Kapitel 31

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Wie bei einem Schüttelfrost zuckten und zitterten Cam's Gliedmaßen. Ohne jegliche Kontrolle über seinen Körper, wurde er nun zum zweiten Mal in das Zelt der Heiler gebracht. Allison hatte ihn auf Soraya gehievt, die wenige Minuten nach seinem Kontrollverlust eingetroffen war.

Ally war die ganze Zeit an seiner Seite, beruhigte ihn und strich ihm über die Haare. Ihre Blicke sorgten für wohlige Schauer, die ihm von dem unkontrollierten Zucken ablenkten, bei dem sich seine Muskeln schmerzhaft anspannten und wieder entspannten. Er wollte sie berühren, einfach nur ihre Hand halten, doch das Zittern hinderte ihn daran.

„Heilerin Sienna ist gleich da", sagte sie leise und griff nach seiner verkrampften Hand. Das Reden hatte er aufgegeben. Alles, was er herausbrachte, waren abgehackte, gestotterte Wörter. Dazu schlugen seine Kiefer bei dem Versuch zu reden so heftig aufeinander, dass er dachte, seine Zähne würden herausbrechen.

Also blinzelte er sie zur Antwort an und schloss dann erschöpft die Augen. 'Hoffentlich ist es bald vorbei.' *Bleib stark, Cam. Du schaffst das.* Cathán's Stimme schallte durch seinen Kopf und beruhigte ihn sofort. Er versuchte, sich so weit wie möglich zu entspannen, damit seine Muskeln sich entkrampfen konnten.

„Es ist bald geschafft", hörte er da die Stimme der Heilerin sagen. Und tatsächlich ebbte das Zittern und Krampfen ab und langsam ließ auch der Schmerz nach. 'Länger hätte ich es auch nicht ausgehalten.' Da er nun endlich wieder ruhig atmen konnte und nicht unter Schnappatmung litt, konnte er seine Lungen mit Sauerstoff füllen. Seine Sicht, die durch den Sauerstoffmangel verschwommen gewesen war, klärte sich wieder und schwankend setzte er sich auf.

„W-W-War's das", fragte er resigniert und sah die Heilerin flehend an. Noch mehr konnte er nicht aushalten. Er brauchte unbedingt eine Verschnaufpause, andernfalls würde er zusammenbrechen. Sie legte ihm ihre warmen Hände auf die Schultern und Cam hätte schwören können, dass es ihm sofort besser ging. „Du hast es hinter dir, Cameron", sagte sie. In ihrem Blick lag Zuversicht und Stolz.

„Du hast es geschafft!", rief Ally freudig aus und fiel ihm um den Hals. „Wenn du wüsstest, wie ich mich im ersten Moment erschreckt habe", murmelte sie so leise in seine Halsbeuge, dass nur er es hören konnte. Ganz sanft schloss auch er seine Arme um sie, da er Angst hatte, er könnte sie bei einem erneuten Krampf verletzen. Sie war so klein, so zerbrechlich.

Und sie roch so gut. Nach Blumen, Sommerregen und dem einzigartigen, mysteriösen Duft, den Wälder an sich haben. Er legte sein Kinn auf ihrem Scheitel ab und schloss die Augen. So könnte er für immer hier sitzen bleiben. Doch anscheinend sah Allison das anders.

Vorsichtig wand sie sich aus seiner Umarmung und rieb sich verlegen den Arm. Sie sah unsicher und verletzlich aus. Jedoch verschwand dieser Ausdruck schnell aus ihrem Gesicht und wurde ersetzt durch ihre Alltagsmiene. Sie änderte ihre Emotionen so schnell, dass einem schwindelig wurde. Im einen Moment lachte sie mit ihm und öffnete sich und im nächsten war sie verschlossen wie eine Auster.

Hilfesuchend sah er zu Cathán. 'Hab ich irgendwas gemacht?' *Ich glaube, sie ist sich über ihre Gefühle nicht klar.* 'Das habe ich gemerkt. Aber warum?' *Das weiß ich leider nicht. Und selbst wenn, ihr müsst das unter euch klären.* Hilfe war etwas anderes. Und Allison selbst zu fragen war ausgeschlossen, da hätte er mehr Erfolg, wenn er mit der Zeltwand reden würde.

„Cam, musst du nicht so langsam wieder nach Hause", sprach Soraya in diesem Moment den Gedanken an, den Cam die ganze Zeit verdrängt hatte. Wie sollte er sich so vor seinem Vater blicken lassen? Die silbernen Haare konnte er ja noch erklären, aber die Augen? Niemals.

„Wie soll ich denn das hier", er zeigte mit dem Finger auf sein Gesicht, „erklären? Mein Vater wird mir nicht glauben, egal was ich sage." Betretenes Schweigen. „Gibt es nicht irgendein Mittelchen, was mich in seinen Augen normal aussehen lässt?", fragte er hoffnungsvoll. „Leider nicht, Cam. Ich kann dir mit diesem Problem nicht helfen, tut mir leid", erklärte Heilerin Sienna und zog sich dann zurück, damit sie in Ruhe alles weitere bereden konnten.

The eyes of the shadowsWhere stories live. Discover now