Kapitel 3 - Josh

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Eineinhalb Stunden später schließe ich die Tür zu unserem Haus auf. Drinnen ertönt Chelseas dunkles Bellen. Sofort fühle ich mich besser. Hier kann ich ganz normal sein mit allen Problemen, die ich habe und die ich nicht mehr verstecken oder überspielen muss. Als ich die Tür endgültig aufstoße, wirft mich beinahe eine schwarze Deutsche Dogge um. Chelsea versucht mir das Gesicht abzuschlecken, während sie an mir hochspringt. Liebevoll kraule ich ihren Hals und blicke in die treuen schwarzen Augen. Seit Granny sie mir vor drei Jahren geschenkt hat, sind wir unzertrennlich und sie gibt mir die Kraft, mein Leben zu leben. Es ist nicht immer einfach, aber es klappt. Irgendwie.

Ich schiebe sie in den Flur, damit ich meine Jacke und meine Schuhe abstreifen kann. Den Schlüssel lege ich in die kleine blaue Schale neben der Garderobe.

"Josh, bist du das?" Grannys Stimme kommt aus dem Wohnzimmer. Salon. Sie will, dass wir es Salon nennen. Das höre sich stilvoller an.

Ich rufe eine Antwort und laufe mit Chelsea den Flur entlang. Sie geht mir bis zur Hüfte und versucht gerade meine Hände abzuschlecken, nachdem ihr schon das Gesicht verweigert wurde. Der Fernseher ist an und ich kann die Frau, die eine Kinderleine verkaufen will, schon hören, bevor ich ins Zimmer trete. Es ist so typisch — Granny liebt ihren Homeshopping-Kanal abgöttisch. Keine Ahnung, warum.

Auf dem Sofa sitzt eine ältere Frau mit grauem Dutt und Stricknadeln in der Hand, während sie der Verkäuferin zusieht, die gerade die Verwendung vorführt. Ich lasse mich auf das geblümte Sofa fallen. Scotty und ich hassen das Muster, aber Granny hat die Macht im Haus, wie er es formulieren würde. Wir verdanken ihr so viel, da lässt sich auch ein hässliches Sofa ertragen.

Chelsea nimmt Anlauf und versucht ebenfalls auf die Couch zu springen, aber ein strenger Blick von Granny hindert sie daran, woraufhin sie sich mit dem Platz auf dem Boden begnügt. Wenn Scotty und ich allein daheim sind, bringen wir es nicht über uns, Chelseas treuen Augen zu widersprechen. Danach krabbeln wir aber regelmäßig übers Sofa, die Nase fast ans Polster gedrückt auf der Suche nach verräterischen Hundehaaren. Bisher sind wir immerhin noch nicht aufgeflogen.

"Wie war die Therapiestunde? Hat die Frau Doktor was Interessantes gesagt?", fragt sie. Ich beuge mich zu Chelsea runter und kraule ihren großen Kopf. Verzückt schließt sie die Augen und genießt die Streicheleinheit.

"Nur das Übliche."                                    

Granny sieht der Verkäuferin zu, wie sie einem kleinen Kind hinterherläuft und die Kinderleine in der Hand hält. "So etwas könnte ich für euch Jungs manchmal auch gebrauchen." Ihre Augen lachen. Ich weiß, dass sie nur Spaß macht, denn Scotty und ich sind eigentlich ganz umgänglich. So etwas lernt man im Kinderheim.

Ich grinse sie an, im selben Moment rumpelt es im Zimmer über uns und Scotty kommt die Treppe herunter. Er streckt seinen braunen Lockenkopf durch die Tür und als er mich sieht, lässt er sich zu uns aufs Sofa sinken.

"Mensch, endlich, Josh!" Er tätschelt Chelseas Kopf. Sie freut sich über die doppelte Aufmerksamkeit. "Ich dachte schon die Psychotante lässt dich gar nicht mehr aus ihren Fängen."

Granny wirft ihm einen tadelnden Blick zu, sie versucht uns schon seit Jahren bessere Ausdrucksweisen anzutrainieren — was allerdings nicht so gut geklappt hat.

"Hatte sie heute wieder diesen Pullover an, der mit dem monstermäßigen Ausschnitt?" Er grinst mich an, dann bekommt er von Granny ein Kissen an den Kopf geworfen.

"Benimm dich, Scott." Sein Grinsen wird nur noch breiter.

"Nee ..." Soll ich ihnen von dem Mädchen erzählen? Ich schweige, denn ich möchte nicht verraten, wie ich knallrot angelaufen bin. Es ist mir zu peinlich, obwohl die beiden wissen, wie schwer mir der Kontakt mit Fremden fällt. Man muss sie trotzdem nicht unbedingt daran erinnern, finde ich. Von "getroffen" kann man sowieso nicht sprechen — ich habe nicht mal ein Hallo über die verkrampften Lippen bekommen.

London Love: Josh & AnnieWhere stories live. Discover now