23 | Morgen Kinder wird's was geben

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Es war der 23. Dezember und er saß in seinem stickigen Büro fest. Jonas und Hanna, mit denen er sich das Büro teilte, waren schlauer gewesen als er. Sie hatten ihren Urlaub bereits vor Monaten eingereicht, sich die Weihnachtstage über frei genommen und verbrachten ihre Tage wahrscheinlich irgendwo zwischen Palmen und Cocktails.

Andererseits gab es für Henry auch nicht sehr viel zu tun, es war also leicht verdientes Geld. Er fand sogar die nötige Zeit nach vorne zum Empfang zu gehen und eine kurze Unterhaltung mit Julie zu führen. Als Sekretärin war sie die erste und letzte Person, die das Büro verließ. Henry hatte nie darüber nachgedacht, aber als er nun in ihr übermüdetes Gesicht schaute, überkam ihn ein schlechtes Gewissen. Er war so sehr auf seine eigenen Probleme konzentriert, dass er die Probleme um ihn herum ignoriert hatte. Der Job, der sein Leben fraß und die dunklen Gedanken, die ihn versuchten zu Boden zu bringen. Vielleicht stimmte es ja, dass man das Glück in sich selbst fand, wenn man es mit anderen teilte.

Er lächelte Julie verhalten an, in der Hoffnung etwas von seiner ungewöhnlich guten Laune auf sie zu übertragen. Sie hatte sich in ihrem Stuhl zurückgelehnt und die Augen geschlossen.

„Kurze Pause?", fragte er und Julie, die erst erschrocken die Augen aufgerissen hatte, weil sie glaubte in ihrem Nichtstun erwischt worden zu sein, nickte dankbar. Sie gingen in die Küche und während Henry die Kaffeemaschine anschaltete, ließ Julie etwas Wasser aufkochen, um sich einen Tee zu machen. Sie war die einzige Mitarbeiterin, die den bitteren Geschmack von Grüntee dem kraftvollen puschenden Geschmack von Kaffee vorzog.

Bis auf Henry und Julie war das Büro verlassen. Ihr Chef war bereits am frühen Morgen zu einem Termin gefahren und sollte erst in zwei Stunden wieder zurückkehren. Es war ein guter Tag. Ein ruhiger und entspannter Tag. In all dem weihnachtlichen Stress, den man sich selbst immer zu Genüge machte, waren solche Tage ein wahrer Segen.

Mit jeweils einer Tasse in der Hand setzten sie sich an den langen Tisch in die Küche, respektive Besprechungsraum. Als Küche wurde der Raum eher selten genutzt. Er reichte gerade mal zum Kaffee und Tee kochen. An besonderen Anlässen stand vielleicht ein Kuchen auf der Herdplatte, aber der Backofen war bestimmt kein einziges Mal angeworfen worden, seitdem die Firma vor fünf Jahren in das neuere Gebäude umgezogen war. Selbst zu den Mittagspausen setzte sich selten jemand in die Küche. Der Teamgeist ließ wirklich zu wünschen übrig. Umso besser, dass Julie und Henry sich angefreundet hatten.

Henry nippte vorsichtig an der heißen Flüssigkeit und lehnte sich in das weiche Polster. Sein Rücken knackte als er dies tat und Julie verzog das Gesicht.

„Mit den Knochen zu knacken ist ungesund."

„Komm du erst mal in mein Alter."

Sie lachte fröhlich.

„Wenn ich so alt bin wie du, werde ich mindestens zwei Olympia Goldmedaillen haben. Nur damit du's weißt."

„Solange du mich dann in deiner Dankesrede erwähnst."

Julie räusperte sich und hielt die Teetasse vor sich wie ein Mikrofon.

Mein besonderer Dank gilt Henry Hall. Er hat mich daran erinnert, dass es wichtig ist, Sport zu machen. Sonst fangen die Knochen viel zu früh an Geräusche von sich zu geben, die sie nicht von sich geben sollten. Wie findest du das?"

Henry grinste schwach.

„Klingt perfekt.", sagte er und Julie wurde mit einem Mal ernst. Ihre Gesichtszüge verhärteten sich. Seine kurzangebundene Antwort verwirrte sie. Er war sonst derjenige, der gerne und viel redete, wenn sie beisammensaßen. An diesem Tag war er ungewöhnlich still, obwohl er einen recht zufriedenen Eindruck machte.

The Christmas DealWo Geschichten leben. Entdecke jetzt