19- Hilfe aus dem Hintergrund

1.6K 253 129
                                    

➴♚➶

          „Ich kann nicht glauben, dass ich das sage, aber tue es nicht."
Von allen Personen, die mich hätten finden können, war es ausgerechnet Constantin.

Ich sah über meine Schulter, der Wind des nahen Sturzes bereits in den Haaren. Er saß in einem kleinen Fensterrahmen, ein Bein lässig herunterhängend und dunkle Strähnen in seinem Gesicht. Durchweichtes nasses Briefpapier lag zu seinen Füßen.
War er wirklich da?
Ich schluckte die Galle in meinem Mund herunter.
„Bist du hier, um dich wieder über mich lustig zu machen?"

Er sah die gefrorenen Tränen auf meinem Gesicht. Sah seine Reflexion in ihnen.
„Ich war zuerst hier", er deutete auf die Briefe zu seinen Füßen.

Stumm verwünschte ich das Schwindelgefühl für den Mangel an Aufmerksamkeit. Ich kniff die Augen zusammen, um das Bild besser zu halten. Er sah tatsächlich aus, als hätte er hier schon ein bisschen Zeit verbracht.
„Was machst du dann hier?" Meine Stimme bebte mit meinem Körper so nahe an der Dachkante. Nur ein falscher Schritt... eine neue Welle des Schwindels erfasste mich.

Er streckte sich wie eine Katze, stellte beide Füße auf den Boden und schlenderte auf mich zu.
„Ich habe Briefe für meinen Bruder an den Primus geschrieben. Ich dachte, ich hätte ein wenig Friede und Ruhe hier oben." Das ‚bis du aufgetaucht bist' hing beinahe hörbar zwischen uns. Er machte eine Handbewegung und wischte es fort. „Du bist dabei einen Fehler zu machen."

Einen? Wo war er die letzten Tage gewesen? Wusste er nicht, was für eine fortlaufende Katastrophe ich war? Die Vorstellung traf mich tiefer, als ich beabsichtigt hatte. Meine Knie wurden weich und ich musste mich darauf konzentrieren nicht einfach umzukippen.
„Es kann nicht viel schlimmer werden, oder?"

Wo kam die Schärfe in meiner Stimme her? Sie klang wie ein Echo der Worte, mit denen er mich sonst angriff. Und sie schmeckten bitter, so wie er den Mund verzog.
„Ich weiß es nicht. Ich habe es noch nie ausprobiert", gab er zu, einen weiteren Schritt näherkommend. Er bewegte sich, als wäre er mehr an dem Abgrund als an meinen Absichten interessiert. Langsam und gedankenlos.

Irgendwie erwartete ich Sarkasmus, aber da war keiner. Es wäre der letzte benötigte Tropfen gewesen. Die Bestätigung, dass dieser Ort die Hölle war und ich ihr entfliehen würde.

Aber selbst das gestand er mir nicht ein. Mit unbewegtem Gesicht stand er im Wind, als erwarte er, dass ich jeden Moment meine Flügel ausbreiten würde.
„Aber du würdest all den Leuten schaden, die du zurücklässt." Sein entspannter Tonfall kaschierte wie dieser Satz mein Gefühl der Zeit verlangsamte.

Ärger flutete in meinen dunklen See der Angst und Verzweiflung, wie ein Licht, das jemand in einen bodenlosen Brunnen warf.
„Dir schaden? Du wolltest doch, dass ich verschwinde, schon vergessen? Du wolltest mich bei jeder einzelnen Gelegenheit loswerden!"

Mit einem Schulterzucken wehrte er meine Attacke ab, den Blick auf den Horizont gerichtet.
„Nicht genau auf diesem Weg. Ich hatte eher an ein Landhaus gedacht. Mit Blumen und Farben zum Malen. Niemand, der dich stört und belästigt. Niemand, der dich in seinen Intrigen gefangen nimmt. Die Ex-Frau eines Königs und-... ich weiß auch nicht."

Obwohl meine Augen von den Tränen schmerzen, konnte ich nicht blinzeln. Mit seiner Stimme zeichnete er ein wundervolles Bild in die Nacht, das golden in meine Gedanken blutete. Ich konnte es nur nicht ganz erreichen.
„Sie würden Mörder nach mir schicken. Ich hätte dort nicht einmal einen Monat."

Wieder zuckte er mit den Achseln, aber dieses Mal kehrte seine Aufmerksamkeit zu mir zurück.
„Dann bleib bei mir." Er machte ein paar schnelle Schritte auf mich zu, so abrupt, dass ich beinahe zurückgewichen wäre, „Bleib bei mir und bekämpfe sie."
Er streckte seine Hand aus, als erwarte er, dass ich ihm mein Wort darauf gab.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt