff noch nicht einmal was genau es war dass sie fühlte. Es gab ganz einfach kein Wort dafür. Sie wusste nur, es war groß und kraftvoll und wunderschön. Ein Gefühl das alles andere in ihrem Inneren verdrängte und ihr das Gefühl gab alle Sorgen, allen Schmerz und all das Leid den sie in ihrem bisherigen Leben erfahren hatte am Boden zurückgelassen zu haben.
Es gab dafür einfach kein Wort! Jede Beschreibung schien nur ein Bruchstücke dieses Gefühl sein. Mühelos übermittelte sie daher einfach einen Eindruck ihrer Gefühlslage und sagte zu ihrem Drachen:
-" Das bei Meister Aroc war anders. Das hier, das sind...Wir!"-
-"Wir!"-Bestätigte Tanis liebevoll und ließ seine Reiterin wissen, dass er verstanden hatte.


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