I. Von Winden und Küssen

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I. Von Winden und Küssen


Lieber Marcel,

es wundert mich nicht, dass du mich zuerst gefragt hast, was ich von der Liebe halte. Aber bevor ich anfange dir zu erzählen was ich fühle, wenn ich ihn sehe und mit ihm spreche, da wollte ich dir sagen, wie schön es ist endlich gehört zu werden. Du weißt ja sicher, dass ich mein Glück mit dem Mann ohne Namen gefunden habe. Ich fand es richtig schön, dass du mir einen Koffer voll mit Bildern geschenkt hast, die ich allesamt gemalt habe. Auch die Texte lassen mich lebendig werden. Marcel - das hast nur du geschafft, Marcel - ich bin Wirklichkeit!


Du hast ein wenig abgespickt von Charlotte Salomon, nicht? Ich meine, diese Künstlerin mit dem Koffer voller Bilder, die dann deportiert wird. Wolltest du mich damit in die Reihe vergessener Künstler stellen? Mich, Margerie?

Marcel. Liebe bedeutete für mich eine ganz Zeit, dass Streben bewundert zu werden. In der Schule wurde ich das immer. Ich war die Schöne, ich war die Begehrenswerte - man liebte nur mich. Und ja Marcel, ich habe es genossen. Obwohl ich jedem gesagt habe, dass ich das nicht mag. Ich habe es so genossen. Innerlich wusste ich, dass es falsch war und man niemanden nach seiner Äußerlichkeit bewerten sollte. Das war nicht fair.

Ich war es nicht.

Und weißt du was dann passiert ist? Ich habe mich verliebt. Ich hatte ihm mein Herz geschenkt. Den Rest kennst du sicher, er ließ mich alleine und ich wartete im Café auf ihm.

Und dann bist du so unverfroren und schickst mir einen meiner alten Klassenkameraden hinein, die mich wieder vergöttern wollen? Das war auch nicht fair. Aber es war gerecht. Weißt du, ich finde da gibt es einen Unterschied. Auch wenn es lediglich die Übersetzung ist.

Marcel. Heute ist Liebe für mich die Freiheit mich zu lieben, die Freiheit von ihm mich zu lieben und meine Freiheit ihn zu lieben. Ich war noch nie so glücklich. Er sieht mich nicht an als das, wie ich mich sehe, sondern so, wie ich wirklich bin. Ich bin ein unperfekter Mensch und dafür kann ich mich endlich lieben.

Stell dir nur vor, die Welt würde endlich anfangen so zu denken.


Die Liebe ist wie der Wind. Sie kommt und geht. Wenn wir aber Glück haben, dann wird aus dem Wind ein Sturm, der uns nie wieder verlässt. 

Das ist Liebe für mich.


Deine Margerie Brown

Die kluge Margerie Brown.



P.S. meinen Abgang bei der Hochzeit von Charlotte und Paul fand ich etwas schnulzig. 

[ P R O J E K T : ] Die Definition von LiebeWhere stories live. Discover now