17. nimm so viele Eiswürfel in den Mund wie möglich

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Als ich an diesem Morgen aufwache, werde ich vom Rauschen des Meeres begrüßt. Es dringt an mein Ohr wie eine sanfte Melodie, dieselbe, die mich auch in den Schlaf gewiegt hat. Ich öffne die Augen um den Tag herein zu lassen und drehe mich zu Mik. Er ist nicht da. Auf einmal bin ich hellwach. Wir stehen bei den anderen Wild-Campern in ihren Vans an einer Klippe. Vielleicht hat er einen Morgenspaziergang gemacht. Ich schlage die Decke zurück und krabbele aus dem Auto. Mir entgeht beim Blick in den Rückspiegel nicht, dass meine Haare zu allen Seiten abstehen. Diese Elektrostatische Aufladung dieser Matratze lässt mich aussehen wie einen farblosen Pumuckl.

„morgen.", werde ich von Mik und einer dampfenden Tasse Tee begrüßt.

„seit wann haben wir Geschirr?", frage ich und nehme die Tasse entgegen, die er mir in die Hand drückt.

„die neben uns sind aus Finnland. Die sind grad aufgebrochen um schwimmen zu gehen. Waren so nett um mir den Wasserkocher und die Tasse auszuleihen."

„du hast mit Fremden geredet?"

„ja." Stolz grinst er.

„und wie war's?"

„ging sogar. Die waren mega nett. Irgendwie ist es leichter in einer Fremdsprache mit anderen zu reden. Ich weiß auch nicht so recht. Nimmt irgendwie den Druck aus der Sache raus." Ich nicke, kann aber so gar nicht nachvollziehen was er meint

„ist das Wasser nicht viel zu kalt um schwimmen zu gehen?"

„die sind Sportler, die können alles."

„wir auch."

„vielleicht würd ich meine Hand reintauchen um dir dann ins Gesicht zu spritzen, aber das ist die absolute Schmerzgrenze.", erstickt er jeglichen Wunsch einer Runde im Wasser damit im Keim. Ich nehme auf dem Camping-stuhl gegenüber Platz und spüre, wie der heiße Tee mir die Speiseröhre hinabrinnt.

„was machen wir heute so?"

„hab mir überlegt, ob wir an der Küste entlangfahren."

„in welche Richtung?" die Frage nach den Nachhause gehen steigt zwischen uns auf wie eine Seifenblase, nachdem wir sie die letzten Tage so erfolgreich zurückgedrängt haben. Wenn sie platzt, wird sie uns beide mit Lauge bespritzen.

„Dänemark."

„klingt gut.", sage ich. Die Seifenblase sinkt zu Boden. „nachher ein Strandspaziergang?"

„auf jeden Fall."

Wir gehen den hügeligen Weg, der von dem Felsen auf dem unser Auto steht zum Strand hinab führt. Immer weiter rutsche ich über Geröll hinab. Bald verwandeln sich die groben Steine in Kiesel, Kiesel in Sand. Das Wasser ist weit zurückgekehrt. Der Wandel der Gezeiten hat diesen Ort nach seinen Vorstellungen geschaffen. Es gibt nicht mehr viele Plätze wie diesen, an dem die Natur so vollkommen sich selbst überlassen wurde. Ich verstehe, was Menschen dazu bringt so vollkommen im Einklang mit ihr verweilen zu wollen. Dennoch bin ich nicht vom Konzept überzeugt, mein Geschäft in einem Gebüsch zu erledigen. Die Vorstellung, nach einem langen Reisetag zurück in ein Hotel mit jeglichem Komfort zurückzukehren, sich nachts in ein weiches Bett niederzulassen und ohne es am nächsten Morgen für die Abreise wieder in einem Kofferraum zu verstauen hat definitiv seinen Reiz. Dennoch genieße ich das Gefühl der Freiheit, das in diesem Moment durch meine Glieder fährt wie eine sanfte Brise. Wir haben es aus eigener Kraft geschafft, hier her zu kommen, unsere eigenen zwei Beine und Vier Räder haben uns hier her gebracht. Ich hätte nichts gegen ein wenig mehr Komfort einzuwenden, kann es mir aber nicht anders vorstellen, als so wie es ist. ein wenig tiefer sauge ich die Luft, die salzig vom Meer zu mir hinüberweht in mich auf. Wir bewegen uns nun am Strand entlang. Er ist so leer und vollkommen verlassen. Ich streife die Schuhe von den Füßen und setze mich um mich meiner Socken zu entledigen.

Die Dinge die wir zurücklassenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt