Prolog

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Die Welt war eine ganz andere, als ich wieder zu Bewusstsein kam. Ich erkannte einen grünlichen Himmel über mir mit seltsam hellen Wolken. Es roch zart nach Kirsche, obwohl ich mich auf einem rauen, kalten Pflaster befand und die Gegend alles andere als nach Natur aussah. Egal, wie verwirrt ich war. Gleichgültig der Schmerzen, die ich empfand, mein einziger Gedanke, nun galt es Skeys zu finden.

Das unnatürliche Licht brannte sich gleich einem altertümlichen Foto auf meine Netzhaut und ich hielt mir schützend eine blutverkrustete, mechanische Hand vor die Augen. Durch meine Finger sah ich dort oben wie eine Phantasmagorie ein Schloss zwischen weiß-brennenden Wolkentürmen hängen. Ruckartig setzte ich mich auf und fuhr mir müde über das Gesicht, die kalte Hand klebte dabei stellenweise auf der Haut als wäre es tiefster Winter.

Das Schloss! Dort musste er sein. Die Verbindung, die wir beide miteinander teilten, war tief und sie litt mich zu dieser Festung. Ich muss mich zusammenreißen, um das zu retten, was mich noch atmen ließ. Das Einzige, was mich davon abhielt in den dunklen Abgrund zu springen. Skeys. Skeys, immer wieder Skeys. Sie war wie ein Fatamorgana in der Wüste der Hoffnungslosigkeit meines Lebens. Es blieb nicht mehr viel Zeit meinen Bruder zu finden.

Ich zwang mich auf die Beine. Die Sohlen meiner Zookboots knirschten auf dem rauen Straßenbelag. Alles schien auseinander zu brechen. Die Welt zerfiel und alles würde zerstört werden, wenn ich scheitern sollte. Skeys würde aufhören zu sein und damit auch wir.

Ohne es zu merken hatten sich meine Beine von selbst in Bewegung gesetzt. Der giftige Himmel über mir spuckte mir zischend-prickelnde Funken entgegen, die wie Schneeflocken auf meiner Haut landeten und sich beim Auflösen in diese hinein brannten. Unwillkürlich rannte ich schneller. In meinen Ohren rauschte es. Meine Boots berührten den Boden kaum noch. Die Funken des Himmels verwandelten sich ob der Geschwindigkeit in Geschosse. Ich kniff die Augen zusammen. Noch ein Schritt und ich schwang mich empor. Aus den Düsen meiner Boots schoss ein Luftstrom der mich mit Überschall empor schleuderte. Der Schub würde sicherlich nicht bis zum Fundament des Schlosses selbst reichen, aber Teile der Unterseite bröckelten von diesem ab und fielen geräuschlos auf die Schutzhülle der Stadt in der sie fauchend verbrannten. Ihre Überreste wurden in grünen Schweifen vom Strahlungswinden weggetragen und färbten das Firmament der Schutzfront in dieses giftige Grün. Von einem dieser Brocken hoffte ich mich erneut abstoßen zu können. Ich griff hinter meinen Rücken um mir die Kapuze über den Kopf zu streifen. Sofort leuchtete ein DANGER-Hologramm vor mir auf und mein persönliches Interface setzte mich in Kenntnis:

"Sie verlassen die Sicherheitszone von New Heavan. Ihre Sicherheit kann nicht mehr gewährleistet werden. Bitte wenden. Lebensgefahr! Bitte wenden..."

Begann die Stimme in monotoner Dauerschleife auf mich einzureden. Ich stellte sie auf stumm.

In Lebensgefahr befand ich mich auch, wenn ich in dieser verdammten Sicherheitszone blieb. Ein Stoß und wieder brachte ich mich ein Stück näher an mein Ziel. Ein weiterer Brocken, ein weiterer Stoß. Wenn ich den größeren Brocken noch erwische, könnte ich meine Quxanische Kraft benutzen. Er hatte die passende Form, würde genug Energie abgeben. Ohne weiter nachzudenken, ohne auf etwas anderes zu achten, stieß ich mich ab und griff nach dem großen Stück kaum ein halber Meter über mir. Alles was ich brauchte war das bisschen Glück, das Skeys und mir stets irgendwie zuflog. Nur das kleine bisschen Funken Glück - aber wie auch Skeys war es heute nicht an meiner Seite. Der große Brocken entglitt mir. Ich sah den grünen Himmel, fühlte die Tiefe, in die ich mit rasender Geschwindigkeit hinab fiel und schloss die Augen. Vorbei. Alles war umsonst. Der Kampf, all die Mühe, die wir bereits aufgebracht hatten, all diejenigen, die auf unser Gelingen bauten, all diejenigen, welche es uns bisher gekostet hatten. All das war verloren in dem Moment, in dem mein ohnehin geprügelter Körper auf das harte Pflaster aufschlagen würde. Ich atmete ein letztes Mal tief ein und machte mich darauf gefasst das fremde Nichts zu fühlen - "Asohomira."

Nie, Niemals zuvor in meinem ganzen Dasein war ich erleichterter diese Stimme zu hören. Ich kam nicht auf hartem, unbarmherzigem Pflaster auf. Es war nur ein kurzer Stoß gegen meinen Rücken und ein winziger Schmerz, der durch meine Venen zog. Ein willkommenes Gefühl im Vergleich zu dem, was sonst passiert wäre. Was ich nun sah war immer noch der grünliche Himmel, immer noch das unnahbare Schloss in der weiten Ferne, aber ich fühlte etwas Neues, etwas sehr Gutes. Schwach und mit halboffenen Augen drehte ich meinen Kopf schwer und müde zur Seite und lächelte meinen Schutzengel an.


WolkenmeereDonde viven las historias. Descúbrelo ahora