Kapitel 88

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Julia

Am Abend hatte Julia erneut ein Haus aus Ranken, Wurzeln und Blättern entstehen lassen, in welchem sie übernachteten. Das Haus von Charlie und Joris war viel zu klein, um Gäste zu beherbergen. In dieser Nacht träumte Julia wieder schlecht. Soldaten ihrer Mutter verfolgten sie durch den Feenwald...

Träge rieb Julia sich die Augen. Das Gezwitscher von Vögeln hatte sie geweckt. Die Anderen, bis auf Josefine, schliefen noch. Das Drachenmädchen schnurrte zusammengerollt als kleiner Kater neben Julias Kopf. Lächelnd strich sie über Josefs Fell.

„Guten Morgen", flüsterte sie leise und befreite sich vorsichtig aus Leopolds Armen, die er fest um sie geschlungen hatte. Leopold protestierte im Schlaf. Schmunzelnd gähnte sie und strich ihm eine Locke aus dem Gesicht.

„Du meine Güte!" Jemand stand vor ihrem magischen Unterschlupf. „Ist das ein Haus?" Julia erkannte die Stimme.

„Nanno ist da", sagte sie zu dem kleinen Kater, hob ihn hoch und verließ müde das Haus.

„Oh! Julia!" Die Nixe grinste breit. In der Hand hielt er einen zappelnden Aal. „Und du bist nicht durchsichtig! Wie schön!" Bis auf Schmuck aus Perlen, gewobenem Schilf und Muscheln trug der junge Mann nichts. Überrascht miaute Josef daher. Julia kraulte ihn amüsiert hinter den weichen Katzenohren.

„Guten Morgen. Die anderen schlafen noch."

„Tun sie das? Wie schade. Ich habe Frühstück mitgebracht!" Er hielt den bedauernswerten Aal Julia entgegen. Das Tier zappelte umso mehr. „Ich wecke schnell Joris und Charlie, damit Joris den Aal über einem Feuer braten kann! Ich bleibe Flammen lieber fern, aber ihr Menschen esst ja nichts rohes. Ein Fehler! Glaub mir! Zappelnd schmeckt mir mein Essen am besten!" Nanno eilte in das andere Haus. Sie sah ihm stirnrunzelnd hinterher. Durch die dünnen Holzwände konnte Julia hören, wie er die beiden Brüder euphorisch weckte.

„Nimm den Aal aus meinem Gesicht Nanno", rief Joris empört. Julia musste lachen. Joris tat ihr leid. Josef sprang von ihrem Armen und nahm Menschengestalt an. „Soll ich die anderen Wecken?", sie zwinkerte Julia zu.

„Nur wenn du verspricht, Peter ebenfalls einen Aal ins Gesicht zu halten", scherzte Julia.

„Hm... Bedaure. Ich habe keinen!", brummte das Drachenmädchen. Dann verschwand sie in das provisorische Haus, um die anderen dennoch zu wecken. Und das mit Schrecken. Julia lachte schallend, als sie hörte, wie Josefine lautstark „Aufwachen!" schrie und Peter erschrocken kreischte wie ein kleines Mädchen. Währenddessen kam Joris mit dem Aal in den Händen aus dem Haus. Er machte keinen fröhlichen Eindruck.

„Guten Morgen, Joris! Hast du gut geschlafen?", rief sie ihm kichernd zu. Joris schnaubte nur.

Es dauerte etwas, doch nach einer weiteren Stunde konnten sie frühstücken. Es gab gebratenen Aal, frisch gesammelte Früchte, wobei alle geholfen hatten, und Kräutertee. Josefine und Fiete waren im Wald unterwegs, um sich etwas Größeres zu jagen. (Aber kein Einhorn.)

Julia aß nichts von dem Aal. Das Tier tat ihr leid. Doch die Früchte schmeckten wunderbar. Peter unterhielt sich mit Charlie. Finn lehnte sich träge an Marko, der nun einfache Kleidung trug. Etwas, das er schnell ausziehen konnte, wenn er sich wieder in einen Wolf verwandeln wollte. Etwas, dass er sehr genoss. Auch in der Steppe hatte er viel zeit als Wolf verbracht, um frei und unbekümmert über die grünen Wiesen zu rennen.

„Julia? Willst du mich in die unterirdische Stadt begleiten?", fragte Nanno sie plötzlich. „Kannst du tauchen? Schwimmen?"

„Tauchen? Etwas ja. Schwimmen habe ich gelernt. Wie tief liegt die Stadt?", antwortete Julia und griff nach ein paar weiteren Beeren.

Hexe - Die KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt