Tag 2, nachts
24 Stunden zuvor„Okay. Und los." Der Wagen bewegte sich quälend langsam nach vorne. Ruckartig und lautlos. Der zehnjährige Duck saß am Steuer. Er kam zwar nicht mal an das Gaspedal heran, aber das war auch gar nicht nötig. Der Motor war aus. Nachdem er sich um etwa ein paar Meter nach vorne bewegt hatte, mit einer Geschwindigkeit die selbst eine Schnecke beleidigen würde, kam der Wagen erneut zum Stillstand.
Enttäuscht blickte der Junge auf das Lenkrad. Autofahren hatte er sich anders vorgestellt.
Katjaa und Kenny kamen nach vorne. Während sich Ducks Vater sich zu ihm gesellte, sah seine Mutter nach Harold, der auf der Rückbank lag. Er schien etwas durcheinander zu sein und seine ansonsten kräftige Stimme war etwas geschwächt.
„Es ist lieb, dass sie nach mir sehen. Aber es geht mir gut. Mir ist nur etwas schwindlig", sagte er selbst.
„Das dürften wohl die Nachwirkungen ihrer Wunde sein", mutmaßte Katja.
„Kommen Sie. Die frische Luft wird Ihnen guttun."
Kenny griff zu der Landkarte. Mit schmalen Schlitzen, durch die seine Pupillen hindurchlinsten, fuhr er den Weg ab, den sie bisher gefahren waren. Und dann den Weg, den sie noch vor sich hatten. Die nächste Stadt war Macon. Selbst mit einem vollgetankten Wagen würde es lange dauern. Aber ihnen war der Sprit ausgegangen. Die letzte halbe Stunde hatte er mit seiner Frau das Automobil angeschoben, während sein Sohn das Lenkrad bediente.
„Hier in der Nähe muss es eine Tankstelle geben", murmelte er.
„Autofahren ist voll langweilig. Wenn ich das vorher gewusst hätte..."
Kenny überging das Gejammer seines Nachwuchses. Der Texaner starrte noch immer auf die Karte.
„... glaube ich, ich kann das. Also darf ich, Dad? Dad!? Hast du mir überhaupt zugehört Dad?"
Die roten Punkte stehen für die Tanken. Sie waren praktisch überall. Die Schlitze verwandelten sich in runde Glubscher.
„HAA! Ganz in der Nähe!"
Ohne Duck weiter zu beachten schlug er die Tür vor seine Nase zu. Frustriert schlug der Junge mit der Faust gegen die Fensterscheibe. Sein Vater bekam die Grimasse, die ihm hinterhergeworfen wurde gar nicht erst mit. Kenny eilte zum Kofferraum woraus er einen grauen Benzinbehälter entnahm.
„Es ist gar nicht weit weg. Höchstens zwei Stunden und ich bin wieder da."
Kenny wollte sich schon auf den Weg machen, da hielt ihn eine Hand auf.
„Nicht so schnell, Kenny. Nimm mal lieber Duck mit. Er kann dir zur Hand gehen."
Unverstanden schaute er in die Augen seiner Frau. Hektisch ließ er seinen Blick zwischen ihr und dem Wagen wechseln.
„Ach Nein", sagte er.
„Ich komme eigentlich ganz gut alleine zurecht. Außerdem komme ich ohne ihn viel schneller voran."
Kenny drehte sich schon wieder um und machte Anstalten zu gehen und erneut wurde er von Katja davon abgehalten.
„Ich muss ein Auge auf Harold werfen. Ich kann nicht auch noch auf ihn aufpassen. Du weißt wie gern er die Gegend erkundet. Und das wird er auch. Mit seinem Vater."
Kenny fuchtelte mit den Armen in der Luft. Es sah so aus als wollte er etwas einfangen. So wie die Sätze, die er ihr entgegenbringen wollte, aber doch nur als Wortfetzen aus seinem Mund strömten.
„Kat... Ich... Komm schon du..."
Jetzt war sie es die das Gespräch beendete indem sie ihm ihren Rücken zuwandte. Kenny fühlte sich auserstanden sie aufzuhalten. Er ließ beide Hände auf seine Hose klatschen, bewegte sich auf die Karre zu und riss die Fahrertüre auf.
„Komm schon, Junior. Mal sehen was wir finden."
Das ließ Duck sich nicht zweimal sagen. Er schwang sich geradezu aus dem Fahrersitz. Er landete auf allen Vieren zu Boden. Eine Haltung, die er nur kurz zuließ. Denn das war der Startschuss für das Rennen, das er selbst eingeleitet hatte. Seine kurzen Beine sprangen von Schritt zu Schritt. Mit schneller Geschwindigkeit entfernte sich das Auto und wurde kleiner, genau wie sein Vater.„Hey, Warte! Nicht so schnell!"
Der Kleine machte sofort kehrt, kehrte für einige Meter zurück, nur um abermals die Richtung zu wechseln. Er breitete seine Arme, wie Flügel aus und begann so immer wieder im Kreis zu rennen. Das kannte sein Vater schon. Damit würde er nicht aufhören, bis er ihn erreicht hatte. Kenny zügelte seine Schrittfolge und blieb schließlich gar ganz stehen.
„Äh. Willst du nicht kommen?", fragte der Junge, immer noch im Kreis rennend.
„Nein. Ich warte lieber", erwiderte Kenny grinsend.
Gleich.
Der Halt an Ducks linkem Bein ließ nach. Fühlte sich wie ein kurzes Zucken an. Aber das reichte aus um ihn zu Fall zu bringen. Sofort rappelte er sich wieder auf. Fast wäre er gleich nochmal hingefallen. Stattdessen schaffte er es zu seinem Dad hin zu taumeln.
„Mir ist schwindlig", jammerte er.
„Das ist deine eigene Schuld", bekam er als Antwort.
„Und schlecht ist mir auch", setzte er seine Klagewehen fort.
„Das geht vorbei, wie du weißt. Schließlich hast du das oft genug gemacht", kam es von weiter oben.
„Ja. Ja."
Als er geendet hatte, war Duck nicht mehr schwindlig. Diesmal machte er jedoch keine weiteren Anstalten loszulaufen. Ruhig gingen Vater und Sohn nebeneinander her.
Kenny genoss die Stille. Er war völlig losgelöst von jedweder Gedanken. Nach einer Weile vergaß er sogar seinen Jungen, der sich gleich neben ihm befand. Die wenigen Geräusche, das Auftreten seiner Schuhe, das Kreischen einer aufgebrachten Elster im Hintergrund, schienen immer mehr zu verblassen. Dumpfe Geräusche. Sie waren noch da aber ihn kümmerte das nicht. Sein Blick war die ganze Zeit auf den Boden gerichtet. Mit jedem Schritt wanderte er eben mit, aber er konnte sich nicht von der Straße lösen.
Kenny konnte sich nicht mehr erinnern warum er stehengeblieben war. Aber er tat es. Eine Sekunde später war er wieder voll da. Mit einem Schlag. Er kam sich vor als hätte man ihn unsanft aus einem Schlaf geholt. Vielleicht war das auch so. Er machte eine Drehung um 180 Grad. Er wusste selbst nicht genau was er hinter sich erwartet hatte. Der Wagen mit Katja und Harold musste noch in der Nähe sein. Man musste ihn noch von der Ferne erkennen können. Doch da war nichts. Überall wohin man sah, bot sich nur das gleiche Bild. Eine vollkommen leere Straße. Unbefahren. Weder Mensch noch Tier, die sie benutzten. Nun hatte sich auch die Ruhe verändert, deren Gegenwart Kenny eben noch genossen hatte. Nein. Sie hatte sich nicht verändert. Nur Kennys Einstellung. Plötzlich sehnte er sich den Lärm eines Staus auf einem Highway herbei. Begleitet von einem nervenzerfetzenden Hupkonzert. Gerade eben konnte er sich nichts Schöneres vorstellen. Und während er auf einer leeren Straße stand, eine Richtung entlangstarrend, in der die Gegend dazu verdammt war sich immer und immer wieder zu wiederholen, mit den verdorrten Gräsern am Wegesrand und der abgeblätterten weißen Farbe der Autobahnstriche, da brannte sich ein unvermeidlicher Satz in sein Hirn ein:
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Become the Walking Dead
FanfictionDie 8-jährige Clementine ist ganz alleine zuhause als die Welt vor ihren Augen zusammenbricht und eine weltumspannende Seuche die Menschen krank macht. Schon bald trifft sie auf den Geschichtsdozenten Lee Everett, der unter mysteriösen Umständen bei...